8. Allermöher Triple-Marathon Hamburg

17.06.2017

Vorher

Nachdem ich schon im Jahr 2015 mühsam um 02:30 Uhr aus dem Bett gekrochen bin, um bereits um 05:00 Uhr morgens an der Startlinie des ersten von drei Marathons zu stehen, reifte über die Monate der Gedanke, auch mal den gesamten Triple-Marathon unter die Füße zu nehmen.
Gesagt, getan: Sobald feststand, dass ich im Jahr 2017 ganze 17 Marathons absolvieren möchte, geisterte auch dieser Triple-Marathon in meinem Hinterkopf rum, sodass ich mich am 29.05. gleich für alle drei Etappen angemeldet habe. Einzeln kostet jeder Marathon 10 €, zusammen nur 25 €. Ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, was den gesamten Tag an Verpflegung und Unterhaltung geboten wird. Großes Lob an die Organisatoren.
Für meine Freundin Sophie und mich bedeutete dieses Event, kreativ zu werden. Ein Start um 5 Uhr morgens hieß entweder sehr früh aufzustehen, um die Wohnung rechtzeitig zu verlassen, oder direkt in Streckennähe zu nächtigen. Wir entschieden uns zwei Wochen davor für die zweite Variante und planten, am Vorabend mit unserem Tchibo Wurfzelt ein lauschiges Plätzchen am Eichbaumsee zu suchen. Alle nötigen Dinge für ein spontanes Camping wurden aus unseren Elternhäusern zusammengetragen oder eingekauft: Matratzen, Schlafsäcke, Decken, Gaskocher mit Topf und Lebensmittel. Zu Essen sollte es neben Frühstück und diversen Konserven auch Fleisch vom Grill geben, das wir uns für die Zeit zwischen dem zweiten und dritten Marathon aufheben wollten. Soweit der Plan.
Nachdem alles im Auto verstaut war und ich am Freitag pünktlich Feierabend machen konnte, hüpften wir nacheinander unter die Dusche und gönnten uns eine riesige Portion Nudeln mit Gemüse und Napoli-Soße. Die private Pasta Party fand schon um 19 Uhr statt, sodass wir danach noch genügend Zeit zum „Verreisen“ hatten.

 

Gegen 21 Uhr fuhren wir dann los und kamen eine halbe Stunde später am Eichbaumsee an, wo wir das Auto auf dem nahegelegenen Parkplatz abstellten und nach und nach ausräumten. In einem Auto rechts von uns schien bereits ein Läufer ein Nickerchen zu halten. Auch er wird hier scheinbar über Nacht bleiben, um morgens so spät wie möglich aus den Federn zu steigen.
Da es an diesem Freitagabend besonders windig war, suchten wir uns ein windgeschütztes Plätzchen in der Nähe von Bäumen und Büschen. Dieses war schnell gefunden und das Zelt stand innerhalb weniger Minuten. Vielmehr zu schaffen machten uns die vielen Mücken und Fliegen, die umherschwirrten. Sie nervten uns beim Einrichten unserer neuen Behausung, da wir die Zelttür ständig auf- und zumachen mussten.
Das unten stehende Foto zeigt unseren Zeltplatz, wurde jedoch am Samstag geknipst.

© Christian Hottas
© Christian Hottas

Irgendwann zwischen 22 und 22:30 Uhr war es dann endgültig soweit und wir hatten alles Nötige aufgebaut, gesichert und ausgestattet. Das eigentliche Abendprogramm mit Entspannung konnte beginnen, indem wir noch ein paar Süßigkeiten naschten und YouTube-Videos guckten. Eine Stunde später folgte das Zähneputzen in der Natur, inklusive weiterer Mückenstiche, und kurz vor Mitternacht fielen mir dann endlich die Augen zu.
Der Wecker klingelte bereits um 03:45 Uhr und so bereitete ich mir auf engstem Raum mein kleines Frühstück vor. Sophie ist zwar ebenfalls wach geworden, konnte aber schnell wieder einschlafen. Da ich mir schon am Vorabend alles bereit gelegt hatte, waren das Frühstück und die Einkleidung in meine Laufmontur kein Problem. Lediglich die Feuchtigkeit, die sich im Zeltinnern gesammelt hat, tropfte mir zeitweise auf den Kopf.

Um 04:30 Uhr verließ ich das Zelt, verabschiedete mich kurz von Sophie und lief zur Startnummernausgabe, die sich auf dem Parkplatz vor einem Wohnmobil befand. Mit der Nummer 12 ausgestattet joggte ich noch ein paar hundert Meter hin und zurück, bevor ich dann um 04:55 Uhr meinen wärmenden Trainingsanzug auszog und ins Zelt warf. Dabei wurde Sophie ein weiteres Mal wach und wünschte mir für den ersten Marathon des Tages viel Erfolg und ganz viel Spaß.
Mit kurzer Flatterhose und Lauf-Top war ich beinahe am wenigsten bekleidet, jedoch lautete die Wetterprognose, dass es sehr bald sehr warm werden würde. Derzeit war es noch recht stark bewölkt und etwas windig, aber die Sonne versuchte hier und da, ihre Lücke zu finden. Ich freute mich auf den Sonnenaufgang, der bereits vor zwei Jahren für die schönste Unterhaltung während des morgendlichen Marathons gesorgt hat.
Um 05:00 Uhr wurden dann 21 Teilnehmer vom Organisator Peter Kellermann begrüßt und in ein paar Besonderheiten des Laufes eingewiesen. Außerdem begrüßte er ein paar Teilnehmer persönlich, unter anderem mich als den Streckenrekordhalter mit 02:57:15 Stunden. Und nur eine Minute später ging es los, die ersten 16 Runden à 2,65 km gegen den Uhrzeigersinn um den Eichbaumsee standen bevor.

1. Marathon - 05:00 Uhr

Wie erwartet lag ich von Beginn an in Führung und strebte ein Tempo von 04:14 min/km an. Mit dieser Geschwindigkeit wollte ich den ersten Lauf des Tages knapp unter der 3-Stunden-Barriere beenden. Jeder normale Mensch würde sich fragen: ‚Warum so schnell, wenn du doch drei ganze Marathons laufen willst?‘.
Richtig, normalerweise ist ein erster Marathon in 3 Stunden zu schnell angesetzt, aber ich wollte meine schöne Serie von bereits 18 aufeinander folgenden Marathons in unter 3 Stunden nicht schon beim ersten reißen lassen. Mindestens 19 sollen es werden, sagte mir mein Dickkopf. Und was sich später im Laufe des Tages ergibt, wird sich zeigen.
Nach den ersten 700 Metern bog ich erstmals links ab und befand mich am westlichen Ende der Strecke. Hier hatten wir links von uns das grün bewachsene Ufer des Sees und rechts einen kleinen Strandabschnitt an der Dove-Elbe. Es war zwar noch menschenleer, aber das würde sich mit zunehmender Zeit sicher ändern.
Die ersten beiden Kilometer absolvierte ich in gemächlichen 04:14 min und 04:15 min, womit ich voll zufrieden war. Diesmal bin ich für mein Vorhaben nicht zu schnell gestartet. Ich genoss die aufgehende Sonne, die sich ab und zu im See spiegelte, und das viele Grün, das die Strecke säumte. So bewachsen hatte ich es nicht mehr in Erinnerung. Die frische Luft und die freie Bahn, die wir Läufer jetzt noch hatten, sorgten für eine Extraportion Ruhe in mir und hatten beinahe etwas Meditatives. So liebe ich es, viele Kilometer zu laufen. Einfach abschalten und den ganzen Arbeitsalltag und sonstigen Stress vergessen dürfen.
Die nächsten Kilometer schwankten zumeist zwischen 04:08 min und 04:18 min. Ein super Zeitkorridor, der mir noch keine Kräfte raubte und richtig Spaß machte. So durfte es weitergehen. Alle drei Runden trank ich einen Becher Wasser, den ich mir laufend schnappte und knapp 100 Meter weiter in einen der großen eisernen Abfalleimer pfefferte. Dadurch verlor ich keine wertvollen Sekunden und hatte etwa drei Schlucke, die mir zu diesem Zeitpunkt noch reichten.
Das erste knappe Drittel des Marathons (14 km) war nach insgesamt 59:02 Minuten erreicht. Und es ging in dieser Regelmäßigkeit weiter. Keine Veränderungen auf der Strecke, die Sonne kämpfte weiterhin gegen die Wolken und Sophie schien um kurz vor 6 Uhr zum Glück immer noch zu schlafen.
Die einzige Ablenkung waren erste Überrundungen. Während ich die Langsamsten etwa alle zwei Runden überholte und somit doppelt so schnell lief, tastete ich mich Stück für Stück an meine direkten Verfolger heran. Ich vermutete, dass um die Halbmarathon-Marke herum die Überrundung des Zweitplatzierten erfolgen müsste. In einem Schnitt von 04:12 min/km ging es auf diesen ersten Meilenstein des Tages zu und tatsächlich sah ich nach exakt acht Runden und einer Zwischenzeit von 01:28:48 Stunden die beiden Herren Sven Peemöller und Mario Sagasser vor mir herlaufen.
Mario habe ich vor zwei Jahren zu einem ähnlichen Zeitpunkt des Rennens ebenfalls überrundet. Sven hingegen habe ich in diesem Jahr den Streckenrekord beim Horizontweg Marathon entrissen, während er im selben Lauf den vierten Platz belegt hat. Also die üblichen Verdächtigen, auf die man hier trifft, was mir unheimlich Spaß macht. So kommt man vor und nach dem Lauf immer ins Gespräch und hat auf Anhieb super Gesprächsthemen.
Kurz vor KM 22 hatte ich dann Sven eingeholt und rief ihm im Vorbeilaufen zu, er solle sich noch um den zweiten Platz bemühen und Mario abfangen. Er winkte bloß ab und meinte, das sei heute nicht mehr möglich. Na mal sehen. Wenig später überholte ich auch den Zweitplatzierten des Rennens und wechselte mit ihm ebenfalls ein paar Worte. Danach ging es weiter dem zweiten Drittel des Laufes entgegen.
Insgesamt 28 Kilometer hatte ich nach 01:57:53 Stunden erreicht, sodass das zweite Drittel ein kleines bisschen schneller war, als das erste (58:51 min). Mein Puffer auf eine Zeit von unter 3 Stunden lag somit bei etwa zwei Minuten. Sollte ich also riskieren, doch noch meinen absoluten Streckenrekord anzugreifen? Dann müsste ich noch eine kleine Schippe zulegen. Aber die Entscheidung war schnell gefallen: Nein, so viel Risiko wollte ich dann doch nicht eingehen.
Als die Uhrzeit von 07:00 Uhr erreicht war, nahm auch die Zahl der Passanten zu. Die ersten Frühaufsteher waren allerdings noch hundlos unterwegs und drehten meist spazierend ihre morgendliche Runde. Die ersten Frauchen und Herrchen mit Hund, die dann im weiteren Tagesverlauf erschienen, verdeutlichten die Besonderheit dieses Ortes. Südlich des Eichbaumsees befand sich Richtung Dove-Elbe nämlich ein Hundestrand. Sicher ein Schlaraffenland für diese Vierbeiner, die hier zudem ohne Leine frei herumlaufen dürfen. In der Vergangenheit sind allerdings schon zwei Läufer gestürzt, von denen sich einer sogar den Arm gebrochen hat. Also war Vorsicht geboten, insbesondere bei den späteren Marathons.

 

Nach nunmehr 11 Runden und knapp über 29 km konnte ich die restliche Rundenanzahl an einer Hand abzählen. Das motivierte mich natürlich nochmal und führte dazu, dass auch die folgenden Kilometer voll im Plan lagen (KM 30 bis 32 in 04:16, 04:11 und 04:11 min). Nach 12 Runden und dem vierten Becher Wasser entschied ich mich, diesen Rhythmus zu verkürzen und nach nur zwei weiteren Runden zum letzten Becher zu greifen. Gedanklich verkürzt das hoffentlich den Weg zum Ziel.
Die letzten 10 Kilometer wurden nun etwas langsamer, gefühlt aber immer noch sehr gleichmäßig. Komischerweise machte mir meine GPS-Laufuhr wieder einen Strich durch die Rechnung meldete mir schwankende Kilometerabschnitte zwischen 04:00 min und 04:38 min. Dieses Problem ist mir bereits beim Kleinbahn Wohldorf-Ohlstedt Marathon aufgefallen, als dort die GPS-Verbindung zum Satelliten durch viele Baumkronen gestört war. Nun scheint sich dieses Phänomen bei wesentlich weniger Bäumen zu wiederholen. Nächstes Mal werde ich ein paar Euro mehr in eine zuverlässigere Uhr investieren müssen.
Noch kurz bevor mein drittes Drittel (KM 29-42) in einer Zeit von 60:07 Minuten beendet war, überholte ich Mario Sagasser ein zweites Mal. Das bedeutete, dass Sven tatsächlich nochmal Gas gegeben hat und sich wohl den zweiten Platz ergattert hat. Eine halbe Runde vor meinem ersten Zieleinlauf des Tages überholte ich Mario und wünschte ihm noch viel Erfolg. Er erkundigte sich nach meiner Rundenanzahl und gratulierte mir bereits zum ersten Tagessieg. Vielen Dank.
Die letzten knapp 400 Meter des Kurses spulte ich in 01:22 Minute ab und sah am Ende eine Zeit von 02:59:18 Stunden auf der Digitaluhr links neben der Strecke aufleuchten. Geil! Das war er nun: der 19. Marathon „sub-3“ in Folge. Yes!

Nachher

Der Zieleinlauf war gewohnt ruhig und Gratulationen erhielt ich nur von einer Handvoll Leute, die dem Organisationsteam angehörten. Nichtsdestotrotz war es ein sehr schönes Gefühl, denn diese Art der Auszeichnung ist immer ehrlich und tut gut. Die fast schon familiäre Atmosphäre erfährt man bei großen Stadtmarathons nämlich nicht. Dort wird zwar jeder Läufer laut beklatscht, jedoch ist man im Zielbereich nur einer von vielen. Hier in Allermöhe erhält jeder dieselbe große Anerkennung, egal wie schnell oder langsam der Lauf beendet wird.
Eine Minute nach meinem Einlauf erhielt ich von Peter die Sieger-Medaille überreicht und wurde vor dem großen Veranstaltungsbanner fotografiert. Zur Belohnung gab es einen ersten Becher Cola und zwei Stücke Apfel.
Mit dieser leichten Basis im Magen freute ich mich nun auf Sophie und mindestens eine weitere Stunde Schlaf im Zelt. Danach sollte ein zweites, großes Frühstück folgen, bevor es mich um 11 Uhr ein weiteres Mal auf die Piste ziehen würde.
Um 08:05 Uhr am Zelt angekommen war Sophie ein wenig überrascht, dass ich schon da war, freute sich aber für mich und mein erstes erreichtes Ziel. Bevor ich mich leicht verschwitzt zu ihr dazulegen konnte, breitete ich ein Handtuch aus und stellte mir sicherheitshalber einen Wecker auf 10 Uhr. Danach folgte noch schnell ein Beweisfoto über meine erbrachte Leistung, das ich meiner Family zugeschickt habe.

 

Völlig unerwartet schliefen wir doch noch bis 10 Uhr, sodass die Zeit für ein zweites Frühstück sehr knapp ausfallen musste. Wir teilten uns somit die Aufgaben auf: Während ich zum Auto lief, um mein zweites Lauf-Outfit zusammen zu stellen, bereitete Sophie das Frühstück auf einer Picknick-Decke vor. Zum Toast mit Honig gab es diesmal einen frisch aufgebrühten Tchibo Instant-Kaffee vom Gaskocher und einen grünen Smoothie für die Gesundheit. Zusätzlich schmiss ich mir ein zweites Tütchen Magnesium ein, in der Hoffnung Krämpfen vorzubeugen.
Alle Läufer und Spaziergänger, die an unserem Picknick-Platz vorbeiliefen, sind ihren persönlichen Spruch losgeworden: „Na das sieht ja lecker aus!“, „Gilt das schon als Doping?“, „Da will man ja gar nicht weiterlaufen, was?“.

Zehn Minuten vor dem nächsten Start musste ich nochmal in die Büsche verschwinden, bevor die letzten Kleinigkeiten erledigt wurden. Dazu gehörte Schuhe schnüren, Startnummer am neuen Shirt anbringen, Sonnencreme von meinem Schatz auftragen lassen und die Lauf-Sonnenbrille rauskramen. So war ich nun gut gewappnet für einen weiteren Marathon, den ich im Bereich um 03:20 Stunden finishen wollte. Eine Zeit unter 03:18:55 Stunden, was meiner bisher langsamsten Marathonzeit entspricht, wird wahrscheinlich nicht möglich sein. Mal gucken.

Kurz vor 11 Uhr gab es erneut eine kurze Einweisung in die Besonderheiten des nächsten Laufes. Allem voran wurde nun in entgegengesetzter Richtung gelaufen, das heißt im Uhrzeigersinn. Auf diese Weise sollte besonders für die Triple-Anwärter etwas Ablenkung und frischer Wind geschaffen werden.
Bei nunmehr weit über 20°C und einem hellblauen Himmel mit kleinen Wölkchen war ich bereit für die nächsten Strapazen. Etwas aufgeregt schaute ich mich um und sah einige flotte Kollegen am Start stehen. Neben zwei jüngeren Startern meines Alters war auch der Triple-Rekordhalter Ralf Vollmer dabei, der heute nur den einen Marathon absolvieren wollte. Da war ich gespannt, ob ich mithalten werde.
Pünktlich um 11 Uhr wurden wir dann mit einem kurzen Countdown von 5 runter auf die Reise geschickt. Die dreistündige Pause war gefühlt im Nu weg und viel frischer, als am Ende des ersten Marathons, schien ich nicht zu sein. Aber nun Kopf aus und die Beine machen lassen!

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

42,4 km

 

02:59:18 Std.

 

02:59:18 Std.

 

Männl. Hauptklasse (88-97)

 

1. von 1

 

1. von 16 (6,3 %)

 

1. von 21 (4,8 %)


2. Marathon - 11:00 Uhr

Wie schon um 5 Uhr morgens setzte ich mich direkt an die Spitze des Feldes. Die erste schöne Ausnahme war nun, dass Sophie am linken Streckenrand stand, lächelte und Fotos von mir machte. Ich lächelte ihr zurück, solange ich noch konnte, und fokussierte mich von da an auf die Strecke.

 

Im Vergleich zum ersten Lauf von heute Morgen saß mir diesmal ein junger Läufer von Beginn an im Nacken. Diesen Windschatten schenkte ich ihm gern, denn er schien noch etwas unerfahren zu sein. Kurz vor dem Start fragte er mich, welche Zeit ich anpeile. „Etwa 03:20 Stunden“ teilte ich ihm mit und erkannte ein zustimmendes Nicken. Ob er sich Ähnliches vorstellte, weiß ich nicht, und war somit gespannt, wie lange er an mir dranbleiben konnte. Wir wechselten auch während des Laufes kein weiteres Wort mehr miteinander, sondern konzentrierten uns viel mehr auf den eigenen Rhythmus.
Meine Wunschvorstellung war, vorerst mit einem Tempo um 04:30 min/km zu starten und so lange wie möglich nicht langsamer als 04:40 min/km zu werden. Im Idealfall liefe eine solche Geschwindigkeit auf eine Zielzeit von höchstens 03:17:52 Stunden hinaus. Mal sehen, was die nächsten Stunden noch so bringen. Der erste Kilometer war zumindest schon mal deutlich zu schnell (KM 1 in 04:14 min).
Trotz der zunehmenden Zahl von Hundehaltern und Hunden auf der südlichen Seite des Sees, konnten wir uns noch einigermaßen gut hindurch mogeln und den unvorsichtigen Vierbeinern ausweichen. Ich versuchte nun zunehmend, auf die Bremse zu drücken und damit unter Umständen auch die führende Position abgeben zu müssen. Doch der junge Läufer machte keine Anstalten, mich trotz Tempodrosselung zu überholen. Vielmehr schien auch er früh langsamer zu werden. Meine folgenden Kilometerabschnitte zeigten zumindest die für mich richtige Tendenz (KM 2 bis 5 in 04:23 min, 04:25 min, 04:28 min und 04:29 min).
Kurz bevor ich meine zweite Runde beendete, passierte es dann aber doch, dass ich meine erste Position abgeben musste. Jedoch nicht an den jungen Läufer, sondern an Stephan Walter, der sich anfangs noch an Position 3 gehalten hatte und hiermit seinen ersten und wohl auch einzigen Marathon des Tages lief. Er überholte mich so schnellen Schrittes, dass es außer Frage stand, dass er das Ding gewinnen würde.
Mir war das recht und so blieb mein Fokus auf meinen Lauf gerichtet. Nach zwei absolvierten Runden schnappte ich laufend nach dem ersten Becher Wasser und kippte ihn hinunter. Knapp 100 Meter dahinter sah ich wieder Sophie am linken Rand stehen. Sie schien sich darauf vorzubereiten, neben mir herzulaufen, wie sie es schon beim diesjährigen Horizontweg Marathon gemacht hat. Nur diesmal in Flip-Flops …
Bei ihrem Loslaufen sagte ich, sie solle es nicht übertreiben oder gar einen Sturz oder ähnliches riskieren. Sie entgegnete, es sei ja nur für kurze Zeit. Recht hat sie. Wir wechselten ein paar Worte und Sophie machte mir weiter Mut. Darüber, dass ich „unten rum“ merkwürdige Schmerzen hatte, sprach ich nicht mehr. Sophie wusste bereits Bescheid, da ich es nach der ersten Runde mit Hindeuten und Miene-Verziehen schon deutlich gemacht habe. Komisch, hoffentlich wird es nach ein paar weiteren Runden wieder besser.
Die nächsten fünf Kilometer bewegten sich allesamt im Bereich 04:27-04:28 min/km, super! So durfte es gern weitergehen. Auch das Trinken kam nicht zu knapp, so gönnte ich mir von nun an nach jeder Runde einen Becher Wasser.

Doch die ersten sprunghaften Abschnitte mischten sich bald dazwischen und waren auf sehr müde Beine zurückzuführen. Ganz leichte Anzeichen von Krämpfen zwangen mich dazu, immer wieder sehr vorsichtig das eine Bein vor das andere zu setzen. Bloß keine falsche Bewegung. Und das so früh am Tag, nachdem nicht mal das halbe Pensum rum war.
KM 11 bis 14 spulte ich in noch ganz ordentlichen 04:32 min, 04:24 min, 04:38 min und 04:41 min ab. Während die ersten drei Drittel des ersten Marathons ca. 60 Minuten gedauert hatten, brauchte ich nun bereits 62:32 min. Immer noch eine super Zeit, die jetzt aber von Mal zu Mal sprunghaft schlechter werden wird. Und mit KM 15 in 04:38 min war dies nun der letzte schnelle des Tages, so viel kann ich vorwegnehmen.

Es kam sogar noch schlimmer, als die folgenden vier Kilometer die letzten mit einer Zeit von unter 5 min waren (KM 16 bis 19 in 04:53 min, 04:50 min, 04:51 min und 04:55 min). Ich befand mich am Anfang meiner achten Runde und teilte Sophie bereits mit, dass das nun mein letzter Marathon des Tages werden würde und ich absolut keine Lust mehr hatte. Üblicherweise bekomme ich in solchen fast schon deprimierenden Phasen einen richtigen Kloß im Hals - so auch jetzt. Wenn das hier ein Trainingslauf gewesen wäre, ginge mein Blick längst auf die Suche nach der nächsten S-Bahn- oder Bus-Station, um wieder nach Hause zu fahren. Die Motivation ist auf dem Nullpunkt angekommen und die Wahrscheinlichkeit, dass es zum Ende wieder besser werden würde, sank.
Nach der Hälfte des Rennens (KM 20 in 05:03 min und KM 21 in 05:10 min) lag ich immer noch auf dem zweiten Platz und konnte auf eine Durchgangszeit von 01:39:57 Stunden zurückblicken. Hochgerechnet würde das eine 03:20:00 Stunden ergeben. Jedoch leider völlig unrealistisch.
Was ich ab diesem psychologisch wichtigen Zeitpunkt aber änderte, war mein Trinkverhalten: statt jedes Mal laufend nach nur einem Becher Wasser zu schnappen, fing ich nun an, mir zuerst gehend einen Becher Cola zu gönnen und danach laufend noch einmal Wasser hinterher. Das tat gut und gab mir gefühlt mehr Kraft, als die vorherige Variante. Zudem strahlte die Sonne nun ungebremst auf uns nieder und die Temperatur stieg sicher deutlich über 25°C.

Einen kleinen Dämpfer verspürte ich dann plötzlich, als der Erstplatzierte an mir vorbeizischte. Wow, war er ähnlich schnell wie ich heute Morgen? Konnte er mir meinen Streckenrekord streitig machen? Was, wenn ja? Diese Art der Fragen geisterte mir durch den Kopf, obwohl sie für mein heutiges Tagesziel keine Relevanz hatten. Außerdem hätte ich mir die Antwort auch mathematisch ausrechnen können, bloß fehlte mir dafür die nötige Frische und Konzentration.
Das Ende des zweiten Drittels näherte sich bald, nachdem ich die folgenden Kilometer 22 bis 28 in Zeiten zwischen 05:17 min und 05:36 min absolvierte. Das besagte zweite Drittel beendete ich nach 72:27 min und somit fast zehn Minuten langsamer, als das erste. Echt hart.
Das Positive war dann aber, dass mein Körper sich langsam auf die neue Situation eingestellt hat und nicht mehr immer schwächer wurde. Die Krämpfe in allen Regionen beider Beine blieben zwar, aber ich konnte die Abwärtsspirale der Geschwindigkeit stoppen und Kilometerzeiten knapp über 5 Minuten abspulen. Sophie erzählte ich davon, als sie ein weiteres Mal knapp 200 Meter neben mir herlief. Ich blieb jedoch bei meiner Meinung, keinen dritten Marathon laufen zu wollen.
Für die nächste Runde ließ ich mich außerdem zu einem kleinen Stück Banane überreden, das mir meine Supporterin dann reichen wollte. Keine schlechte Idee. Zum Essen scheine ich gezwungen werden zu müssen, denn freiwillig fällt mir das irgendwie schwer. Der Hunger fehlt einfach.
Die Kilometerabschnitte zwischen 29 und 34 lief ich allesamt in 05:08 bis 05:21 min, bevor dann bei KM 35 wieder eine glatte 05:00 min aufleuchtete. Meiner GPS-Uhr konnte ich bei diesem Rennen wieder mehr trauen, als am Ende des ersten Laufs. Das beweist aber wieder nur, dass sie ihren eigenen Willen hat.
Die letzten paar Runden nahm ich nicht mehr so bewusst wahr, wie zu Beginn. Es gab aber auch keine Änderungen, denn mein Cola-Wasser-Trinkrhythmus blieb gleich, die Anzahl herumlaufender Hunde blieb gleich, die Krämpfe und meine Platzierung im Gesamtfeld blieben gleich und auch meine Lust auf mehr blieb konstant auf sehr niedrigem Niveau.
Ohne das Tempo weiter zu variieren, beendete ich da dritte Drittel nach 73:18 Minuten und somit nur 51 Sekunden langsamer, als den mittleren Teil. Gefühlt hätte der Schluss aber noch ein Stück schneller sein müssen, da es mir körperlich und seelisch wieder etwas besser ging. Und das obwohl mich der Führende zwischenzeitig ein zweites Mal überrundet hatte. Respekt!

Vor meiner letzten Runde genoss ich nochmal die volle Aufmerksamkeit der Personen am Verpflegungstisch und freute mich darauf, gleich dennoch mit einem Lächeln finishen zu können. Nach einer Gesamtzeit von 03:34:30 Stunden beendete ich dann endlich meinen zweiten Marathon des Tages. Puuh, eeendlich!
Und dass das nun mein bisher langsamster Marathon geworden ist, war mir vorerst völlig egal. Hauptsache im Ziel!

Nachher

Sobald ich im Ziel war, folgten viele Glückwünsche und auch die hart erarbeitete Medaille wurde mir schnell umgehängt. Bevor ich mich dann aber erschöpft auf die Bank im Schatten setzen konnte, teilte ich Sophie noch mit, dass es mir soweit gut geht. Auch der obligatorische Kuss danach durfte dabei nicht fehlen.

Dass ich nun doch Zweiter geblieben bin, erstaunte mich übrigens sehr. Damit hatte ich am Ende nicht mehr gerechnet und mein Gefühl gab mir Recht, denn nur 03:39 min später folgt Ralf Vollmer als Drittplatzierter. Wäre das Rennen nur eine oder zwei Runden länger gewesen, so wäre ich sicher eingeholt worden.
Allen Beteiligten und Zuschauern brannte die Frage unter den Nägeln, ob ich nun auch den dritten Marathon des Tages angehen werde. Für den Triple-Streckenrekord fehlten mir lediglich 04:45 Stunden, was machbar erschien. Jedoch möchte und muss ich auf meinen Körper hören und erlaube mir keinen weiteren Lauf. Die Verletzungsgefahr erschien mir zu hoch, denn die Krampf-Erscheinungen wurden nicht weniger. Auch die anwesenden Sanitäter pflichteten mir bei und unterstützten meine Entscheidung.
Der Organisator Peter Kellermann versuchte mich noch mit der möglichen Ausbeute zu überzeugen, denn für das Finishen aller drei Marathons inklusive dem Brechen diverser Rekorde würden mir in Summe 4 Medaillen und 3 Pokale winken. Sehr attraktiv, aber ich musste bei meinem „Nein“ bleiben, so weh es auch tat.
Anschließend gingen Sophie und ich zurück zum Zelt, das wir gemeinsam zusammenpacken und ins Auto räumen wollten. Im Vorfeld hatte Sophie bereits einige Klamotten und die Matratzen und Schlafsäcke weggeräumt. Das geplante Grillen verlegten wir in den Hamburger Stadtpark, da uns die vielen Mücken und Fliegen an diesem See gehörig auf den Keks gingen.
Gegen 16 Uhr verabschiedeten wir uns endgültig von allen Organisatoren. Dabei machte ich nochmal deutlich, dass der Triple nicht ganz abgeschrieben ist: nachdem es 2015 nur ein Marathon geworden ist und 2017 schon zwei, was erwartet uns dann 2019 beim 10-jährigen Jubiläum dieser Veranstaltung?

Ab 17 Uhr saßen wir dann im Stadtpark auf der großen Wiese, also exakt zum selben Zeitpunkt wie der Start des dritten Marathons erfolgte. Meine schmerzenden Beine gaben mir und meiner Entscheidung jedoch Recht. Ein weiterer Start war undenkbar.
Da bevorzuge ich ein paar leckere Würstchen mit Salat und Cola. Und nicht zu vergessen: mit meinem Schatz an meiner Seite!
Danke für dieses kleine Abenteuer inkl. Camping und viel Lauferei! Es hat wieder riesig Spaß gemacht!

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

42,4 km

 

03:34:30 Std.

 

03:34:30 Std.

 

Männl. Hauptklasse (88-97)

 

1. von 2

 

2. von 21 (9,5 %)

 

2. von 26 (7,7 %)