91. Straßenläufe Herten-Bertlich ~ 30 km

01.12.2013

Vorher

Vor 1029 Tagen lief ich mein letztes 30-km-Rennen und genau so alt ist nun meine Bestzeit (02:03:08 Std.). Somit durfte ich mir heute zu Recht Hoffnungen auf einen neuen Rekord machen, am liebsten sogar 01:59:59 Std. oder schneller. Meine Wahl fiel abermals auf die beliebten Bertlicher Straßenläufe, die dreimal jährlich und heute zum insgesamt 91. Mal ausgetragen werden. Für mich ist es nun die vierte Teilnahme in diesem beschaulichen Dörfchen zwischen Herten, Marl und Gladbeck. Einmal war es die Königsdistanz von 42,195 km, die ich hier erstmals unter drei Stunden gelaufen bin und zweimal waren es - wie heute - die 30 km.

Morgens klingelte der Wecker um 06:15 Uhr und nach einem spartanischen Frühstück ging’s eine knappe Stunde später mit dem Fahrrad von Venlo (NL) nach Kaldenkirchen (D) zum Bahnhof. Dort erwischte ich ohne Zeitdruck meinen Zug um 08:10 Uhr und hatte von dort eine gut zweistündige Fahrt inklusiv zweimaligem Umsteigen vor mir. Um 10:13 Uhr erreichte ich den kleinen Bahnhof Gelsenkirchen-Hassel, von wo aus es nur noch knapp 500 Meter bis zum Veranstaltungsgelände waren.

Exakt 1,5 Stunden vor dem Startschuss ging ich erst mal in die Sporthalle, um mich kurz aufzuwärmen. Die heutigen 6°C bei teilweisem Sonnenschein und leichter Brise waren zwar perfekte Laufbedingungen, aber doch recht frisch, wenn man sich nicht bewegte. Wenig später holte ich mir für 15 € eine Startnummer, die hier in Bertlich nur an Nachmelder herausgegeben wird. Jahrelang ist es Tradition, dass keine Voranmeldungen möglich sind. Kein schlechtes Konzept, da man sich abhängig von körperlicher Fitness und Wetter spontan für eine Distanz zwischen 5 km und 42,195 km entscheiden kann.

Um meinen Körper auf Betriebstemperatur zu bringen, bin ich ganz locker 4 km in 19:35 min gejoggt. Auf diese Weise habe ich den größten Teil der 5-km-Runde kennengelernt, auf der mich das Führungsduo kurz vor dem Ziel rasend schnell überholte.

Um 12:00 Uhr war auch ich endlich an der Reihe. In einem sehr überschaubaren Feld von nur 28 Läufern positionierte ich mich natürlich ganz vorne an der Startlinie. Mein Ziel war es, jeden Kilometer-Abschnitt konsequent unter vier Minuten zu laufen, um hinten raus ein solides Polster zu haben.

 

Der Lauf

Nach einem lauten Schuss aus der Pistole ging die Post ab. Zu dritt machten wir von Beginn an Tempo und spulten den ersten Kilometer, der noch durch eine Siedlung in Bertlich führte, in 03:51 min ab. Danach bogen wir rechts in ein weitläufiges Feld ein. Vor mir waren vereinzelt Läufer, die über die Marathondistanz gestartet sind und die ich relativ leicht überholen konnte. Gleichzeitig hörte ich, wie sich meine beiden Verfolger jetzt schon zurückfallen ließen. Möglicherweise waren wir anfangs doch etwas zu schnell. Somit reduzierte ich das Tempo auf den folgenden 5 km auf ungefähr 03:55 min/km.

Von Beginn an lief ich allein durch Felder und an Bauernhöfen vorbei. Der langgezogene Kötterweg zwischen KM 2 und KM 4 ist zudem von großen Bäumen gesäumt und bietet dadurch eine schöne Atmosphäre zum „Vorweg-Laufen“.

Nach einer weiteren Rechtsabbiegung erreichte man den zweiten Verpflegungsstand, von dem ich genauso wenig Gebrauch machte, wie von allen anderen. Getränke brauche ich erst bei Läufen über zwei Stunden ;-)

Als die Hertener Straße erreicht war, ging’s rechts ab und wenige hundert Meter später abermals nach rechts. An dieser Stelle durften die 30-km-Läufer noch die „Abkürzung“ nehmen. Da diese Distanz aus drei ähnlich großen Runden besteht, beträgt die erste nur 9,5 km und die beiden weiteren jeweils 10,0 km. Die restliche Differenz wird im Stadion auf der Aschebahn zurückgelegt. Zum Glück habe ich mir die Strecke eingeprägt, da hier kein Helfer stand, um die Läufer gegebenenfalls weiter geradeaus auf die Verlängerung zu schicken. Hoffentlich läuft hier niemand zweimal durch die „Abkürzung“.

Auf der Recklinghausener Straße lief ich in leichtem Gegenwind und mit kalten Händen (trotz Handschuhe) dem Ende der ersten Runde entgegen. KM 7 bis 9 waren mit 03:50, 03:48 und 03:49 min wieder spürbar flotter, aber ich fühlte mich noch mehr als frisch, also machte ich mir keine Sorgen.

Nach Überqueren der Marler Straße unter polizeilicher Leitung bog ich in den Bauernweg ein. Diesen Weg habe ich bereits bei meinen vorherigen Teilnahmen liebgewonnen. Er ähnelt von der Asphalt-Beschaffenheit zwar eher einem Cross-Untergrund, aber versprüht durch den großen Bauernhof rechts und links davon eine besondere Atmosphäre.

Etwa 500 Meter vor dem Veranstaltungsgelände fällt die Straße spürbar ab und ich konnte ungewollt schneller laufen. Der 10. Kilometer machte deutlich, wie schnell hier später der Zielsprint gelaufen werden kann (03:43 min/km).

Auf der zweiten Runde wollte ich ein wenig kontrollierter laufen und da auf der Strecke immer weniger Läufer anderer Distanzen waren, fiel das unrhythmische Überholen weg. Bis KM 15 blieb ich stets zwischen 03:53 min/km und 03:59 min/km, was genau meinen Erwartungen entsprach. Sowohl die landschaftlich reizvolle Gegend, als auch das Wetter blieben unverändert und von hinten drohte keine Gefahr eines auflaufenden Konkurrenten. Der Lauf erinnerte mich somit zwischenzeitlich an einen flotten Trainingslauf in bekannter Umgebung. Das gefiel mir sehr!

Beim Überqueren der großen Hauptstraßen dankte ich jedes Mal den Polizisten, die hier in der Kälte mehr als 5 Stunden den Verkehr regeln müssen. Nur so konnten die Läufer gefahrlos und mit gleichbleibendem Tempo über die Straße.

Auf dem folgenden 5-km-Abschnitt bis KM 20 wurde ich trotz minimalem Gegenwind wieder etwas schneller. Zum Teil sah ich wieder Zeiten unter 03:50 min pro Kilometer, was sich im späteren Verlauf sicher rächen würde. Bei KM 16 ging es dann über die bereits erwähnte, 500 Meter lange Verlängerung der 2. und 3. Runde. Da sie in Form eines spitzen Dreiecks verlief, konnte ich problemlos sehen, was hinter mir geschieht. Mit etwa 2-minütigem Abstand folgte mir einer der beiden schnellen Läufer, den ich weiterhin auf der Rechnung haben musste. Vielleicht war er der Grund, warum ich zum Ende der zweiten Runde das Tempo wieder etwas angezogen habe.

Beim zweiten Durchlaufen des Start-Ziel-Bereichs habe ich mir nochmals vorgenommen, ein wenig auf die Bremse zu drücken. So gelang es mir bis KM 24 knapp unter dem 04:00-min-Schnitt zu bleiben (03:59, 03:56, 03:57, 03:57). Bei KM 22 kam mir ein Läufer mit einer blauen 30-km-Startnummer entgegen. Sehr merkwürdig! Als wir auf selber Höhe waren, drehte er sich um 180° um und lief neben mir her. Ich schaute ihn kurz an und er erklärte infolgedessen, dass ein paar Läufer auf ihrer zweiten Runde falsch abgebogen seien. Es war mir schnell klar, dass es an dem fehlenden Wegweiser bei der „Abkürzung“ lag. Schade! Sowas ist für jeden sehr ärgerlich und da es scheinbar auch meine unmittelbaren Verfolger getroffen hat, fehlte hinter mir jemand, der auf Entfernung Druck machen konnte. Der erste Platz war mir somit nicht mehr zu nehmen, was jedoch nichts an meinem Bestreben änderte, eine gute Zeit abzuliefern.

Mit zunehmender Müdigkeit und leichtem Grummeln in der Magengegend wurde es trotzdem hart, den 04:00-min-Schnitt zu halten, was dazu führte, dass ich die folgenden fünf Kilometer federn lassen musste (04:06, 04:02, 04:01, 04:06: 04:01). Mein Sub-2-Stunden-Ziel blieb glücklicherweise ungefährdet, aber dennoch forderte mich mein Körper dazu auf, die Zähne zusammen zu beißen. Ich freute mich sogar schon auf das letzte abfallende Stück und der letzte Kilometer sollte definitiv der schnellste werden. Soviel stand fest!

Nach dem Bauernweg ging es links auf den Radweg neben der Bertlicher Straße und hinter dem Real-Markt rechts in die Siedlung mit dem abschüssigen Stück. Obwohl hinter mir niemand war, drehte ich nochmal auf. Unten an der Grundschule neben dem Sportplatz angekommen, bog ich nicht rechts auf den Rundkurs, sondern diesmal links Richtung Aschebahn ab. Die wenigen Zuschauer animierte ich dazu, lauter zu klatschen. Und es hatte den erhofften Effekt. Kurz vor der Aschebahn stand auf der rechten Seite ein Fotograf von Photobello, was gleichbedeutend mit „Achtung, Arme ausstrecken, Lächeln!“ ist.

Die letzten 300 Meter habe ich nochmal Gas gegeben und bin nach einem letzten Kilometer in 03:42 min und nach einer Gesamtzeit von 01:57:46 Std. ins Ziel gekommen. Glücklich und dennoch ein wenig enttäuscht, dass es nicht stärkere Konkurrenz gab. Der Zweitplatzierte kam erst 06:39 Minuten nach mir ins Ziel.

 

Nachher

Während ich auf ein paar weitere Läufer wartete, schilderte ich den Organisatoren am Zeitnahme-Zelt, was die Ursache für das Falsch-Abbiegen der Anderen gewesen sein muss. Sie hatten bereits von dem Vorfall gehört und versprachen, es beim nächsten Mal besser zu machen.

Auf dem langen Weg zu den Duschen passierte ich den großzügigen Getränkestand, wo ich drei Becher mit lauwarmem Zitronentee getrunken habe. In der Sporthalle angekommen, holte ich meine Sporttasche ab, die ich vor dem Lauf bei den Gepäck-Damen abgegeben habe, und verschwand unter der Dusche. Es waren nicht viele Männer in der Umkleide und so fehlten mir ein wenig die sonst typischen Läufer-Stories. Erst als ich frisch umgezogen war, kehrte ein Läufer von der Marathondistanz zurück und erzählte, dass er hier heute nach vielen vielen Jahren seine Bestzeit pulverisiert hat. Sofort gab es drei-vier Glückwünsche von den wenigen Männern in der Umkleide.

Um die Zeit bis zur Siegerehrung zu überbrücken, telefonierte ich unter anderem mit meiner Family und ging hin und wieder zum Stand von Photobello. Da ich bis zum Schluss auf den Miniaturausdrucken vergebens nach meinem Finisher-Foto gesucht habe, fragte ich schließlich die Verantwortlichen. Und tatsächlich ist ihnen ein Fehler unterlaufen. Da ich zudem verdeutlicht habe, dass mir armem Studenten 4 € für ein kleines Foto zu viel sind, haben sie mir ein Angebot gemacht, das ich dann nicht abschlagen konnte. Für 2 € gab’s schließlich das schöne Finisherfoto mit ausgestreckten Armen (siehe oben).

Mit einem Erinnerungsfoto in der Tasche ging ich zurück zur Pausenhalle und wartete bis 16:00 Uhr auf die Ehrung. Diese fiel wie jedes Mal aus, d.h. dass alle Altersklassen-Erstplatzierten die Bühne betraten und einen Läuferpokal mit Urkunde bekamen. Die Frauen zudem eine Blume - heute am ersten Advent einen Weihnachtsstern. Mit den Urkunden durfte sich nach der Ehrung jeder eine Flasche Energy-Drink von einem unterstützenden Sponsorenteam abholen.

Auf dem Rückweg zum S-Bahn-Bahnhof wurde es bereits langsam dunkel. Als die Bahn dann noch über 20 Minuten Verspätung hatte, verzögerte sich gleichzeitig mein Ankunftstermin in Kaldenkirchen um eine Stunde. Dort angekommen bin ich erst kurz vor 20 Uhr, sodass ich nach der Fahrradtour nach Venlo erst 20:45 Uhr zu Hause war.

Alles in allem war es heute ein langer Tag für mich. Und ein für mich typischer Dickkopf-Lauf. Das bedeutet, dass ich mir den Lauf trotz aller logistischer Schwierigkeiten in den Kopf gesetzt und so auch durchgezogen habe. Die Krönung ist natürlich die neue Bestzeit, die ich um 05:22 min verbessern konnte.

Mein viertes Mal in Bertlich - mein vierter Läuferpokal! Folgt noch ein fünfter? Bestimmt irgendwann!


Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

30 km

 

01:57:46 Std.

 

01:57:46 Std.

 

Männl. Hauptklasse (84-93)

 

1. von 3 (33,3 %)

 

1. von 26 (3,8 %)

 

1. von 28 (3,6 %)