43. ING Enschede Marathon

17.04.2011

Vorher

Die Wahl meines zweiten Marathons fiel auf die Grenzstadt Enschede (NL), da es in erster Linie eine schöne Stadt mit einem traditionsreichen Marathon ist und sie zudem nur 60 km von unserem Heimatdorf entfernt liegt. Außerdem fanden meine letzten drei Wettkämpfe allesamt in den Niederlanden statt, was mir durchaus Motivation mit auf dem Weg geben könnte. Ich wusste mittlerweile, wie genial die Stimmung bei unseren Nachbarn sein kann und das nahm mir fast jegliche Nervosität vor diesem Tag. Die Zuschauer pushen jeden Läufer so lauthals über die Strecke, dass man zuvor nicht zwingend trainiert haben muss, um eine gute Zeit zu erreichen. Stimmung auf jedem Meter der Strecke, davon durfte ich schon im Vorfeld ausgehen. Es ist empfehlenswert, im Land des Käses mal einen Lauf unter die Füße zu nehmen!

Das Wochenende verbrachten meine Family und ich im Wohnwagen auf einem kleinen, privaten Campingplatz – wie sollte es anders sein? Den 6 km langen Weg in die Stadt bewältigten wir mit Fahrrädern und holten schon am Vortag unsere Startnummern ab. Meine Mutter und meine Schwester wollten am Sonntag den 4,8 km langen FIT-Run laufen, ich natürlich die Königsdistanz. Schon im Vorfeld war spürbar, dass der Wettkampftag gut organisiert und stimmungsvoll sein wird. Ich freute mich zunehmend mehr auf die Qualen.

Sonntagmorgen war es dann soweit. Da die 4,8- und 8-km-Läufer erst nach mir starteten, blieb mir nicht viel Zeit zum Entspannen, aber das war auch nicht nötig. Vorfreude und Ungeduld stiegen. Meine Zielzeit war auf jeden Fall eine Verbesserung meiner ersten Marathonzeit (03:18:55 Std.). Am liebsten wollte ich an diesem Tag bereits unter 03:10:00 Stunden laufen. Dennoch sagte mir mein Verstand, den Service der 03:15-Zugläufer und deren Ballons in Anspruch zu nehmen, d.h. von Anfang an auf die Bremse zu treten. Somit gesellte ich mich im Startblock zu den roten Ballons, schmierte mir die Beine noch mit einer Sportcreme ein, trank noch einen Schluck Wasser und war dann bereit für den Start, der um 9.30 Uhr erfolgen sollte.

Der Lauf

Aufgrund der etwa 500 Läufer dauerte es diesmal nur wenige Sekunden bis ich nach dem Startschuss die Startlinie überquert habe. Und los ging die Reise auf den zweimal zu durchlaufenden Rundkurs in und um Enschede. Anfangs liefen wir rechts auf eine breite Straße, die es uns ermöglichte, einen guten Rhythmus zu finden. Jedoch merkte ich schon beim zweiten Kilometer, dass ich heute nicht allzu lange in der Laufgruppe mit der Zielzeit von 03:15 Std. verbleiben würde. Mein Tempo pendelte sich bei ca. 04:30 - 04:40 min/km ein. Während die Gruppe gleichmäßig 04:37 min/km gelaufen ist, konnte ich mit jedem Kilometer mehr immer ein paar Sekunden und Meter gutmachen.

Der erste Teil des Rennens verlief durch die stimmungsvolle Altstadt, wo uns viele Zuschauer zujubelten. Auf den ersten 10 Kilometern konnte ich bereits die ersten anfänglichen Ausreißer einsammeln und hier und da fand sich ein Läufer, der mich zwei-drei Kilometer begleitete. Nach der ersten langen Geraden auf einem schattigen Radweg Richtung Norden, wurde es leicht hügelig, was mein Tempo zu dem Zeitpunkt noch nicht so sehr beeinträchtigte. Wieder Richtung Süden und leicht bergab laufend passierten wir einige schöne Villen. Hier begann eine Phase (KM 13 - KM 18), in der ich kontinuierlich jeden Kilometer unter 04:30 min gelaufen bin. Auch als es auf der langen Wendepunktgeraden Richtung Deutschland ging, wurde ich noch nicht müde. Auffallend war, dass die meisten Zuschauer motivierter waren, als viele Läufer. Die Stimmung war soweit prächtig.

Unterdessen dachte ich über den 4,8 km FIT-Run nach, den meine Mutter und meine Schwester mittlerweile beendet haben müssten. Ich hoffte sehr, dass sie diesen genossen und mit einer guten Leistung gefinisht haben. Wie ich nach meinem Lauf erfuhr, war dies durchaus der Fall.

Auf den drei Kilometern vor der Halbmarathonmarke verspürte ich erstmals einen kurzen Hänger. Hier lief ich wieder über dem 04:30-min-Schnitt. Als die erste Hälfte dann in der Nähe des Start-Ziel-Geländes erreicht war, zeigte meine Laufuhr 01:34:28 Stunden, was auf eine Endzeit von 03:09:00 Stunden hinwies. Ujujujuj, ist heute tatsächlich Großes möglich?

Da meine Mutter und meine Schwester ihren Lauf bereits beendet hatten, konnten sie mir vom Streckenrand zujubeln. Bei KM 21 lief meine Mutter einige Meter neben mir her und hat sich nach meinem Zustand erkundigt. Soweit lief alles perfekt, vielleicht zu perfekt?! Jedenfalls freute ich mich schon auf ein Wiedersehen mit meiner Family im weiteren Verlauf des Rennens. Wir hatten uns nämlich so organisiert, dass ich von ihnen ab KM 34 auf dem Fahrrad begleitet werde. Ob das alles so klappen würde, wie wir uns das zuvor ausgerechnet und geplant haben, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich war gespannt.

Was mich im weiteren Verlauf etwas wunderte, waren meine sprunghaften Kilometerzeiten auf den folgenden vier Kilometern. Wieder in der Innenstadt von Enschede lief ich KM 22 in 04:18 min, KM 23 in 04:37 min, KM 24 in 04:05 min und KM 25 in 04:31 min. „Bloß nicht irritieren lassen“, habe ich mir einreden wollen. Einfach weiter dem bisher guten Rhythmus folgen.

Als es wieder auf dem Radweg gen Norden ging, kehrten auch wieder regelmäßigere Kilometerzeiten zurück. Bis KM 32 war abermals kaum ein Kilometer langsamer als 04:30 min und das obwohl es wieder über die leicht ansteigende Passage hinauf zu den schönen Villen ging. Ich genoss die Ruhe im Norden der Stadt, das schöne Wetter, die Windstille und meinen gleichmäßigen Lauftakt. Ab KM 32 liefen wir dann wieder den leichten Hügel hinab in Richtung Süden. Den Schatten durch die vielen Bäume am Streckenrand lernte ich zu diesem Zeitpunkt immer mehr zu schätzen, denn mittlerweile war es 12.30 Uhr und ganz schön warm.

Plötzlich kam mir bei KM 33 mein Vater auf dem Fahrrad entgegen. Super! Das hieß für mich, die letzten knapp 10 km mit meiner Family gemeinsam durchstehen zu dürfen. Meine Motivation stieg rasant, meine Geschwindigkeit dementsprechend auch. Ich beschleunigte auf den folgenden vier Kilometern auf ein Tempo von 04:06 - 04:09 min/km. Während mir meine Wasserflasche gereicht wurde, wann ich es wollte und ich ganz fokussiert nach vorne und in Richtung Ziel schaute, fuhren mein Vater, meine Mutter und meine Schwester neben und hinter mir her. Es fühlte sich gigantisch an! Ähnlich wie wenn ich der Führende des gesamten Marathons wäre, einfach spitze!

Am östlichsten Punkt der Strecke in der Nähe der deutsch-niederländischen Grenze, musste ich - wie schon auf der ersten Runde - eine kleine Schlaufe laufen, bevor es wieder zurück in Innenstadt Enschedes ging. Dort liefen wir unter anderem über eine kurze, perfekt gepflasterte Einkaufsstraße, in der ein Kran mit einer hängenden Gondel stand. In dieser befand sich ein Kommentator, der die Namen der unter ihm laufenden Sportler vorlas und die Zuschauer zu Anfeuerungsrufen motivierte. Mich erinnerte diese geniale Idee an meinen letzten Wettkampf, den ING Venloop Halbmarathon in meiner niederländischen Studienstadt Venlo, wo die Atmosphäre ebenfalls in einer solchen Straße mit ebenfalls einer solchen Gondel als Stimmungsmacher am allerbesten war.

Mein Tempo wurde auf den folgenden drei Kilometern nur unweigerlich langsamer. Als es jedoch nach der Wendeschlaufe wieder zurück Richtung Innenstadt ging und ich mich nun endlich auf der letzten, sehr langen Zielgeraden befand, musste ich anfangen zu kämpfen.

KM 39 bis 42 spulte ich noch in 04:30 min ab, aber danach war ich tatsächlich komplett leer. Perfektes Timing würde ich sagen! Meine Family ist bei KM 40,5 davongefahren, um mich im Zielbereich zu empfangen und eventuell ein paar Fotos von mir zu schießen. An der letzten Wasserstation ca. 2 km vor dem Ziel griff ich ein letztes Mal zu einem Becher Wasser, leerte diesen schnell und dachte von da an nicht mehr nach. Nur noch ins Ziel rennen! Mein einziger Gedanke.

Dass ich hier eine Bestzeit aufstellen würde, war mir schon früh klar. Dass ich deutlich unter der anfangs anvisierten 03:15er-Marke bleiben würde, war auch sehr früh sichtbar. Aber dass ich nach einer deutlich schnelleren zweiten Hälfte (01:31:43 Stunden) meine vorherige Bestzeit um 12:44 Minuten pulverisieren würde, hätte ich mir nie zuvor erträumt. Dementsprechend war mein Zieleinlauf: während am linken Straßenrand hunderte Halbmarathonis startbereit standen, lief ich über die menschenleere Zielgerade, breitete meine Arme aus, lief Kurven nach links und nach rechts und genoss einfach den Moment. Mir tat nichts weh, weder während des Rennens, noch jetzt zum Schluss. Genuss pur!! Und ein wenig Stolz! Als die Zeitmessmatten piepten, war ich sicherlich für einen kurzen Moment der glücklichste Mensch auf der Welt! 03:06:11 Stunden. Eine wunderschöne Zeit wie ich finde, YES!

 

Nachher

Sonnenschein pur, Glücksgefühle, schwarz vor Augen, Beine aus Beton. Alles so, wie es nach einem genialen Marathon sein sollte. Leider habe ich nirgendwo meine Family gesehen. Nachdem mir die Finisher-Medaille um den Hals gehängt wurde, verließ ich den abgesperrten Bereich für die Läufer und ging erst mal auf den Schatten unter den Bäumen zu. In diesem Moment rief mir mein Vater von weitem zu und der Rest der Family folgte ihm. Nach den ersten Glückwünschen wollte ich haargenau all das erzählen, was ich unterwegs gefühlt und gedacht habe. Es muss schon einige Zeit gedauert haben, bis wir uns gegenseitig über unsere Läufe ausgetauscht haben.

Danach gönnten wir uns Pommes und Burger im Burger King und genossen die Ruhe nach dem Sturm. Ohne Hektik fuhren wir dann mit den Fahrrädern zurück zum Campingplatz und entspannten den Rest des Tages, bevor ich mich abends wieder auf den Weg zurück nach Venlo zum Studieren machte.

 

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

42,195 km

 

03:06:11 Std.

 

03:06:17 Std.

 

Männl. Senioren (18-34)

 

24. von 48 (50,0 %)

 

50. von 441 (11,3 %)

 

55. von 507 (10,8 %)