81. Straßenläufe Herten-Bertlich ~ 30 km

26.09.2010

Vorher

Der gute Ruf der Bertlicher Straßenläufe ist bis an meine Ohren gelangt. Kein Wunder, wenn man in seiner freien Zeit so viele Laufberichte im Internet liest wie ich. Da ich mich schon seit geraumer Zeit auf meinen ersten Marathon in Frankfurt am Main am 31.10.2010 vorbereite, habe ich mir gedacht, dass ich zuvor auch einen längeren Wettkampf als die üblichen 21,1 km laufen könnte. Viele 30-km-Läufe gibt es nicht. Da Herten-Bertlich aber genau fünf Wochen vor Frankfurt stattfindet und ich noch nicht so viel Stress im Studium habe, entschied ich mich dafür, den 85 km langen Weg von Nettetal nach Bertlich auf mich zu nehmen.

Gegen 9.00 Uhr bin ich losgefahren und um kurz vor 10.30 Uhr in Herten-Bertlich auf dem Veranstaltungsparkplatz am Real,- (Hoppenwall) angekommen. Kurz zuvor lief noch völlig unerwartet 50 Meter vor meinem Auto Herr Hannig über die Straße; ein Lehrer meiner ehemaligen Fürstenberg Schule, der mit uns Schülern und einer Lehrer-Mannschaft am Sportschul-Crosslauf in Warendorf 2010 teilgenommen hat. Er schien sich für den Halbmarathon aufzuwärmen und ich war gespannt, ob ich ihn später noch irgendwo treffen würde.

Nach einem mehrminütigen Fußmarsch vom Parkplatz bis zum Wettkampfbüro habe ich mich erst einmal ein wenig orientieren müssen. Für 15 € kaufte ich mir eine dunkelblaue Startnummer und ging dann zu den Umkleideräumen, um dort meine Tasche und meine Wertsachen zu deponieren. Erst kurz vor dem Start bemerkte ich, dass es hier sogar eine offizielle Kleiderabgabe gibt. Super Sache!

Die letzte Stunde vor dem Start verbrachte ich wie vor jedem Lauf: ein paar Aufwärmläufe, hin und wieder Dehnübungen, ein paar Schlucke Wasser, die obligatorische Banane und der unvermeidbare Gang auf‘s stille Örtchen. Noch realisierte ich nicht, dass ich in einigen Minuten den bisher längsten Wettkampflauf meines Lebens laufen würde. Die Aufregung vor meinem ersten 30er ließ sich kaum von anderen, kürzeren Läufen unterscheiden. Meine angestrebte Zielzeit setzte ich mir auf ungefähr 2 Stunden und 10 Minuten. Das Wetter war zwar sonnig, aber fast schon zu warm. Somit hatte ich eine erste Ausrede parat, wenn der Lauf etwas langsamer werden sollte.

Nachdem ich in den Wochen vor diesem Lauf die vielen Ergebnislisten der vergangenen Läufe in Bertlich studiert habe, fiel mir auf, dass meine Chancen auf einen Altersklassensieg hoch waren. In meiner momentan recht kleinen Altersklasse (männliche Junioren 88-90) starteten viele über kürzere Distanzen, sodass ich mir heute einen kleinen Läuferpokal als Preis für den Altersklassensieg erhoffte. Motivationsgrundlage geschaffen, passt!

Während meine Gedanken weiter im Kopf kreisten, näherte sich die Startzeit von 12.00 Uhr. Der Start befand sich auf der Straße links neben der Pausenhalle und war durch ein großes blaues Banner gekennzeichnet. Ohne Anzeichen von Stress trudelten nach und nach alle Läufer ein, sodass der Startschuss mit ein paar Minuten Verspätung erfolgte. Das Ambiente war familiär und es nahm mir die Furcht vor dieser langen Distanz. Der Respekt wich einer Art Vorfreude und ich hoffte auf ein schönes und gleichmäßiges Rennen.

Der Lauf

Auf einer leicht abschüssigen Straße liefen wir zunächst etwa 500 m Richtung Süden, bogen dann rechts ab und verließen schon das kleine Dorf. Während ein Läufer Anfang 30 allen davonstürmte, blieben wir Verfolger zu Beginn noch einigermaßen zusammen. Kurz vor KM 1 unterquerten wir eine Eisenbahntrasse, die wir bei KM 3 dann überquerten. Zwischenzeitlich ging es abermals rechts ab über einen flachen, asphaltierten Feldweg, bevor wir uns auf dem langen Weg vom westlichsten bis zum östlichsten Punkt der Strecke befanden.

Die kleine Verfolgergruppe hat sich früh in die Länge gezogen und so lief ab KM 3 jeder für sich allein. Die Abstände wurden stetig größer und ich lag vorerst auf dem ordentlichen sechsten Platz. Nach Überquerung der besagten Eisenbahnschienen mussten wir links von der Strecke einen etwa 1 km langen Extra-Schlenker durch eine Bauernsiedlung laufen, um dadurch auf exakt 15 km pro Runde zu kommen. Hier waren die Wege schmaler und kurviger und es hatte seinen eigenen Charme, zwischen den Pferdekoppeln hindurchzulaufen.

Nach Überqueren einer Landstraße bei KM 5 ging es weiter Richtung Osten und vorbei an der zweiten Verpflegungsstelle, an der ich mir zum ersten Mal einen Becher Wasser mit auf den Weg nahm. Von hier an wurde die Strecke ein wenig wellig und wir passierten nochmals einige Bauernhöfe. Die leichten Hügel haben keineswegs abgebremst und ich konnte problemlos mein Tempo halten (04:10 min/km). Außerdem gab es nun vermehrt Bäume und kleine Waldabschnitte am Streckenrand, die wertvollen Schatten spendeten.

Auf langen, geraden Passagen sehe ich sogar noch meine Konkurrenten, was mich dazu motiviert, nicht langsamer zu werden. Vielleicht könnte ich mich ja noch an jemanden heranpirschen, war mein Gedanke.

Nachdem es dann bei KM 9 ein kurzes Stück über die Bundesstraße B225 ging, folgte nach zwei Rechtsabzweigungen der Rückweg zum Start-Ziel-Gelände. Auf dem Abschnitt zwischen KM 10 und 11 überraschte mich eine dermaßen schlecht asphaltierte Straße, dass ich ein wenig aus dem Rhythmus gekommen bin. Zum einen war die Straße gebogen und an keiner Stelle flach und zum anderen übersäht mit kleinen Huckel und Schlaglöchern, sodass es mühsam war, seine Ideallinie zu finden. Im Nachhinein hat mich diese Passage nicht gestört, da ja alle dieselben Bedingungen haben, aber überrascht hat sie mich trotzdem.

Bei den folgenden zwei Straßenquerungen konnten wir wieder auf die Hilfe der Polizei zählen, die den Verkehr schon an den beiden vorherigen, gefährlichen Stellen gesteuert haben. Nach 13,5 Kilometern bogen wir auf einen etwa 500 Meter langen, schmalen Weg ein, der sich passenderweise „Bauernweg“ nannte. Es ging förmlich durch ein großes, bäuerliches Anwesen hindurch. Rechts Kuhställe, links grunzten Schweine und überall roch es streng nach Mist.

Nach einer Linksabbiegung aus dem Bauernweg heraus, kamen wir auf einen Radweg, der den Real,- Parkplatz passierte, und liefen daraufhin über eine abfallende Siedlungsstraße, die direkt auf das Ziel zusteuerte. Es war weiterhin ein lockeres Gefühl in meinen Beinen und der Lauf machte mir trotz einiger langweiliger Passagen immer noch Spaß. Auf meiner ersten Runde in und um Herten-Bertlich herum konnte ich zwar keinen anderen 30-km-Läufer ein- bzw. überholen, jedoch gab es viele langsamere Marathonis, die schon vor uns gestartet sind und eine sehr ähnliche Runde dreimal zu durchlaufen hatten. Diese konnte ich in unregelmäßigen Abständen alle paar Minuten „einsammeln“.

Anstatt nach links ins Ziel zu laufen, mussten wir kurz vor KM 15 nach rechts auf unsere zweite Runde einbiegen. Beim Überqueren der Startlinie – das Banner war bereits abmontiert – zeigte meine Laufuhr eine Zeit von 01:02:30 Stunden. Wenn das nun so locker weitergeht, werde ich deutlich unter meiner anvisierten Zielzeit von 02:10 Std. bleiben können. Optimismus machte sich breit. Weiter so!

Da sich die Strecke auf der zweiten Runde nicht änderte und auch das Wetter mit seinen idealen Temperaturen von unter 20°C und Windstille gleich blieb, gab es auch in meiner Wahrnehmung der Strecke keine Änderungen. Nachdem ich die Eisenbahnschienen ein zweites Mal unterquerte, durch das große Feld lief und die Schienen abermals überquerte, freute ich mich wieder auf die kurze Zusatzstrecke durch die Bauernhofsiedlung.

Auf den folgenden vier bis fünf Kilometern merkte ich dann zum ersten Mal einen leichten Temporückgang. Immerhin erreichte ich nun Sphären, in denen ich in dieser hohen Geschwindigkeit noch nicht gelaufen bin. Fast 25 Kilometer hatte ich bereits absolviert und es machte mich jetzt schon ein bisschen stolz.

Als wir auch auf der zweiten Runde den nordöstlichen Wendepunkt über die Bundesstraße hinter uns gelassen haben, bemerkte ich einen Läufer vor mir, der nur minimal langsamer war als ich und den ich folglich zu den 30-km-Läufern zählte. Er musste scheinbar seinem zu schnellen Anfangstempo Tribut zollen und fiel nun zurück. Kurz vor der 1 km langen Huckelpiste zwischen KM 25 und KM 26 konnte ich meinen langsamer werdenden Konkurrenten dann überholen und hinter mir lassen. Nun an Position 5 liegend, hatte ich nur noch knapp 4 km bis ins Ziel. Dass ich etwas müder geworden bin, war nun spürbar, da sich meine Kilometerzeiten zwischen 04:15 – 04:20 min/km einpendelten.

Eine Endzeit von über 02:10 Std. war aber durchgehend ausgeschlossen. Dafür war mein Puffer schon zu groß. So genoss ich nochmals den schönen Bauernweg, den Radweg am Real,- und am Ende die lange Bergab-Passage Richtung Ziel. Ich fühlte mich zwar etwas müde, aber kurz vor Beenden des Laufes dann doch irgendwie wieder fit. Beim Abbiegen auf die Aschebahn des Stadions wurde ich nochmals flott. Warum, weiß ich nicht genau, aber es hat Spaß gemacht, das Tempo auf den letzten 300 Metern nochmal anzuziehen. Auf der allerletzten Geraden musste man sich dann in seinen persönlichen Zielkorridor einordnen, von denen es zwei oder drei verschiedene für die insgesamt acht Distanzen gab. Über meiner Ziellinie zeigte die große Digitaluhr 02:06:38 Std. an … nur noch wenige Schritte … 02:06:39 … nur noch ein einziger Schritt … 02:06:40 Stunden! Im Ziel! Stolz wie Bolle! Ganze 30 km!

Nachher

Im Ziel war ich erst mal platt. Erschlagen durch das Laufen zum Einen und die Emotionen zum Anderen. Ein ganz „normaler“ Lauf war das nicht und nur wenige Sekunden nachdem ich mich erholt habe, war ich mir sicher, dass ich hier nochmal starten werde.

Nach ein paar Plaudereien mit anderen Läufern und anschließend einer ausgedehnten Dusche ging ich in die Pausenhalle, wo die Siegerehrungen stattfinden sollten. Anstatt 15.30 Uhr erfolgt die Ehrung des 30-km-Laufes leider erst 16.20 Uhr und so musste ich mich mit Herumlaufen, Kuchenessen und Ausschreibungen-Lesen gedulden. Erst kurz vor der Ehrung wurden dann endlich die Ergebnislisten ausgehängt und so sah ich, dass ich in meiner Altersklasse gewonnen habe. Wow! Der ersehnte Läuferpokal gehört also von nun an auch mir.

Mit Pokal und Urkunde versorgt ging ich um 16.30 Uhr zurück zum Auto und fuhr nach Nettetal zurück. Von dort rief ich nochmal meine Family an, um ihr mitzuteilen, dass es mir gut geht.

Aber jetzt heißt es erst mal “Beine hoch, Glotze an, Bierchen auf, Leben genießen!“

 

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

30 km

 

02:06:40 Std.

 

02:06:40 Std.

 

Männl. Junioren (88-90)

 

1. von 1 (100 %)

 

5. von 60 (8,3 %)

 

5. von 83 (6,0 %)