1. Borgberg-Ultramarathon 45,4 km Hagen a.T.W.

24.05.2021

Vorher

Seit über einem Jahr vertröstet uns eine Handvoll tapferer Marathon-Veranstalter mit kleinen, lokalen und landschaftlich sehr reizvollen Läufen, die als offizielle Marathons in der eigenen Statistik zählbar sind. An große City-Marathons ist zu Zeiten der Corona-Pandemie noch nicht zu denken und ich muss zugeben, dass ich diese auch noch nicht vermisse.

Vielmehr finde ich es spannend, dank dieser Organisatoren und ihrer unterschiedlichen Streckenempfehlungen neue, spannende Laufstrecken vor der eigenen Haustür kennen zu lernen. Heute sollte es für mich erstmals zu einem Lauf von Uwe Laig gehen, den ich nicht nur von diversen lokalen Läufen kenne, sondern dessen Homepage ich erst vor Kurzem zufällig entdeckt habe. Dort kündigt er unter anderem seine eigenen Marathon-Projekte an und bebildert diese mit zahlreichen Fotos, die definitiv Vorfreude schüren.

Da mir im Monat Mai noch ein langer Lauf fehlte, meldete ich mich am 17. Mai kurzfristig für dieses kleine Event an. Im Angebot waren ein Marathon über 43 km oder wahlweise ein Ultra über 45,4 km, der durch zwei kurze Zusatzschleifen erzielt werden kann. Da die Differenz nur so gering ausfiel, entschied ich mich für den Ultra, der der insgesamt 18. Ultra in meiner Statistik werden sollte.

Das bisherige Pfingstwochenende verbrachten meine Freundin Sophie und ich am Samstagabend und Sonntagmorgen bei ihren Eltern und am Sonntagabend bei uns zu Hause in Melle. Statt Pasta-Party herrschte Reste-Essen vom Vorabend, denn mit den mexikanischen Tortillas und pikanten Chicken Wings hatten es die Köche von Fabula einfach zu gut gemeint. Da solche Reste aufgewärmt nicht sehr appetitlich aussehen, verzichtete ich hier auf ein Foto meines Abendessens.

Nach einem entspannten Abend auf dem Sofa entschied ich mich, am morgigen Pfingstmontag um 5 Uhr morgens aufzustehen. Beim Stellen meines Weckers tat der Gedanke an die kurze Nacht zwar weh, aber das frühe Laufen will für meine kommenden Vorhaben auch trainiert werden. Zudem würde es laut Wetterprognose zwischen 6 und 10 Uhr trocken bleiben, bevor anschließend leichter Nieselregen und Wind einsetzen sollten.

Nach gut fünf Stunden Schlaf war das Aufstehen am nächsten Morgen erstaunlich problemlos und ich freute mich auf ein kleines Frühstück bestehend aus Müsli, Brot, einem Apfel und einer Banane. Sonst esse ich meistens nur Aufbackbrötchen, doch auch heute Morgen mussten ein paar Reste weg.

Bei einem Ultramarathon mit knapp 1.400 Höhenmetern wollte ich ohnehin nicht einfach losrennen, sondern es etwas entspannter angehen. Daher müsste diese Vorbereitung ausreichend sein.

Nach einer ruhigen Autofahrt erreichte ich um 6:15 Uhr den kleinen Wanderparkplatz Kollage am Ende einer Sackgasse im Forellental, südlich von Hagen am Teutoburger Wald. Während ich meine Klamotten und Verpflegung im Kofferraum bereitlegte und mich noch ein paar hundert Meter warmlief, trudelten auch schon weitere Läuferinnen und Läufer ein. Veranstalter Uwe war zu so früher Zeit noch nicht da, aber ich vermutete, dass wir uns später auf der Strecke begegnen würden.

Dank einer ausführlichen Ausschreibung und dem GPS-Track auf meiner Uhr wusste ich, dass der individuelle Start direkt am Parkplatz auf der Brücke über dem Goldbach erfolgen sollte.

Um 6:40 Uhr war ich dann soweit und ich freute mich auf einen frühlingshaften Bergmarathon rund um den Borgberg.

 

Der Lauf

Die ersten 200 Meter führten mich über eine leicht ansteigende Asphaltstraße zum Wald hinauf. Dieser Zuweg zum Terra-Track-Wanderweg „Borgberg“ wird sowohl am Anfang, als auch am Ende einer jeden Runde (à 8,6 km) gelaufen.

Sobald ich das erste Mal den Wald erreichte, ging das Höhenmeter-Sammeln erst richtig los. Auf einem etwas breiteren Weg konnte man zwar gut einen Schritt vor den anderen setzen, aber ich merkte früh, dass die Beine noch recht müde waren. Mein Puls ging hoch und ich ahnte bereits, dass mir heute neben Lauf- auch Wanderabschnitte bevorstanden.

Das einzig Positive, das mich zu so früher Uhrzeit diese Berge hinauftrotten ließ, war die hoffentlich schöne Aussicht. Auch da hatte der Veranstalter mit seinen Fotos beste Vorarbeit geleistet und uns aufgezeigt, welche Belohnung uns nach den vielen Anstiegen erwartet.

© Uwe Laig
© Uwe Laig

Nach einem ganz kurzen Bergab-Stück schaute ich rechterhand in ein kleines Tal hinab, in dem sich einige Quellteiche befinden. Mit diesem ersten schönen Eindruck ging es weitere zig Höhenmeter hinauf, bis bei KM 1,7 eine scharfe Rechtskurve folgte. Soeben waren 77 Höhenmeter geschafft und schon ging es wieder sehr steil hinab. Es war sogar so steil und teilweise rutschig, dass ich bremsen musste und meine verlorene Zeit nicht wiedergutmachen konnte.

Obwohl es zum größten Teil um einen Berg herumgehen sollte, so waren diese Auf’s und Ab’s wohl kaum zu vermeiden (oder sogar gewollt). Dieser Ultramarathon würde mich heute auf eine harte Probe stellen: In erster Linie sollte es dabei um das Haushalten meiner Kräfte gehen. Eine Zielzeit hatte ich mir gar nicht erst gesetzt. Somit entschied ich mich dafür, einfach so gleichmäßig wie möglich durchlaufen zu wollen. Das Tempo hochdrehen wollte ich erst am Ende der letzten Runde.

Seit KM 1,3 befand ich mich auf dem offiziellen Terra-Track-Wanderweg, der erfahrungsgemäß immer mal wieder kleine Sehenswürdigkeiten für die Wanderer bereithielt. So auch bei KM 2,5, als am rechten Wegesrand plötzlich ein breiter Stein auftauchte. Was die Geschichte hinter dem „Breiten Stein“ war, konnte ich so schnell nicht erahnen. 

Kurz dahinter war wieder ein Asphaltstück erreicht, das an ein-zwei Bauernhöfen und einem Kneippbecken vorbeiführte. Wenn der Start-Ziel-Bereich hier gelegen hätte, dann hätte ich die brennenden Füße nach dem Lauf sicher ins kühle Nass getaucht.

Wenige Meter hinter dem Kneippbecken – bei KM 2,9 – ging es für mich nach rechts auf einen schmalen Pfad, der wieder stramm bergauf führte. Der holperige Single-Trail wurde recht bald wieder zum gut laufbaren Waldweg, doch dass es nun über einen Kilometer lang non-stop hinauf ging, fand meine Oberschenkelmuskulatur gar nicht lustig. Der erste Wanderabschnitt stand nun bevor und ich war mir sicher, dass ich an dieser Stelle jedes Mal eine Gehpause einlegen würde.

Die darauffolgenden 100 Meter bergab dienten einer sehr kurzen Erholung, bevor es über einen gemäßigten Anstieg weitere 30 Höhenmeter hinaufging. Als ich bei KM 4,5 eine mehrarmige Wegkreuzung erreicht hatte, musste ich scharf links abbiegen, um dem Weg hinauf zur Almwiese zu folgen. Mit 233 m üNN war endlich der höchste Punkt der Strecke erreicht (zum Vergleich: der Start lag bei 118 m üNN).

Doch dieser Anstieg hatte sich mehr als gelohnt, denn sowohl der Blick über die Almwiese, als auch der Ausblick auf Höhe der Almhütte bei KM 5 waren einfach nur schön.

Im Folgenden wurde die Almwiese einmal im Uhrzeigersinn umrundet. Um die besagte Differenz zum 45,4 km langen Ultramarathon zu meistern, sollte diese 1,2 km lange Runde zwei weitere Male absolviert werden. Wann ich diese zwei Extra-Schleifen lief, blieb mir überlassen.

Um später nicht auf den Gedanken zu kommen, doch nach 43 km aufhören zu wollen, hing ich die 2,4 km einfach schon während meiner ersten Runde dran. Getreu dem Motto: „Was weg ist, ist weg.“

Sobald ich nach drei Almwiesen-Runden bei KM 8 erneut an der mehrarmigen Wegkreuzung angekommen war, ging es weiter geradeaus. Zu diesem Zeitpunkt bemerkte ich leider, dass ein dringender Boxenstopp nötig war. Leider sind die Taschentücher im Auto geblieben, sodass ich mir dieses Bedürfnis auf den nächsten 3 km verkneifen musste.

Plötzlich ärgerte ich mich extrem über meine Entscheidung, die 2,4 Extrakilometer schon am Anfang abzuhaken. Das war strategisch wirklich dumm von mir – zumal ich den abschüssigen Rückweg zum Start-Ziel-Parkplatz mit 100 negativen Höhenmetern nicht wirklich genießen und ausnutzen konnte. Auch ärgerte ich mich über meine Experimente beim gestrigen Abendessen und heutigen Frühstück, denn diese könnten die Ursache für den nötigen Boxenstopp sein.

Der heutige Kampf gegen die Höhenmeter rückte für mich vorerst in den Hintergrund. Vielmehr fieberte ich dem Moment entgegen, ab dem ich wieder „unbeschwert“ laufen konnte.

Nachdem ich die langen Bergab-Passagen, die an zwei-drei größeren Höfen vorbeiführten, hinter mir hatte und wieder auf dem asphaltierten Zuweg in Richtung meines Autos unterwegs war, kramte ich an meiner kleinen Hosentasche, in der sich der Autoschlüssel befand. Ich drückte aufs Knöpfchen, öffnete die Kofferraumklappe und suchte so schnell wie möglich nach den Taschentüchern.

Bei meiner Kehrtwende erblickte ich Veranstalter Uwe auf dem Parkplatz stehen und so teilte ich ihm schnell mit, dass er sich etwas Hammerhartes für uns ausgesucht hat. Für ein entspannteres Gespräch war aktuell leider keine Zeit.

Wenige hundert Meter später tauchte ich wieder in den schützenden Wald hinein, wo nach erfolgter 2-Minuten-Pause endlich wieder lockeres Laufen möglich war.

© Uwe Laig
© Uwe Laig

Während auf meiner ersten Runde Kilometerzeiten zwischen 4:02 min und 6:33 min zu Buche standen, lag KM 12 mit 8:21 min natürlich außerhalb der Norm. Da es grundsätzlich schwierig erschien, die Runden- oder gar Kilometerzeiten miteinander zu vergleichen, verzichtete ich darauf, häufig auf meine Uhr zu gucken. Von nun an wollte ich das erste Fünftel gedanklich abhaken und die folgenden vier Fünftel so gut es ging genießen.

Obwohl mir nun wieder vier knackige Anstiege bevorstanden, die mit Sicherheit auch ein-zwei Gehpausen für mich bereithielten, freute ich mich gleichzeitig darüber, nur noch kurze Borgberg-Runden ohne zusätzliche Almwiesen-Runden vor mir zu haben.

Nachdem ich die Hälfte der schattigen Waldroute hinter mir hatte, ging es von 233 Metern üNN endlich wieder stramm bergab. Bloß dieses Mal konnte ich es genießen! Vorbei an der Wegkreuzung erblickte ich rechterhand eine umzäunte Wiese mit mehreren Rehen, die sich recht nah an den Wegesrand herantrauten. Für diese possierlichen Tiere hatte ich zuvor noch keine Aufmerksamkeit, doch ab sofort freute ich mich, sie auch in Runde 3, 4 und 5 wiederzusehen.

© Uwe Laig
© Uwe Laig

Es folgten wieder lange, leicht abschüssige Schotterwege, die unter Läufern gern mal als Waldautobahnen bezeichnet werden und ganz wunderbar zu laufen sind. Man merkte schnell, wie es entgegen des Uhrzeigersinns am südlichen Bergrücken des Borgbergs entlangging, bevor ich nach insgesamt 19,3 km ein zweites Mal rechts abbog und zurück zum Auto lief.

Während die erste große Runde inkl. zwei Almrunden (= 11 km) insgesamt 56:21 min dauerte (durchschnittlich 5:07 min/km), war die zweite Runde (= 8,6 km) mit 44:22 min aufgrund der Zwangspause am Anfang noch etwas langsamer (5:10 min/km).

Normalerweise sind das Geschwindigkeiten, die ich nicht mal im Training laufe, doch heute stand das Überleben dieser 1.400 Höhenmeter ganz oben auf der Wunschliste. Da war ein zu schnelles Tempo nicht förderlich und so konnte ich hoffentlich noch ein wenig die Ausblicke genießen.

Zu Beginn der dritten Runde ging es wieder über teilweise recht breite Waldwege in den Wald hinauf, bevor mich steile Bergab- und Bergaufpassagen wieder zum gelegentlichen Wandern verleiteten. Es ist der stete Mix, der einen nicht zur Ruhe kommen und gleichmäßig laufen lässt. Eine neue Erfahrung, die mich hoffentlich für zukünftige Laufprojekte wappnet.

© Uwe Laig
© Uwe Laig

Dadurch, dass wir bei der heutigen Veranstaltung nur sieben Ultramarathonis und fünf Marathonis waren, hielten sich Begegnungen zwischen Läufern und Überholvorgänge ganz schön in Grenzen. Auch sonstige Wanderer und Spaziergänger waren zu der frühen Uhrzeit rar, sodass es zumeist alleine durch den Wald ging. Das war bei dieser abwechslungsreichen Strecke kein Problem für mich, jedoch hätte dieser Lauf meiner Meinung nach deutlich mehr mutige Teilnehmer verdient.

Mut ist das richtige Stichwort, denn endlich konnte ich mit 42:44 min eine etwas flottere dritte Runde verbuchen (4:58 min/km). Nach nunmehr 28,2 km schaute ich somit optimistisch in meine letzten zwei Runden, die ich einfach nochmal genießen wollte.

Der Borgberg war mir bisher kein Begriff und ich muss sagen, dass es ein perfektes Pflaster für ein intensives Höhenmetertraining ist. So knackige Anstiege kannte ich in dieser Region bisher nicht. Auch die Almwiese und die Schutzhütte versprühten ihren ganz eigenen Charme, den man sonst nur aus dem Süden Deutschlands kennt.

© Uwe Laig
© Uwe Laig

Bei schönstem Frühsommerwetter und Sonnenschein wollte ich nach einer etwas verhaltenen vierten Runde in 43:38 min (5:04 min/km) eine flottere fünfte folgen lassen.

Wie so häufig bei Mehrrundenläufen, bezeichnete ich meine letzte Runde als eine Art Abschiedsstour. Jedes besondere Merkmal neben der Strecke, jede Steigung, jeden Ausblick und jede sonstige Unwegsamkeit würde ich nun zum letzten Mal sehen und meistern. Das schließt natürlich nicht aus, dass ich hier irgendwann nochmal herkomme, um meine Runden zu drehen. Aber für heute reichte es und so freute ich mich schon auf das bevorstehende Ende des Rennens.

Ein letztes Mal ging nach der kleinen Almrunde mein Blick nach rechts zu den Rehen, die sich nun in den hinteren Teil ihres Geheges verzogen hatten. Ein letztes Mal kämpfte ich mich alle kurzen und langen Anstiege hinauf und genoss jeden Bergab-Meter in vollen Zügen. Ein letztes Mal akzeptierte ich, dass es heute eine besondere Lehrstunde für mich gab: Bei zukünftigen Wettkämpfen bloß keine Experimente am Vorabend und beim Frühstück!

Und so spulte ich die letzten drei Kilometer in recht schnellen 3:47 min, 4:00 min und 4:07 min ab, sodass ich am Ende meiner fünften Runde auf eine Rundenbestzeit von 42:13 min (4:55 min/km) zurückblicken konnte.

© Uwe Laig
© Uwe Laig

Um die ausgeschriebenen 45,4 km zu erreichen, fehlten mir am Ende auf meiner Uhr noch knapp 150 Meter. Diese hängte ich freiwillig hinten dran, indem ich die Straße Forellental 150 Meter weiterlief und erst dort meine Uhr abstoppte.

Nach 03:49:18 Stunden war ich endlich im Ziel dieses sehr schönen, aber auch extrem anspruchsvollen Ultramarathons, bei dem ich fast zwei Stunden Vorsprung auf den Zweitplatzierten herausgelaufen bin.

 

Nachher

Am Auto angekommen gönnte ich mir ein paar Schlucke Wasser und eine kleine Pause in der wärmenden Sonne. Mit ein-zwei Teilnehmern, die sich in diesem Moment ebenfalls am Auto verpflegten, wechselte ich noch ein paar Worte, bevor es sie wieder auf die Strecke zog.

Nachdem ich mich mit einem kurzen Fazit per WhatsApp bei meiner Family gemeldet hatte, schwang ich mich auf den Fahrersitz und fuhr zurück nach Hause, wo meine Freundin Sophie womöglich schon wach war und auf mich wartete. An Tagen, an denen ich so früh zu einem Marathon aufbreche, wie heute, freue ich mich besonders auf das zweite, entspannte Frühstück. Viel mehr als Entspannen war an diesem Wochenende ohnehin nicht geplant.

Ich muss sagen, dass ich diese Streckenempfehlung durch Uwe sehr gern weiterempfehle und nicht ausschließen möchte, hier eventuell ein zweites Mal an den Start zu kommen. Voraussetzung wird jedoch sein, dass die Strecke trocken und somit laufbar ist, denn bei Matsch und unzähligen Pfützen wäre mir persönlich die Verletzungsgefahr zu groß.

 

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

45,4 km

 

03:49:18 Std.

 

03:49:18 Std.

 

M30 (87-91)

 

1.

 

1. von 4 (25 %)

 

1. von 7 (14,3 %)