8. O-L-M-Halbmarathon Bissendorf

20.08.2011

Vorher

Eine Woche nachdem ich auf der schnellen, aber eintönigen Strecke in Spelle meine Halbmarathonbestzeit verbessern konnte, wollte ich heute einen landschaftlich schöneren Wettkampf laufen, bei dem es nicht so sehr um die Zeit ging. Der Osnabrücker Landmarathon in Bissendorf bot sich hierfür perfekt an. Als ich Ende August 2010 dort den kurzen 5-km-Lauf gewinnen konnte, war mir klar, dass ich wiederkommen möchte. Neben den 5- und 11-km-Strecken wurden auch ein Halbmarathon und ein ganzer Marathon, der über zwei Runden ging, angeboten. Ich habe mir im Vorfeld sagen lassen, dass die HM-Runde es mit vielen leichten Hügeln und Schotterwegen in sich hat. Aber darin sah ich den Reiz; ich wollte mich genau 5 Wochen vor dem 38. BMW-Berlin Marathon noch einmal richtig testen.

Um die 50 km nach Bissendorf und zurück nicht allein fahren zu müssen, fragte ich kurzfristig meinen Kumpel René, ob er nicht Lust hat mitzukommen, um eventuell über eine der kürzeren Distanzen zu starten. Er sagte sofort für die 5 km zu, perfekt.

Nach einer dreiviertel Stunde Fahrt kamen wir ca. 15.30 Uhr in dem kleinen Dörfchen nahe Osnabrück an. Bis zu meinem Start blieb noch etwa eine Stunde, in der wir unsere Startnummern abholten, ich mich noch etwas aufwärmte und anschließend dehnte. Außerdem war Wasser trinken heute ganz wichtig, denn die Sonne brannte vom Himmel und es war kein Wölkchen in Sicht. Nach der obligatorischen Bananen und einem weiteren Schluck Wasser ging ich zur Startlinie, wo sich langsam immer mehr Läufer einfanden. Ich konnte bereits den einen oder anderen Konkurrenten ausmachen, mit dem ich schon auf anderen kleinen Wettläufen zu kämpfen hatte. Das wird noch ein spannendes Rennen heute, dachte ich mir.

René startete erst nach mir, sodass er ein paar Fotos schießen konnte. Danke dafür! ;-) Aufgrund der Hitze bereits schwitzend wartete ich ungeduldig auf den Startschuss. Ich war im wahrsten Sinne des Wortes heiß auf den Lauf und freute mich auf die schöne Landschaft und die kleinen Herausforderungen in Form von Anstiegen. Dann endlich um 16.30 Uhr ging es los!

 

Der Lauf

Der erste Kilometer war ein ganz leichter, kräftezerrender Anstieg und ging vom Start weg nur geradeaus. Ein Läufer Anfang 40 (Startnummer 285) stürmte uns allen davon und ich hörte einige Leute sagen: „Der hat sich doch im Lauf vertan, das sind keine 5 oder 10 km!“ Auch ich wunderte mich über seinen übertrieben schnellen Startsprint. Eigentlich bin ich das nur von sehr jungen Läufern ohne allzu viel Erfahrung gewohnt, aber in diesem Fall sollten wir uns alle geirrt haben. Dieser Mann war doch tatsächlich von Beginn an „verschwunden“, rannte uns allen davon und wurde nach dem Lauf weit vor dem Zweitplatzierten im Ziel gesichtet. Respekt!

Am Ende des ersten Anstiegs ging es nach rechts ein kurzes, sehr steiles Stück bergab. Unten angekommen stand am Wegesrand eine kleine Webcam-Kamera, die Live-Bilder geschossen hat und die man sich später im Internet downloaden konnte. Anhand dieser Bilder konnte ich sehen, dass wir eine Gruppe von 6 Läufern gebildet haben, die alle ungefähr dasselbe Tempo angegangen sind.

Ein Läufer in meinem Alter war allerdings - glücklicherweise - nur der Tempomacher für einen anderen. Da beide etwas zu schnell angegangen sind, fielen sie recht früh im Rennen zurück, sodass wir ab KM 3 nur noch eine Verfolgergruppe von 4 Personen waren. „Ist heute vielleicht sogar ein Podiumsplatz möglich?“, dachte ich mir.

Auf dem folgenden Abschnitt ging es über gut asphaltierte Wirtschaftswege Richtung Südosten. Dank vieler Bäume am Wegesrand konnte man hin und wieder im Schatten laufen und sich somit etwas eher mit der heißen Sonne anfreunden. Der Streckenverlauf bog häufig links oder rechts ab und an einer Stelle bei KM 4, an der ich unsere kleine Laufgruppe anführte, bin ich ausversehen geradeaus weitergelaufen, statt links abzubiegen. Zum Glück hat ein anderer den kleinen weißen Pfeil auf dem Boden entdeckt und mir noch rechtzeitig zugerufen: „Links!“. Mir ist dann noch ein „Scheiße!“ rausgerutscht, aber egal. Durch die kurze Verwirrung war ich nun derjenige, der sich in den Windschatten der anderen hängen durfte (obwohl es windstill war).

Bis KM 6 oder 7 war es nicht mehr sonderlich hügelig und wir passierten einen Bauernhof nach dem anderen. Als wir im Ortsteil Nemden am südöstlichsten Punkt der Strecke angekommen sind, ging diese rechts ab und verlief von da an häufiger über Schotterwege. Kurz bevor es eine lange grasbewachsene Gerade bergauf ging, zog sich unser Quartett etwas in die Länge. Ich blieb hierbei an der dritten Position (= Gesamtvierter). Während der hinter mir Laufende spürbar zurückfiel, hatte ich den vor mir Laufenden stets im Blick, was meiner Motivation guttat.

Obwohl ich mir langsam vorkam und mir schnell die Puste ausging, vergrößerte sich der Abstand zum Drittplatzierten kaum. Ich musste zwar ordentlich beißen, aber gleichzeitig genoss ich, dass ich dies es in der freien Natur machen darf. Einen Berg laufend zu bezwingen ist zwar verdammt hart, aber die Belohnung ist grandios: oben ankommen, kurz die Aussicht genießen und dann wieder bergab stürmen, einfach unbeschreiblich. So war es auch hier: etwa ab KM 9 ging es über Sand- und Schotterpisten abwärts, ein kurzes Gefühl von Fliegen, bis daraufhin einige Kilometer über flache Asphaltwege führten.

Bei KM 13 gelangte ich zu dem kleinen Sonnensee, der ganz in der Nähe des Start-Ziel-Bereichs liegt. Hier gab es viel Publikum und Applaus und die Spaziergänge genossen den sonnigen und warmen Tag sicherlich mehr als wir Läufer. Wie an jedem Versorgungspunkt, nahm ich mir auch hier einen Becher Wasser. Was nicht im Mund landete, goss ich mir ins Gesicht. Keine schlechte Abkühlung!

Kurz nach dieser Erfrischung folgte eine psychologische Herausforderung, denn die Marathon- und Halbmarathonläufer gelangten zu einer Straßenkreuzung, auf der sie dem Streckenverlauf nach links abbiegen müssen; gleichzeitig befindet sich - wenn man nach rechts schaut - nur wenige hundert Meter entfernt das Ziel. Gerade bei diesen harten Wetterbedingungen war mein Verlangen an dieser Stelle groß, so schnell wie möglich im Ziel und somit irgendwo im Schatten zu sein. Die 5- und 11-km-Läufer, die eine leicht veränderte Strecke gelaufen sind, waren an dieser Straßenkreuzung die Glücklichen und konnten rechts abbiegen, aber ich hab’s ja so gewollt.

Zwischen KM 14 und 21 folgte nun das letzte und - meiner Meinung nach - härteste Drittel des Rennens. Schatten gab es von nun an keinen mehr und wir liefen auf einer beinahe kreisförmigen Asphaltstraße, die zu Beginn stetig bergan verlief. Sichtbar war der leichte, aber lange Anstieg kaum, aber spürbar umso mehr. Mich motivierte einzig und allein die Tatsache, dass ich dem Gesamtdritten sehr nah auf die Pelle gerückt bin. Er schien ähnliche Qualen zu durchleben, wie ich, aber das ist nun mal das Schöne an unserem Sport: gleiche Bedingungen für jede(n). Kurz nachdem wir auf die breite, in einer sehr großen Rechtskurve verlaufenden Wirtschaftsstraße einbogen, war ich am Rücken des Dritten dran. „Soll ich ihn jetzt schon überholen oder bis kurz vor dem Ziel damit warten?“ fragte ich mich kurze Zeit. Als ich dann aber sah, wie langsam er wurde, musste ich ihn zurückfallen lassen und weiter mein Tempo halten. "Yes, der dritte Gesamtplatz ist drin, weiter so Patrick!"

Für die Landschaft, die jetzt nur noch aus Mais- und Weizenfeldern bestand, hatte ich nicht mehr viel übrig. Das Tempo zu halten und mit einem Lächeln ins Ziel zu kommen sind meine beiden einzigen Gedanken. Für Ersteres sorgte der Gesamtzweite, der plötzlich weit vor mir auftauchte. „Wahnsinn, kann ich heute eventuell sogar Zweiter werden?“ Die einzige Hürde ist noch, dass dieser Konkurrent wesentlich frischer und schneller aussah, als derjenige, den ich zuvor überholt habe. Egal, beißen und kämpfen!

KM 16 … 17 … 18 … die restliche Strecke wurde kürzer und ich dafür zunehmend müde. Während mein Tempomacher vor mir nur minimal langsamer wurde, schmolz der Abstand zwischen uns beiden auch nur sehr langsam. Ich musste nochmals versuchen, das Gaspedal zu treten. Mit einem Lächeln ins Ziel zu kommen, ist heute nicht mehr möglich, zu groß ist die Erschöpfung. Tunnelblick und die Beine arbeiten lassen, alles auf eine Karte setzen. Und plötzlich merkte ich, wie sich der Abstand mit jedem Schritt verkleinerte und ich mich an den dunkel gekleideten Läufer anheften konnte. Das ging mir zwar fast ein bisschen zu schnell und meinem Konkurrenten scheinbar ebenfalls, da er das Tempo instinktiv nochmal anzog, aber gut zwei Kilometer vor dem Ziel war es dann sicher: sofern ich nicht einbreche und gehen muss, ist der zweite Gesamtrang meiner.

Mit neuer Energie kreuzte ich die zuvor beschriebene Straßenkreuzung in entgegengesetzter Richtung (also von links nach rechts laufend) und befand mich dann auf den letzten paar hundert Metern vor dem Ziel. Die Straße führte leicht bergan, aber das kümmerte mich nicht mehr. Obwohl es ein Zeichen von Schwäche ist, drehte ich mich ganz kurz um, um zu sehen, wie weit der Dritte entfernt ist. Da der Abstand in dieser kurzen Zeit auf 51 Sekunden angewachsen ist und ich daher entspannt in den Zielkanal einbiegen konnte, gelang mir doch noch ein kurzes Lächeln. Meine Uhr zeigte 01:23:29 und somit exakt 3 min mehr als in der Woche zuvor in Spelle, als ich auf flacher Strecke eine Bestzeit aufstellen konnte. Ich bin über den Verlauf des Rennens mehr als glücklich, denn es lehrt einen Läufer eine ganz bestimmte Sache: Je weniger man erwartet, desto mehr überrascht man sich am Ende selbst ;-)

 

Nachher

Mit einer schönen Finisher-Medaille geschmückt musste ich zunächst zwei-drei Becher Wasser in mich hineinschütten. Danach folgten Zitronen-Limo und Paulaner Alkoholfrei, besser geht’s kaum. Ca. 10 Minuten später entdeckte ich René, der in 27:10 min über 5 km 19. insgesamt und Erster in der Altersklasse MHK (82 - 91) geworden ist. Wir freuten uns über unsere Erfolge, das schöne Wetter und die familiäre Stimmung während der gesamten Veranstaltung. Ein solcher Ausflug „ins Grüne“ kann liebend gern häufiger stattfinden.

Leider dauerte es bis zur Siegerehrung noch ganze 2 Stunden, was ich persönlich für zu lange erachte. Wir stärkten uns währenddessen mit Kuchen, noch mehr Paulaner Alkoholfrei und netten Gesprächen, u.a. mit dem Halbmarathon-Sieger Ulrich Sure (Siegerzeit war 01:17:52). Er erzählte mir viel Interessantes über Rennräder, da ich kurz davor war, mir ein gebrauchtes Rennrad zuzulegen. Im Großen und Ganzen verstrichen die 2 Stunden dann doch schneller als gedacht. In Anbetracht des Preises (ein gläserner Pokal und ein Laufshirt) hat sich das Warten aber auch gelohnt.

Mein Resümee ist durchweg positiv und ich könnte mir vorstellen, hier früher oder später auch den Marathon zu laufen. Liebend gern warte ich dafür aber läuferfreundlicheres Wetter ab, als es heute der Fall war ;-)

 

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

21,0975 km

 

01:23:29 Std.

 

01:23:29 Std.

 

Männl. Hauptklasse (82-91)

 

1. von 20 (5,0 %)

 

2. von 138 (1,4 %)

 

2. von 166 (1,2 %)