27. Univé Drenthe Halbmarathon Klazienaveen

29.05.2010

Vorher

Mein 44. Wettkampf sollte gleichzeitig mein Erster im Ausland werden - genauer: bei unseren Nachbarn in den Niederlanden. Anfang Mai haben meine Eltern vorgeschlagen, mal wieder ein gemeinsames Wochenende mit dem Wohnwagen zu verbringen und dies eventuell mit einem etwas größeren Laufevent zu verbinden. Zur Auswahl standen an diesem Wochenende der Porta Marathon in Minden und der Univé Drenthe Marathon in der Nähe von Emmen (NL). Die Wahl fiel - aus welchen Gründen auch immer - auf Holland und ich kann schonmal soviel vorwegnehmen, dass dies eine sehr gute Entscheidung war. Am letztmöglichen Anmeldetag, habe ich mich für den Halbmarathon angemeldet, um dadurch 5 € Nachmeldegebühr zu sparen.

Am Freitag, den 28.05.2010, fuhren wir dann mit Wohnwagen und Fahrrädern auf dem Autodach Richtung Emmen. Zuvor habe ich 6 verschiedene kleine Campingplätze herausgesucht, die wir nacheinander abklappern wollten. Der erste war - völlig geschockt und unerwartet - ein Nudistencampingplatz. Dementsprechend haben wir uns direkt auf die Socken gemacht und sind zum zweiten gefahren. Dieser wäre eine kleine, überschaubare Wiese gewesen, jedoch war sie leer und keiner war da, den wir hätten fragen können. Weiter ging's zum dritten Campingplatz. Dort stellte sich schnell heraus, dass es diesen seit über 2 Jahren nicht mehr gab. Somit hatten wir 3 von 6 Möglichkeiten abgehakt und die Luft wurde dünner. Bei dem vierten handelte es sich endlich um einen privaten Campingplatz, der Strom und Wasser und zudem einen nervigen Wecker in Form eines häufig krähenden Hahnes zu bieten hatte.

Der Halbmarathon-Start am Samstag sollte erst um 14.15 Uhr erfolgen und da wir leider schon sehr früh geweckt wurden, entschieden wir uns noch für einen kurzen Spazierganz durch Nieuw Dordrecht (das kleine Dörfchen zwischen Emmen und Klazienaveen). Nach Kaffe & Kuchen ging es um 12.45 Uhr mit Fahrrad auf den Weg ins 3 km entfernte Klazienaveen. Um 13.00 Uhr holte ich meine Startunterlagen ab und bezahlte 15 € dafür. Dann fuhren wir weiter in die Innenstadt, wo der Start und das Ziel lagen und wo wir noch eine gute Stunde bis zum Startschuss hatten. Meine Mama und meine Schwester habe es sich nicht nehmen lassen, noch in der kurzen Einkaufsstraße shoppen zu gehen, während mein Papa ein wenig herumspazierte und ich mich aufwärmte. Das Aufwärmen durfte auch heute wieder etwas kürzer gehalten werden, da es zunehmend wärmer und sonniger wurde. Erinnerungen an Ibbenbüren 2009 kamen hoch und das ist nicht gut.

Im Start-Ziel-Bereich
Im Start-Ziel-Bereich

Nachdem ich vom einzigen Dixi-Klo auf dem gesamten Marathongelände Gebrauch gemacht habe, war ich im Prinzip bereit für den Kampf gegen das Wetter. Noch die obligatorische Banane, der eine oder andere Schluck Wasser, Verabschiedung von meinen Lieben und auf ging's in den Startblock. Dieser war in Anbetracht der vielen Läufer viel zu eng. Ich fand meinen Platz nach einigem Drängeln in der dritten oder vierten Reihe und stand damit direkt hinter meinen stärksten Konkurrenten: vier jungen Kenianern.

 

Der Lauf

Mit 5 min Verspätung fiel der Startschuss und gefühlte 30 Läufer sprinteten in einem Affenzahn an mir vorbei und bogen um die erste scharfe Rechtskurve. Zunächst mussten wir die kleine sogenannte "Extra Rondje" (1,3 km) durchlaufen, bevor es zweimal auf den großen 9,9 km langen Kurs ging.

Da diese Extrarunde noch mitten im Zentrum und Siedlungsgebiet lag, habe ich mich durch den Applaus der Zuschauer viel zu sehr pushen lassen und bin einen viel zu schnellen ersten Kilometer gelaufen. "Hoffentlich finde ich mein Tempo, wenn wir außerhalb des Zentrums sind", habe ich mir gedacht und versuchte, mich einer kleinen Läufergruppe anzuschließen.

Nach 1,3 km sah alles noch recht frisch aus
Nach 1,3 km sah alles noch recht frisch aus

Ein kleines Problem war, dass nur alle 5 km ein KM-Schild stand und ich deshalb noch keine exakte Orientierung über meine Geschwindigkeit hatte. Nach ca. 3 km liefen wir durch einen Tunnel unter der A37 hindurch und verließen die Kleinstadt Klazienaveen. Meine Mitläufer schienen schnell zu sein, aber bis zu diesem Zeitpunkt gefiel mir die kleine Gruppe und deren Tempo.

Auf dem langen geraden Feldweg, der jetzt vor uns lag, sah man schon in weiter Entfernung das große gelbe 5-km-Schild. Dort angekommen schaute ich auf meine Uhr, erschrak und bremste abrupt ab. Dass ich bei diesen heißen Wetterbedingungen eine 18:57 min bei KM 5 stehen habe, ist alles andere als lustig. Sofort verlor ich den Kontakt zu meinen bisherigen Tempomachern und war allein auf weiter Flur. Die Parallelen zu meinem ersten Halbmarathon waren erschreckend, das konnte so nicht weitergehen.

Während ich ein wenig langsamer werden musste, holten mich vereinzelte Läufer von hinten ein. Bei KM 6 bog ich links ab und befand mich auf einer über 2 km langen Hauptstraße, die nichts anderes zu bieten hatte als Gegenwind. Der Läufer vor mir hatte mittlerweile 20-30 Meter Vorsprung, sodass ich meine Hoffnung auf Windschattenlaufen begraben musste. Ein Zwischensprint war mir jetzt ein zu großes Risiko und mein eigenes Tempo wichtiger als das meiner Konkurrenz.

Nach der überaus unspektakulären Hauptstraße, an der nur wenige Zuschauer standen, bog ich in Nieuw Dordrecht wieder links ab. Von hier an stieg die Stimmung rasant an, die für Holland typischen Vorgartenpartys wurden häufiger, größer, lauter und der Wind blies endlich wieder von der Seite bzw. zum Teil von hinten. Auch die Anzahl an Erfrischungsstationen nahm auf dieser Straße zu und ich nutzte sie nicht zu knapp.

In der Nähe von Klazienaveen unterquerte ich die Autobahn ein zweites Mal und entdeckte am rechten Straßenrand das 10-km-Schild. Meine Zeit auf den vergangenen 5 km war 19:51 min, also genau das Tempo, das ich hätte von Anfang an laufen sollen. Da ich bei dieser Hitze keine Bestzeitambitionen hegte, pendelte sich meine gewünschte Zielzeit nach der ersten Streckenhälfte bei ungefähr 01:25:00 Std. ein. Bei KM 11 ging es wieder durch das Zentrum, wo ich endlich wieder meiner Family begegnete. Sie schossen schöne Fotos von mir und ich rief ihnen mit Sicherheit irgendwas zu, nur weiß ich leider nicht mehr genau, was es war.

Die zweite große Runde begann leider mit Magengrummeln, was eventuell auf die hohe Wasserzufuhr zurückzuführen ist. Ich versuchte, nur das Mindeste an Wasser zu mir zu nehmen und es schien ein bisschen besser zu werden. Nach Verlassen der Stadt, der Autobahnunterführung und dem langen Feldweg schaute ich voller Erwartung dem 15-km-Schild entgegen. Den letzten Abschnitt absolvierte ich - wie schon geahnt - über eine Minute langsamer als den Abschnitt davor (20:58 min). Das war zwar nicht geplant, aber leider nicht mehr zu vermeiden. Mein neuer Plan für den Rest des Laufes war, nicht noch langsamer zu werden.

Die Hitze, das wieder aufkommende Grummeln im Magen und die fiese Gegenwind-Gerade schienen meinen Plan schon früh zunichte zu machen. Irgendwie wollte es heute nicht so laufen, wie ich es mir bei meinem ersten Lauf im Ausland gewünscht hätte. Nichtsdestotrotz wollte ich die nun folgende Partymeile (eigentlich waren es sogar fast zwei Meilen) zwischen Nieuw Dordrecht und Klazienaveen in vollen Zügen genießen. Die holländischen Partyschlager, die vielen bunten (bzw. orangenen) Verkleidungen, der unbändige Applaus und die vielen Erfrischungsschwämmchen, die ich gerne entgegengenommen habe, werde ich so schnell nicht vergessen. Einmalig! In Deutschland habe ich solch eine Partystimmung bisher nicht kennengelernt.

Bei KM 20 wurde ich dank des dortigen KM-Schildes wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht: lediglich 21:16 min auf den letzten 5 km. Aber so wirklich gestört hat es mich nicht mehr. Ich habe mich soeben genug feiern lassen, da darf ich heute auch ein paar Sekündchen später ins Ziel kommen. Dennoch wollte ich auf den letzten 1,1 km nochmals den lauten Applaus der Zuschauer nutzen, um mein korrigiertes Ziel von 01:25:00 Std. doch noch zu erreichen. Zwar war das fast unmöglich, aber man darf ja noch träumen.

Kurz vor dem Ziel drehte ich mich schnell um, um mich zu vergewissern, dass ich meinen Zieleinlauf ohne großen Druck von hinten genießen kann. Im Zielkorridor versuchte ich dann, meine Arme auszubreiten, was alles andere als fit aussah. Zu meiner Verteidigung: Ich war echt im Eimer!

Nach späterer Foto-Analyse habe ich festgestellt, dass der grün gekleidete Läufer hinter mir (Startnr.: 429) die ersten schnellen 5 km gemeinsam mit mir gelaufen ist und im Ziel direkt hinter mir war. Auf den 16 km dazwischen habe ich nichts von ihm mitbekommen, mysteriös!

 

Nachher

Meine Nettozeit im Ziel betrug 01:25:18 Std., womit ich dann doch ganz zufrieden war. Sähe die Renntaktik anders aus, hätte es vielleicht doch in Richtung Bestzeit gehen können, aber die gute Stimmung hier in den Niederlanden hat alles wieder rausgehauen. Das Einzige, was ich jetzt wollte, waren Früchte und kalte Getränke. Und da der Veranstalter für beides gesorgt hatte, war ich überglücklich. Es gab Bananen, Orangen und sehr kalte Energy-Getränke, von denen ich gleich 4 Stück leergetrunken und noch ein paar für unterwegs mitgenommen habe.

Als Finisher-Präsent gab es weiße T-Shirts mit dem Logo des Marathons. Da Größe 'M' die kleinste Größe war, wurde mein Shirt umgehend als Pyjama deklassiert.

Nachdem ich meiner Family alles über den Lauf, die Stimmung und meine gelaufenen Kilometer erzählt habe, suchten wir was Warmes zu Essen. Leider haben uns die 4 Frikandeln und 4 Tüten Pommes nur mittelmäßig geschmeckt, aber der Zweck war erfüllt. Notfall-Fast-Food eben.

Auf dem Rückweg zum Meldebüro hofften wir, dort die versprochenen Ergebnislisten zu finden. Immerhin sollten die ersten 4 jeder Altersklasse mit Geldpreisen geehrt werden und da wäre es schon ärgerlich, wenn man als Vierter zu früh die Veranstaltung verlässt, nur weil man früher nach Hause wollte. Leider hingen diese nirgendswo und auch die Helfer, die wir dort fragten, schauten uns nur fragend an. Nunja, zuerst ging's etwas k.o. zum Duschen, die zum Glück fast leer und schön warm war. Danach überredete uns meine Mama, doch nochmal in die Innenstadt zu fahren, um dann dort jemanden von der Zeitnahme zu fragen.

In der Tat erfuhr ich dort nach hartnäckigem Nachfragen, dass ich hinter 4 starken Kenianern Fünfter in meiner Altersklasse geworden bin. Wow! Solange die Kenianer mindestens 5 min vor mir lagen, ist das gar kein Problem, dass ich den "undankbaren" 5. Platz gemacht habe. Und es waren sogar 13:22 min Vorsprung, die Julius Kiptoo Koech als Vierter vor mir hatte. Immerhin bin ich bester Deutscher, bester Europäer und bester Weißer in meiner umfangreichen Altersklasse geworden (5. von 43 Läufern). Das hat mich dann schon etwas stolz gemacht ;-)

 

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

21,0975 km

 

01:25:18 Std.

 

01:25:19 Std.

 

Männl. Senioren (bis 35)

 

5. von 43 (11,6 %)

 

14. von 252 (5,6 %)

 

15. von 335 (4,5 %)