6. Meller Bahnmarathon

18.01.2020

Vorher

Am 01.11.2019, dem Tag meines 29. Geburtstags, bereitete ich mir ein eigenes kleines Geburtstagsgeschenk und meldete mich für einen verrückten Marathon in meiner neuen Heimatstadt Melle an. Nachdem die Veranstaltung fünf Jahre pausiert hatte, sollte der Bahnmarathon Mitte Januar nun zum 6. Mal ausgetragen werden. Und da es der erste Marathon sein würde, den ich zu Fuß von zu Hause aus erreichen kann (800 m entfernt), stand eine Teilnahme natürlich völlig außer Frage.
Die Umstände im Januar 2020 waren aber durchaus knackig: Zwei Wochen zuvor startete ich bereits beim anspruchsvollen Kartbahnrun in Dinslaken, wo 28 Runden auf einer GoKart-Bahn bewältigt werden mussten. Daraufhin folgte eine mehrtägige Erkältung, die ich erst drei Tage vor dem Lauf in Melle auskuriert hatte. Zu guter Letzt steht eine Woche nach Melle mit dem Marrakech Marathon bereits der nächste Höhepunkt im Kalender.
Ich freue mich über all diese Lauferlebnisse und doch ist es sinnvoll, dass ich im Februar eine vierwöchige Wettkampfpause einlegen werde.

 

Doch nun zurück zu den wahnsinnigen 105,5 Runden à 400 m auf der Tartanbahn des Carl-Starcke-Sportplatzes.
Meine Erwartungen an das Rennen waren aufgrund des fehlenden Trainings eher verhalten. Natürlich wünschte ich mir wieder eine Zielzeit unter 3 Stunden und eine Platzierung unter den ersten Drei, aber wenn beides nicht klappt, wäre ich nicht allzu traurig. Auch der Wunsch nach einem negativen Split – also einer schnelleren zweiten Hälfte – wird voraussichtlich ein Wunsch bleiben, denn mir fehlen Trainingsläufe über Distanzen jenseits von 30 km.
Da es wettertechnisch sehr gut aussah und ich mit vielen gut gelaunten Bekannten aus der Marathonszene rechnen konnte, freute ich mich dennoch sehr auf diesen Tag.

Am Freitagabend zuvor waren meine Freundin Sophie und ich noch für einige Stunden in Laggenbeck, um den Geburtstag ihrer älteren Schwestern zu feiern. Glücklicherweise wurde zum Abendessen ein läuferfreundlicher Kompromiss gefunden, denn es gab Currywurst-Eintopf mit Nudeln. Nach drei vollen Tellern war ich satt genug und kurz vor Mitternacht lag ich dann im Bett.
Am nächsten Morgen wurde ich um 07:45 Uhr wach und machte mich kurze Zeit später mit Banane und Butterbrot ausgestattet auf den Weg zurück nach Melle. Sophie blieb heute zum Brunchen mit ihrer Familie und für ein vereinsinternes Fußballturnier in Ibbenbüren, sodass wir uns erst abends wiedersehen würden.
Als ich das Auto vor unserer Wohnung abgestellt und ein paar Sachen ins Haus getragen hatte, machte ich mich gegen 9 Uhr auf den ersehnten Fußweg zum Carl-Starcke-Platz.

Dort angekommen fing es plötzlich an zu regnen, sodass ich schnell Schutz aufsuchen und den Weg zur Startnummernausgabe laufend zurücklegen musste. In der sogenannten Cafeteria war man noch mit der Sortierung der Startnummern beschäftigt und so nutzte ich die Zeit, mich am reichhaltigen Frühstückstisch mit Käsebrötchen und Kaffee einzudecken. Für uns Läufer war die gesamte Verpflegung vor und nach dem Lauf im Startpreis enthalten. Da dieser mit 42,20 € für einen Bahnmarathon verhältnismäßig teuer war, ist dieser Verpflegungsservice in meinen Augen auch angemessen. Der Vollständigkeit halber möchte ich aber erwähnen, dass jeder Teilnehmer ein grünes Funktionsshirt erhält und jegliche Überschüsse einem wohltätigen Zweck gespendet werden. Spätestens der letzte Aspekt rechtfertigt die hohe Startgebühr allemal.

Um 09:15 Uhr startete das Briefing, bei dem die heutigen Rahmenbedingungen nochmal besprochen wurden. Nach einer halben Runde sind 105 ganze Runden zu absolvieren und überholt wird entweder auf der zweiten, äußeren Bahn oder innen, sofern von der Konkurrenz Platz gemacht wird. Ein Übertreten der inneren Begrenzung war selbstverständlich untersagt. Ich rechnete damit, dass es bei den heutigen Überrundungen ein stetiges Rechts-Links-Überholen wird, was bei 50 zugelassenen Teilnehmern nicht verwunderlich und völlig in Ordnung ist.
Zum Ende der organisatorischen Rede wurde noch gemeinsam „Happy Birthday“ für einen Läufer gesungen, der heute seinen Geburtstag feierte. Anschließend holte ich meine Startnummer ab, die mit einem Zeitmesschip versehen war. Diesen testete ich gleich mal an der Zeitmessmatte, die bereits ausgebreitet auf der Tartanbahn lag.

Im Übrigen war ich heute weniger nervös, als sonst, obwohl die Startzeit immer näher rückte. Vielleicht spielte es eine Rolle, dass ich mir um einen potentiellen Gesamtsieg keine Gedanken mehr machen musste. Markus, ein schneller Läufer aus Warendorf, der bereits vor zwei Wochen in Dinslaken mit über 12 min Vorsprung gewonnen hatte, stand ebenfalls am Start und wirkte fitter, als ich. Ich darf vorwegnehmen: Kein einziger Läufer hatte auch nur den Hauch einer Chance gegen ihn.

Knapp 10 min vor dem Start war ich vollständig angezogen, mit Stirnband und Handschuhen ausgestattet und auf dem Weg auf die andere Seite des Sportplatzes. Meine Tasche ließ ich in der Cafeteria zurück und hoffte, dass sich in der Zwischenzeit niemand daran zu schaffen machte.
Glücklicherweise hat es in der Zwischenzeit aufgehört zu regnen, sodass nun ideale Laufbedingungen herrschten. Auch der leichte Wind von Westen störte nicht und so gab es im bunten Teilnehmerfeld niemanden, der schlecht gelaunt schien. Ganz im Gegenteil, denn es wurden Witze ohne Ende gemacht und es fielen Sätze wie „Hoffentlich verlaufe ich mich heute nicht wieder“ oder „Der GPS-Track auf meiner Uhr wird mich schon durchs Gelände leiten“.

Überaus pünktlich wurde der Countdown runtergezählt und um 10 Uhr das Rennen gestartet. Der Drehwurm kann kommen!

Der Lauf

Da ich das Warmlaufen auf ein Minimum heruntergeschraubt hatte, versuchte ich, ganz entspannt zu starten. Auf einen muskulären Einbruch zum Ende des Laufes hatte ich heute nämlich keine Lust. Das hatte jedoch zur Folge, dass mich Markus bereits auf den ersten 100 Metern überholte und gleich eine kleine Lücke aufkommen ließ. Von eine kleinen Lücke war nach 200 Metern schon keine Rede mehr, denn er machte gleich ernst. Während ich mit meinen 00:49 min auf der ersten halben Runde zufrieden war, hatte Markus schon zehn Meter Abstand gewonnen.

Die Eingewöhnungsphase startete und ich konzentrierte mich fortan nur auf mich selbst. Baldige Überrundungen der deutlich langsameren Läufer und kurze Konversationen sorgten zwar für eine willkommene Abwechslung, doch mir war mein gleichmäßiges Tempo und ein verletzungsfreies Durchkommen noch wichtiger. Ein regelmäßiger Blick auf die Uhr und stetige Kontrolle waren daher unentbehrlich. Meine Wunschzeit je Runde betrug 01:42 min und diese einzuhalten funktionierte anfangs ganz wunderbar. Die ersten 20 Runden absolvierte ich in Rundenzeiten von 01:36 min bis 01:40 min.
In der Zwischenzeit startete die Moderation des Events, sodass auch darüber ein wenig Ablenkung vorhanden war. Eine Besonderheit, die sich die sympathischen Organisatoren einfallen lassen haben, ist das laute Abspielen von Lieblingsliedern. Jeder Teilnehmer durfte bei seiner Anmeldung angeben, welches Lied er oder sie gern auf der Tartanbahn hören wollte. Zu meinem Wunschsong komme ich gleich.
Von AC/DC bis Schlager von Helene Fischer („Mein Herz läuft Marathon“) war alles vertreten und ich genoss es sehr. Wo hat man schon mal die Gelegenheit, diese Form der Zufallswiedergabe beim Laufen zu hören?

Die nächsten 20 Runden waren daraufhin ähnlich schnell und vergingen für mich erneut wie im Flug. Die Rundenzeit pendelte sich zwischen 01:36 min und 01:41 min ein und war lediglich von der Anzahl und dem Umfang der Überrundungen abhängig. Manchmal mussten drei nebeneinander laufende Personen in der Außenkurve überholt werden, bevor anschließend wieder einige Zeit freie Bahn herrschte. Doch die außergewöhnlichsten Überrundungen waren die meiner Person, denn ich konnte beinahe die Uhr danach stellen, wann die schnellen Schritte von Markus auf mich zukamen. Etwa alle 4.000 Meter hatte der Führende 400 Meter mehr als ich zurückgelegt. Ganz egal, ob es die erste, dritte oder fünfte Überrundung war: Markus war konstant schnell und schnell wieder weg.

Meinem ruhigen Vorhaben tat dies keinen Abbruch und so ging es stramm auf die Halbzeit zu. Nach 53 Runden war es soweit und ich konnte auf einen ersten Halbmarathon in knapp 01:28 Std. zurückblicken. Das war ordentlich und bot mir einen kleinen Puffer für mein Sub-3-Vorhaben.
Exakt dann, als mit Runde 57 meine bisher langsamste einsetzte (in 01:42 min), ertönte in den Lautsprechern mein Wunschlied. Es handelte sich um eine besonders lange Version von „El Mariachi Loco Quiere Bailar“ (Der verrückte Mariachi will tanzen). Ich kannte das Lied aus Mexiko, wo ich ein halbes Jahr studiert hatte, und war der Ansicht, dass dieser Bahnmarathon verrückt genug für dieses Lied war. Und tatsächlich verlieh es mir rechtzeitig Extrakraft und verzögerte meinen kleinen Einbruch um einige Runden (Runde 58 bis 65 in 01:38 min bis 01:41 min).
Meinen zweiten Joker trug ich von Beginn an in meiner rechten Hosentasche mit. Nach Beendigung von 70 Runden entschied ich mich für die erste und letzte Trinkpause, vor der ich noch prompt das Energiegel zu mir nahm. Der anschließende kurze Stopp am Verpflegungstisch, wo ich meine Wasserflasche im Vorfeld abgestellt hatte, kostete nur wenige Sekunden (Runde 71 in 01:48 min).
Sieben weitere Runden konnte ich eine leichte Schwächephase noch abwenden, doch dann wurde es ziemlich anstrengend. Die folgenden gut 10 km absolvierte ich in Rundenzeiten von 01:42 min bis 01:51 min, die damit allesamt über meinem heutigen Durchschnitt von 01:41 min lagen. Doch das war in Ordnung! Man konnte noch nicht von dem Mann mit dem Hammer sprechen, sodass ich mit dem bisherigen Rennverlauf sehr zufrieden sein kann.

Dass Markus mich in der Zwischenzeit ein neuntes - und beinahe ein zehntes - Mal überrundet und den Marathon in hochklassigen 02:39:39 Std. gewonnen hatte, begeisterte mich. Dafür nahm ich gern zwei Sekunden in Kauf und gratulierte ihm, während mir noch knapp zehn Runden zum eigenen Finish fehlten.
Wo lag eigentlich der Drittplatzierte? - hatte ich mich bisher nur selten gefragt. Zwar war mein Vorsprung komfortabel, doch drehte der Kollege nun richtig auf und mobilisierte Kräfte, die ich längst nicht mehr hatte. Mit einem weitaus höheren Tempo konnte er seinen Rückstand in kürzester Zeit tatsächlich um eine Runde verringern. Wenn das Rennen über 50-55 km gegangen wäre, hätte er womöglich den gesamten Rückstand wieder aufgeholt, Respekt!
Mich motivierte dies letztlich zu drei flotteren letzten Runden, die ich zudem steigern konnte (01:40 min, 01:39 min und 01:34 min).

Und dann war ich glücklich darüber, es endlich geschafft zu haben! Marathon Nr. 2 in diesem Jahr ist mit einer Gesamtzeit von 02:56:44 Std. im Sack. Endlich mal wieder recht entspannt unter 3 Stunden.

Nachher

Dass es nach Beendigung des Laufes keine Finisher-Medaille gab, war zwar im ersten Moment etwas schade, aber ehrlicherweise braucht es diese Staubfänger auch nicht jedes Mal. Ich freute mich jetzt einfach über die Finisher-Zeit und die Platzierung; und an den 2. Platz konnte mich gewöhnen, denn dies war nun der dritte Marathon in Folge, bei dem ich diesen Treppchenplatz ergatterte.
Nachdem ich mich mit einigen Bechern Cola belohnt hatte, verschwand ich in der Cafeteria, wo ich mir endlich trockene Klamotten anziehen konnte.

 

Eine große Leinwand, auf der die aktuellen Ergebnisse angezeigt wurden, sorgte für ein wenig Unterhaltung. Auch kurze Gespräche mit Organisatoren und Läufern verkürzten mir die Wartezeit bis zur Siegerehrung, die für den Drittplatzierten und mich draußen vor kleinem Publikum veranstaltet wurde (der Erste war leider schon abgereist, bevor ich gefinisht hatte). Über die Urkunde und das Buch von Achim Achilles freute ich mich sehr, bedankte mich dann bei allen Helfern und gönnte mir abschließend noch eine Bratwurst, die für die Teilnehmer ebenfalls im Startgeld enthalten war – lecker!

Kurz nach 14 Uhr machte ich mich auf den Weg nach Hause, wo die heiße Dusche endlich auf mich wartete. Damit endete dann auch mein kleines Marathon-Abenteuer vor der Haustür. Ob ich im nächsten Jahr wieder am Start stehen werde, habe ich für mich noch nicht entschieden. Mal gucken …

 

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

42,2 km

 

02:56:44 Std.

 

02:56:44 Std.

 

M30 (86-90)

 

2. von 3

 

2. von 33 (6,1 %)

 

2. von 43 (4,7 %)