1. Moonlight Marathon Bünde
30.06.2013
Vorher
Um einen Monat nach meinem Mexiko-Aufenthalt meine Form über eine längere Distanz zu testen, wollte ich „aus dem Training heraus“ einen Marathon laufen. Er sollte nicht zu teuer, nicht zu weit entfernt und dennoch nicht zu langweilig sein. Der Moonlight Marathon im Rahmen des ersten 24-Stunden-Benefizlaufes in Bünde kam mir da sehr gelegen: 10 € Startgebühr für Nachmelder, 80 Kilometer entfernt von Zuhause und der Startschuss für meine 19 Runden à 2,22 km sollte in der Nacht von Samstag auf Sonntag fallen … exakt um Mitternacht … stark! :-) Somit war ich knapp 10 Tag vor dem Start schon Feuer und Flamme für dieses Abenteuer.
Während meine Schwester babysitten musste, haben mich meine Eltern begleitet, um außer Konkurrenz auch ein paar Runden zu drehen. Um 22.30 Uhr in Bünde angekommen haben wir recht schnell den Parkplatz in der Nähe des Start-Ziel-Geländes gefunden und sind zu dritt losgejoggt, um die Laufrunde kennenzulernen (dazu später mehr).
Nachdem ich meine Startnummer und meinen Chip abgeholt habe und ein letztes Mal auf‘s Dixi-Klo gegangen bin, wurden nochmals die Schnürsenkel meiner Laufschuhe kontrolliert und dann war ich auch schon startklar. Die Läufergruppe war sehr überschaubar: am Start waren ca. 20 Läufer, den Lauf beendet haben allerdings nur 14. Richtig dunkel wurde es erst kurz vor dem Start und die Temperaturen lagen noch über 13°C. Wenige Minuten bevor es losging, kamen dann wieder die altbekannten Gedanken: Habe ich an alles gedacht?, Bin ich ausgeruht genug oder werde ich nach 1-2 Stunden müde?, Habe ich zu viel/zu wenig getrunken?, Bin ich fit genug für mein Ziel, unter 3 Stunden laufen zu wollen?
Bevor ich Antworten finden konnte, fiel der Startschuss in Form eines Sektkorkens, der aus einer Flasche geschossen kam. Los ging’s durch die Nacht!
Der Lauf
Die ersten 15 Meter verliefen durch die ohnehin schon schmale Verpflegungszone und der Start wirkte dadurch ein wenig nervös. Danach ging es dann aber auf dem etwas breiteren Radweg entlang dem Fluss Else auf die ersten 300 Meter. Der einzige nicht asphaltierte Abschnitt der Runde folgte schon sehr bald, nachdem ich einen kleinen grasbewachsenen Hang diagonal zum Flussufer hinablaufen musste. Um durch das kurzzeitig schnellere Tempo nicht rechts ins Wasser zu fallen, musste ich ein wenig abbremsen und sah mich dann vor einer sandigen, 100 Meter langen Passage, die geradezu übersäht von Maulwurfshügeln und anderen Unebenheiten war. Hier musste jeder Schritt konzentriert sitzen, zumal die Strecke nicht perfekt ausgeleuchtet war. Im Laufe des Rennens habe ich dann auch meine persönliche Ideallinie gefunden ;-)
Nach dieser kurzen Cross-Strecke folgten auf der linken Seite fünf Treppenstufen aufwärts auf eine schmale, gepflasterte Flusspromenade, woraufhin 50 Meter weiter nochmals fünf Stufen aufwärts bezwungen werden mussten. An diesem Punkt – nach ca. 500 m – erreichte man die erste von zwei Brücken. Übrigens taufte ich die soeben beschriebenen ca. 200 Meter auf den Namen „Heutiger Erzfeind“. Jemand anderes konnte mir heute den Gesamtsieg nicht streitig machen (so viel vorweg). Einzig und allein eine kleine Unaufmerksamkeit auf dieser Passage könnte mich heute aus der Bahn werfen.
Weiter im Programm: Nachdem sich auf der gegenüberliegenden Uferseite die ersten Unruhen ein wenig gelegt hatten und ich meinen Rhythmus gefunden habe, fing ich an, die nächtliche Ruhe zu genießen. Meine Beine waren halbwegs locker, es war nicht zu kalt und nicht zu warm und der Konkurrenzgedanke war auch nicht vorhanden. Hin und wieder musste ich aufpassen, dass ich die deutlich langsameren 24-Stunden-Läufer nicht übersehe und umrenne.
Kurz vor der zweiten Brückenüberquerung bei KM 1,5 mussten wir auf der linken Seite einen kleinen Anstieg hochlaufen, um auf eben diese zu gelangen. Die schön beleuchtete Brücke verließen wir, indem wir nach rechts abbogen und wieder dem Start-Ziel-Bereich entgegenliefen. Hier standen wieder einige „Zuschauer“ in Form von wartenden Staffelläufern, die rechts und links am Wegesrand eine Art Spalier bildeten. Im Ziel-Bereich, den ich heute mehrmals zu durchlaufen hatte, standen noch meine Eltern und versuchten, ein halbwegs schönes Foto von mir zu schießen. So schnell wie der Verpflegungsstand auf mich zukam, so schnell ließ ich ihn auch wieder hinter mir und begab mich auf meine zweite Runde.
Im Prinzip änderte sich in den folgenden 6-7 Runden nichts. Mein Lauftempo pendelte sich zwischen 03:56 und 04:04 min/km ein, der heutige „Erzfeind“ wurde nicht gnädiger, sondern musste alle 9 Minuten auf’s Neue bekämpft werden, und die nächtlichen Temperaturen waren auch noch akzeptabel. Die einzige Unterhaltung, die ich genoss, waren die lustigen Kommentare der Ultraläufer, die ich überholte. „Wow, bist du schnell.“ „Dir folge ich nicht, hau doch ab!!“ „Pfff, die Jugend!“
An dieser Stelle will ich anmerken, dass ich das Runden-Laufen auf keinen Fall langweilig, sondern äußerst motivierend finde. Man lernt schnell die Vor- und Nachteile der Strecke kennen und kann sich darauf einstellen, dass z.B. in wenigen Metern ein Bordstein kommt. Außerdem freute ich mich jedes Mal auf die leicht abfallenden Passagen und auf die Durchquerung des Start-Ziel-Bereiches, wo zumindest eine gute Handvoll Zuschauer stand.
Kurz vor der Halbmarathon-Marke griff ich zum ersten Mal nach einem Becher Wasser und nahm ein paar Schlucke während ich weiterlief. Die Beine wurden zwar nicht lockerer, aber ich fühlte mich immer noch ganz gut und war optimistisch, dass mich heute der Mann mit dem Hammer nicht allzu sehr abbremst. Zudem fieberte ich dem Beenden meiner 10. Runde entgegen, weil es mich ungemein motiviert, wenn ich mehr als die Hälfte hinter mir habe und es „bergab“ geht. Die erste Hälfte der Strecke habe ich mit einem durchschnittlichen Tempo von 04:00 min/km absolviert (01:24:24 Std.), was auf eine Endzeit von ungefähr 02:49:00 Stunden und somit auf eine neue Bestzeit hindeutete. Mir war allerdings klar, dass es schwierig werden würde, die Geschwindigkeit weiter so hoch zu halten.
Nach 22,2 Kilometern (= 10 Runden) gönnte ich mir zur Belohnung ein kleines Stückchen Schoko-Reiswaffel. Sie schmeckte gut, blieb aber bis zum Ende des Laufes die einzige feste Nahrung, die ich zu mir genommen habe. Nach weiteren zwei Runden merkte ich, wie es ein wenig langsamer wurde. Tatsächlich wurde mir ab diesem Zeitpunkt trotz körperlicher Anstrengung stetig ein bisschen kühler. Meine Oberschenkel waren kalt und es fehlte ihnen an der nötigen Kraft, die Treppenstufen des Erzfeindes hochzuspringen. Auf den folgenden 10 Kilometern lief ich etwa 04:06 min/km, womit ich gut leben konnte. Eine Verbesserung meiner bisherigen Bestzeit (02:53:30 Std. = 04:07 km/min) war somit immer noch nicht gefährdet und außerdem habe ich mir auf der ersten Hälfte ein komfortables Polster erarbeitet.
Nach einem zweiten und letzten Becher Wasser kam dann der kritische Punkt KM 35. Wie wird mein Körper heute reagieren? Nunja, er reagierte wie so häufig auf dieser Distanz: Umstellung von Kohlenhydrat- auf Fettverbrennung. Viele bezeichnen dies als den ‚Mann mit dem Hammer‘ oder vergleichen es mit einer ‚Wand‘, gegen die man läuft und die einen merklich abbremst. In meinem heutigen Fall wurde ich zwar auf einen Schlag langsamer, aber ich betrachtete es als eine Art Ausklingen Lassen des Laufes. Es war nicht so schlimm wie in Berlin oder München. Mit einer immer noch akzeptablen Geschwindigkeit von 04:15 - 04:19 min/km ging es nun auf die letzten drei Runden. Von nun an waren meine Eltern, die ich unterwegs drei oder vier Mal überrundet habe, wieder im Zielbereich und warteten auf mich.
Meine Atmung wurde unruhiger, mein Laufrhythmus unrunder, Zähne zusammenbeißen, nur noch drei Begegnungen mit dem Erzfeind, los jetzt! Zum Glück ist die kurze Cross-Strecke zu Beginn einer jeden Runde, sodass ich diese immer schnell abhaken konnte. Beim vorletzten Durchlaufen des Zielbereichs habe ich meinen Eltern zugerufen, dass es nur noch 2 Runden sind. Dies bestätigte mir auch der Bildschirm, der für alle Läufer beim Überlaufen der Zeitmatten die persönliche Rundenanzahl registrierte und anzeigte. Eine praktische Angelegenheit.
Auf den letzten zwei Kilometern nicht langsamer zu werden, macht auf jeden Fall Spaß. So auch heute :-) Ich genoss die letzte Runde entlang der Else. Ich genoss sogar ein letztes Mal den heutigen Erzfeind, verabschiedete mich gedanklich von den hundert störenden Maulwurfshügeln, von den zwei kurzen Treppen, von der ersten Brücke und 500 Meter vor dem Ziel auch noch von der zweiten, schöneren Brücke. Es war schön, hier eine so interessante nächtliche Erfahrung gemacht zu haben und ich kann diese kleine Veranstaltung nur jedem Läufer empfehlen.
Auf der Zielgeraden freute ich mich schon auf einen warmen Tee und etwas zu Essen. Die Ziellinie überquerte ich nach 02:50:52 Stunden. Die zweite Hälfte war somit knapp 2 Minuten langsamer als die erste, womit ich recht zufrieden sein kann. Leider wurde ich durch den Kommentator der Veranstaltung nicht als Sieger des Moonlight Marathons angekündigt. Wie sich später herausstellte, hat dieser noch geschlafen, weil die Veranstalter mit einem anderen Läufer als Sieger gerechnet haben, den ich insgesamt zweimal überrundet und ganze 19 Minuten hinter mir gelassen habe. Den stillen Zieleinlauf habe ich aber überaus gerne verziehen.
Nachher
Direkt nach dem Zieleinlauf spürte ich schon die Auswirkungen meines schnellen Laufes, den ich übrigens in einer neuen – leider inoffiziellen – Bestzeit gefinisht habe. Da die Marathonstrecke nicht vermessen gewesen ist, werde ich mit dieser Zeit in keiner offiziellen Bestenliste zu finden sein. Aber das war ja nicht Ziel des Laufes.
Die Auswirkungen des nächtlichen Abenteuers waren nun in erster Linie Hunger, Durst und das Verlangen nach Wärme. Die anfänglichen 13°C sind auf 10°C gesunken, fühlten sich jedoch wie maximal 5°C an. Meine Oberschenkel fingen an zu zittern, mein nasses Laufshirt jagte mir eine Gänsehaut auf den Rücken und der heiße Tee vom Verpflegungsstand war bereits lauwarm. Zum Glück gab es nach wenigen Minuten frisch gebrauten Tee und eine heiße, salzige Brühe. Dazu Cola und ein Salami-Käse-Brot. Mmhhh, war das lecker! :-)
Meine Mutter gab mir zusätzlich eine Decke zum Warmhalten und bot mir ihren Stuhl zum Sitzen an. Auf diese Weise ruhte ich mich 10 min aus und verschwand dann unter die heiße Dusche.
Gegen 04.00 Uhr nachts setzten wir Drei uns ins Auto und machten es uns noch ein wenig warm, bevor um 04.30 Uhr – diesmal mit Kommentator – die Siegerehrung stattfand. Schön war’s, muss ich gestehen, denn am Horizont wurde es zu diesem Zeitpunkt langsam hell. Ich nahm meinen schönen Pokal in Empfang, wechselte noch ein paar Worte mit dem Drittplatzierten, der mir eine 02:48er-Zeit prognostizierte, und ging dann mit meinen Eltern zurück zum Auto.
Auf dem Nachhauseweg machten wir um kurz vor 5 noch einen Abstecher zum McDonald’s und kamen dann kurz vor 6 zu Hause an. Dann hieß es nur noch: Ab ins Bett!
Zahlen und Fakten
Distanz
Gelaufene Zeit (Netto)
Gelaufene Zeit (Brutto)
Altersklasse
AK-Platzierung
Platzierung (Männer)
Gesamtplatzierung
42,195 km
02:50:52 Std.
02:50:52 Std.
Männl. Hauptklasse (84-93)
1. von 2 (50,0 %)
1. von 12 (8,3 %)
1. von 14 (7,1 %)