10. METRO GROUP Marathon Düsseldorf

29.04.2012

Vorgeschichte

Der Grund, warum ich mich in diesem Zeitraum für den Düsseldorf Marathon entschieden habe, liegt ganz einfach darin, dass Düsseldorf nicht weit von meinem Studienort Venlo entfernt ist und ich direkt im Anschluss eine Woche Ferien hatte und zu Hause entspannen konnte.

Am Donnerstagabend vor dem Rennwochenende ist mein Vater mit dem Auto zu mir nach Kaldenkirchen gekommen, um mich am nächsten Tag auf meinem Weg nach München zu begleiten. Am Freitag fuhren wir sehr früh morgens los, um nicht zu spät zu meinem Bewerbungsgespräch um ein Praktikum bei Bosch Sicherheitssysteme zu kommen. Der Weg nach München war überwiegend frei, sodass wir mit einem Puffer von etwa drei Stunden dort angekommen sind. Nach einem kurzen Spaziergang über den Marienplatz bei Sonne und Temperaturen von 30°C fuhren sind wir kurz vor 15.00 Uhr nach Vaterstetten gefahren, wo das Unternehmen seinen Sitz hat. Dort merkte ich erschreckenderweise, dass ich mir in den unbequemen Lackschuhen an jeder Ferse jeweils eine Blase gelaufen habe. Mist, und das nur 2 Tage vor dem Tag X.

Nach einem erfolgsversprechenden Bewerbungsgespräch ging es auf die etwa sechsstündige Heimfahrt zurück zu meiner WG Richtung niederländische Grenze. Dort angekommen, sind wir todmüde in unsere Betten gefallen und haben am nächsten Tag ordentlich ausgeschlafen.

Um uns am Morgen vor dem Rennen den Stress mit der Abholung der Startnummer zu ersparen, haben wir uns so organisiert, dass meine Mutter und meine Schwester Samstagmorgen auf ihrem Weg von der Heimat nach Kaldenkirchen über Düsseldorf fahren. Der Umweg war für sie nicht allzu groß und nach einigem Suchen haben sie das Marathonbüro gefunden und meine Startunterlagen abgeholt. Ich konnte währenddessen meine Beine hochlegen und dafür sorgen, dass meine Blasen nicht größer werden. Dafür, dass die Wochenendorganisation bisher so super geklappt hat, bin ich meiner Family echt dankbar!

Nachdem wir den Nachmittag gemeinsam in Kaldenkirchen und Venlo verbracht haben, ging es Samstagabend nach der Pasta Party gewohnt früh ins Bett. Nach einem stressigen Freitag in München und einem entspannten Samstag in meiner WG ist die Vorfreude auf Sonntag spürbar gewachsen. Ich wusste, dass in Düsseldorf etwas Großes möglich ist.

 

Vorher

Um kurz vor 06.00 Uhr klingelte der Wecker, wir frühstückten großzügig, setzten uns dann um 07.00 Uhr ins Auto und fuhren nach Düsseldorf. Nach einer guten halben Stunde erreichten wir im Westen der Stadt einen großen Park-and-Ride-Parkplatz und nahmen von dort die Straßenbahn Richtung Innenstadt. Bereits um kurz nach 07.30 Uhr waren wir als eine der ersten im Startbereich rechts vom Rhein angekommen. Noch hatten wir knapp anderthalb Stunden bis zum Start, sodass wir ein wenig an der Rheinpromenade auf und ab spazierten und die kühle Morgenluft genossen. 

Etwa 45 min vor dem Start fand die Ruhe vor dem Sturm langsam ihr Ende. Die Läufer wurden eingestimmt, die deutschen Topathleten (v.a. Jan Fitschen und Anna Hahner) angekündigt und die Handbiker und Einradfahrer bereits auf die Strecke gelassen. Der Moderator am Mikrofon hat es sich nicht nehmen lassen, mich in der Nähe des Startbogens am Streckenrand zu interviewen. Auf seine Frage, was ich denn so für Distanzen laufe, antwortete ich, dass ich von 5 bis 42,2 km die ganze Palette bediene. Darüber hinaus sprach er mit anderen Teilnehmern und Zuschauern, was durchweg positiv aufgenommen wurde. Bei einem riesengroßen Marathon wie in Berlin wäre es nie möglich, eine so persönliche Atmosphäre zu erzeugen.

10 Minuten vor dem Start zog ich meine Jacke und die lange Hose aus, dehnte mich noch ein wenig, verabschiedete mich von meiner Family und begab mich in den ersten Startblock direkt hinter die Topläufer. Dort kontrollierte ich nochmal meine Schnürsenkel und versuchte, das komische Gefühl der beiden Blasenpflaster an meinen Fersen auszublenden. Es war das erste Mal, dass ich auf solche Pflaster zugreifen musste, aber besser so, als drei Stunden lang Schmerzen.

Nachdem nochmals die Topathleten vorgestellt wurden, fiel pünktlich um 09.00 Uhr der Startschuss und nur 7 Sekunden später überquerte ich die Startlinie. Auf geht’s durch das (hoffentlich) schnelle Düsseldorf!

Der Lauf

Heute habe ich mir ganz besonders vorgenommen, nicht zu schnell anzugehen. Der Enschede Marathon hat mir gezeigt, wie geil das Gefühl ist, wenn man die zweite Hälfte schneller laufen kann als die erste. Das strebe ich zwar jedes Mal an, aber heute soll’s mal endlich wieder klappen. Der erste Kilometer war aufgrund des Starts etwas zu flott (04:02 min), aber ich konnte mich auf den folgenden KM-Abschnitten zum Glück bei meinen anvisierten 04:08 min/km einpendeln.

Bis KM 3 verlief die Strecke auf der rechten Seite des Rheins, bog danach rechts ab und wechselte dann auf einer Distanz von etwa 500 Metern von Asphalt auf Kopfsteinpflaster. Nach einer kurzen Schleife im nördlichsten Teil des Marathon-Kurses befanden wir uns zwischen KM 5,5 und KM 7 wieder auf der Straße am Rhein und liefen diese in entgegengesetzter Richtung von Nord nach Süd. Mein Tempo schwankte ein bisschen (KM 5 in 04:11 min, KM 8 in 04:13 min), hielt sich aber im Großen und Ganzen im geplanten Bereich auf. ‚Persönliches Wohlfühltempo‘ nennt man das wohl. Mir machte das bisher gleichmäßige Rennen echt Spaß, denn auch die 6-8 Läufer um mich herum schienen in meinem Leistungsbereich zu laufen. Somit wechselten wir uns häufig mit der Führungsarbeit ab und keiner verspürte einen zu frühen Einbruch.

Bei KM 9 erwartete ich zum ersten Mal meine Family am Streckenrand. An diesem Punkt - nur 100 Meter vom Start entfernt - überquerten wir erstmalig den Rhein über die Oberkasseler Brücke.

Als es von der langen, breiten Brücke wieder leicht abwärts ging, erhöhte ich meine Geschwindigkeit ein wenig. Das führte dazu, dass ich auch die folgenden Streckenabschnitte in diesem Rhythmus absolviert habe (KM 11 in 04:05 min, KM 13 in 04:06 min). Außerdem wurde nun die Stimmung am Streckenrand immer besser. Nach der ersten Samba-Band mitten auf der Brücke, folgten auf der linken Seite des Rheins gleich drei weitere. Zudem verspürte ich zwischen KM 14 und KM 17 auf dem Kaiser-Friedrich-Ring direkt in Rheinufernähe einen weiteren Adrenalinschub. Hier standen am Straßenrand Luxuskarossen, wie ich sie bisher nur im ganz vereinzelt gesehen habe. Hintereinander aufgereiht standen teure, frisch polierte Edelschlitten von Autoherstellern, die selbst ich nicht kannte. Alle 10 Meter ein erneutes „Wow!“ in meinem Kopf!

Kurz hinter KM 19 (04:03 min) liefen wir zur Rheinüberquerung wieder den langen Brückenanstieg hinauf, was zu einem vorerst letzten Kilometer über der 04:10-min-Marke führte. Da ich bis hierhin keinerlei Probleme mit den Beinen hatte, das Wetter läuferfreundlicher denn ja war (bedeckt, windstill, 15°C) und die Laufgruppe um mich herum ebenfalls frisch aussah, wollte ich mir nun langsam aber sicher ein paar schnellere Kilometer zutrauen. Zwischen KM 20 und der Halbmarathonmarke traf ich zum zweiten und vorletzten Mal meine Family, die mich ordentlich angefeuert hat und mir dann zurief, dass ich noch überaus fit aussehe. Danke!

Die Halbmarathon-Marke erreichte ich nach 01:27:02 Stunden, was auf eine Endzeit von 02:54:00 Std., und somit eine Minute schneller als geplant, hindeutete. Ich war noch optimistisch, dass ich heute meine Bestzeit (02:56:41) knacken werde.

Auf den folgenden elf Kilometern bis KM-Punkt 32 verlief die Strecke in einer großen Schleife und mit diversen Rechts-/Links-Abbiegungen durch den westlichen Teil der Stadt. Wir überquerten zweimal Eisenbahnschienen und passierten insgesamt vier Samba-Bands, die uns am Streckenrand rhythmisch begleiteten. Mein Tempo war auf diesem Abschnitt nie langsamer als 04:07 min/km und nie schneller als 04:00 min/km. Ein so gleichmäßiges Marathonrennen hatte ich bisher zugegebenermaßen noch nicht. Auch auf anderen Distanzen kommt es bei mir selten vor, dass ich so ruhig – und trotzdem schnell – meine Kilometer abspulen kann.

Knapp zehn Kilometer vor dem Ziel verspürte ich immer noch keine Anzeichen von Müdigkeit in den Beinen. Ob der Mann mit dem Hammer heute verpennt hat? Von KM 32 bis KM 37 ging es – mal links, mal rechts – Richtung Düsseldorfer Medienhafen im Süden der Stadt. Nach der dortigen Kehrtwende merkte ich dann schließlich, dass ich doch schon ordentlich was geleistet habe, denn KM 38 wurde wieder minimal langsamer (04:12 min). Da ich meine Family bei KM 39 zum letzten Mal sehen sollte, bevor es auf die allerletzten Meter geht, habe ich aber nochmal aufdrehen wollen (KM 39 in 04:05 min).

Aber dennoch wurde mein 40. Kilometer wieder etwas langsamer (04:14 min) und ich befürchtete, dass mein angestrebter negativer Split in Gefahr geraten könnte. Mein Ziel war es ja, die zweite Hälfte schneller zu laufen, als die erste. Noch war dieses Kunststück möglich und so motivierte ich mich am Ende des kurzen Wendepunktstücks in der Königsallee zu zwei schnelleren letzten Kilometern (04:09 min, 04:02 min). Meine unmittelbare Konkurrenz hat sich zuvor bereits auf 1-2 Läufer reduziert und ließ mich nach meinem Schlussantritt dann endgültig allein davonziehen.

Meine nun prognostizierte Zielzeit konnte ich mir bei bestem Willen nicht ausrechnen. Dafür fehlte mir die nötige Konzentration. Ich versuchte einzig und allein, die letzten paar hundert Meter zu ballern und nicht nachzudenken. Bevor KM-Punkt 42 erreicht war, ging es leicht abschüssig Richtung Rheinpromenade und nach einer kleinen Rechtskurve auf die allerletzte Gerade. 300 Meter vor mir sah ich das Zielbanner und freute mich innerlich über die sichere neue Bestzeit. Während links direkt das Ufer war, waren rechts der Zielgeraden viele Zuschauer versammelt, die mit zunehmender Nähe zum Ziel immer mehr wurden. Ich entdeckte etwa 50 Meter vor mir die kleine polnische Flagge, die meine Family immer bei sich hat, damit ich sie am Streckenrand leichter finden kann. Ich sortierte mich dementsprechende weiter rechts ein, lief nah an den laut anfeuernden Zuschauern vorbei, griff nach der Flagge und sprintete mit dieser Richtung Ziel. Es war ein geiles Gefühl! Wie der Gesamtsieg bei einem Marathon. Wie ein Weltrekord-Lauf. Wie etwas Unbeschreibliches!

Die letzten Meter vor dem Ziel genoss ich in vollen Zügen, Augen zu, einmal tief durchgeatmet, das Piepen der Zeitmessmatten, die Laufuhr gestoppt, Blick auf die Uhr, 02:53:30 Stunden!! Geile Zeit!! Erleichterung und beispiellose Glücksgefühle!

Nachher

Schnell realisierte ich, dass dieser Lauf etwas ganz Besonderes war. Erste Hälfte in 01:27:02 Stunden, zweite Hälfte in 01:26:28 Stunden und somit 34 Sekunden schneller! Das klingt zwar wenig, war unterwegs aber spürbar.

Hinter der Ziellinie bekam ich zunächst die schöne Finisher-Medaille überreicht. Danach steckte ich die Flagge in meinen rechten Kompressionsstrumpf, ging zu den Getränketischen auf der linken Seite und gönnte mir mehrere Becher Wasser und Isogetränk. Nachdem die Läufer dann wärmende Foliendecken zum Umhängen bekommen haben, hörte ich einige Meter über mir meinen Namen rufen. Meine Family hat sich den Weg durch die Zuschauermenge gebahnt und beglückwünschte mich schon mal auf Distanz.

Danach ging es mit schweren Beinen über eine asphaltierte Rampe hinauf zum Nachzielbereich, wo uns ein überaus großzügiges Läuferbuffet erwartete. Zuvor stoppte ich noch kurz an dem Gitterzaun, der die Läufer noch von ihren Angehörigen trennte. Meine Family war dort natürlich auch schon angekommen und gratulierte mir nochmal – diesmal etwas persönlicher. Ich erzählte ihnen kurz, wie es mir unterwegs ergangen ist und machte mich dann auf zum Essen.

Nachdem ich mir meinen Magen im Versorgungszelt mit Erdinger alkoholfrei, Keksen, Berlinern, Schokolade, Energieriegel und einer Banane gefüllt habe, bin ich langsam Richtung Ausgang gegangen. Seit dem Zieldurchlauf wurde mir mit jeder Minute kälter, denn die läuferfreundlichen Temperaturen sind nicht mehr angestiegen. So freute ich mich knapp 40 Minuten nach meinem Zieleinlauf auf meine wärmende Jacke und eine lange Hose.

Bevor wir uns auf den Weg nach Hause machten, chillten wir noch etwas auf der Rheinpromenade und genossen die Ruhe. Zwischenzeitlich habe ich erfahren, dass der deutsche Topläufer Jan Fitschen leider nach etwa 24 km mit Schmerzen aussteigen musste und dass die erst 22-jährige Anna Hahner die anvisierte Qualifikationsnorm für die Olympischen Spiele von London (02:30:00 Std.) um gerade mal 14 Sekunden verpasst hat. Trotzdem hat sie für dieses Debüt (!) meinen Respekt verdient!

So sehr die Profis heute von Pech verfolgt waren, so sehr habe ich Glück gehabt. Insgesamt kann ich kein negatives Wort über den Düsseldorf Marathon verlieren und um eine neue Bestzeit zu laufen, könnte ich mir vorstellen, hier in Zukunft nochmal an den Start zu gehen.

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

42,195 km

 

02:53:30 Std.

 

02:53:37 Std.

 

Männl. Hauptklasse (83-92)

 

21. von 216 (9,7 %)

 

73. von 2513 (2,7 %)

 

83. von 3028 (2,9 %)