5. UltraSteinhart666 - 56 km - Steinfurt
11.11.2018
Vorher
Wenn ein Backstein der Auslöser für einen Marathon oder gar einen Ultra ist, dann muss es entweder ein besonders schöner Backstein sein oder der Läufer hat einen an der Waffel.
In meinem Fall hoffte ich, dass es nur der besonders schöne, gravierte Finisher-Backstein war, der mich nach Steinfurt getrieben hat. Denn diesen sollten alle Läufer der Distanzen 14, 28, 42 und
56 km anstelle einer Finisher-Medaille erhalten.
Am 20.09.2018 entschied ich mich final für die längste Laufstrecke, den UltraSteinhart666 über 56 km, und meldete mich online an. Die Besonderheit bei dieser Wahl war, dass die Startgebühr von 36
€ eine Flexi-Option beinhaltete: Sollte ich mich bereits nach einer, zwei oder drei Runden à 14 km für das Beenden des Rennens entscheiden, käme ich dennoch in die jeweilige Wertung des
kürzeren Laufs. Ein DNF („Did Not Finish“ = Rennen abgebrochen) würde in der Ergebnisliste somit nicht erscheinen und den Marathon über 3 Runden sollte ich mindestens packen. Die vierte Runde
sollte die Kür werden.
Nachdem ich im wunderschönen Oktober bei bestem Wetter sehr gut trainieren konnte (bisheriger Rekord-Monat: 500 km) und unter anderem in Essen meine langjährige Marathon-Bestzeit verbessern konnte, stand einem ordentlichen Wettkampf Mitte November nichts im Wege. In der ersten November-Woche rund um
meinen Geburtstag schraubte ich das Training komplett zurück, gab dem Körper die nötige Regenerationszeit und spulte anschließend drei lockere Einheiten mit insgesamt 55 km ab.
Dann war es endlich soweit: mein dritter Ultra in diesem Jahr stand bevor. Die Tage zuvor waren von bewölktem Regenwetter und Wind bestimmt, während das einzig Positive die immer noch milden
Temperaturen von 12-15°C waren. Aber das gehört sich nun mal so, denn der Herbst hat ohnehin schon lange auf sich warten lassen. Ich rechnete also mit einer ordentlichen Schlammschlacht, zumal es
sich um einen Cross-Marathon im Steinfurter Bagno und Buchenwald mit geringem Asphalt-Anteil handelte.
Meine Wochenend-Planung gestaltete sich so, dass ich den Samstag zusammen mit meiner Freundin Sophie bei meinen Eltern in Hopsten verbrachte. Außerdem stieß meine Schwester Nicole hinzu, die am
morgigen Tag die 14 km unter die Füße nehmen wollte. Unsere Mutter bereitete uns traditionell richtig leckere Pasta mit Schinken-Carbonara-Soße zu, die wir restlos weggeputzt haben.
Nach einer recht kurzen und unruhigen Nacht klingelte am nächsten Morgen um 07:00 Uhr der Wecker. Während Sophie noch etwas weiterschlief, frühstückten wir in der Küche und räumten unsere notwendigen Klamotten zusammen. Die Klamotten-Frage war aufgrund des unbeständigen Wetters dieses Mal größer denn je. Auf jeden Fall wollte ich meine neue lange Lauftight von Adidas anziehen, während obenrum die Wahl auf eine dünne Laufjacke fiel. Aber brauchte ich drunter ebenfalls ein langärmeliges Laufshirt? Sollte ich mit meinen Frost-Händen trotz über 10°C Handschuhe anziehen? Brauche ich eine Cappy gegen möglichen Regen?
All das wollte ich erst vor Ort in Steinfurt entscheiden. Bevor Nicole und ich gegen 08:00 Uhr aufbrechen wollten, verabschiedete ich mich noch von Sophie, die kurze Zeit später zu ihrem
Fußballspiel nach Püsselbüren fahren würde.
Bei Nieselregen fuhren wir knapp 40 Minuten, bis wir auf dem großen Parkplatz in unmittelbarer Nähe zum Steinfurter Wasserschloss ankamen. Zum Glück fanden wir recht schnell einen schmalen
Parkplatz und hatten somit noch genügend Zeit, unsere Startunterlagen abzuholen. Vor meinem Start um 09:30 Uhr blieben mir noch knapp 45 Minuten, um alle notwendigen Vorbereitungen zu treffen.
Nicole hingegen hatte noch bis 10:15 Uhr Zeit und machte sich etwas weniger Stress.
Im Start- und Ziel-Bereich war ein großes Festzelt aufgebaut, in dem sich die Vor- und Nachmeldung, ein paar kleine Verkaufsstände, eine große Kuchentheke mit Tischen und Bänken, das Treppchen
und nicht zuletzt die Gepäckaufbewahrung befanden. Das verhältnismäßig kleine Zelt hielt dem Druck stand und die Organisatoren schienen routiniert und professionell genug. Alles verlief
reibungslos.
Lediglich einen Kritikpunkt muss ich loswerden: der einzige Toiletten-Wagen (mit Sitz-Klo) weit und breit war bereits um 09:00 Uhr morgens verstopft. Wo sollten wir uns somit erleichtern?
Umkleideräume waren zwar ausgeschildert, befanden sich jedoch in der Sporthalle am anderen Ende des Parkplatzes und waren schwer zu finden. Vor dem einzigen auffindbaren Klo in der besagten
Sporthalle war bereits eine Warteschlange, na toll.
Aber was sein muss, muss sein. Und so war ich knapp 15 Minuten vor dem Start wieder am Auto und musste „nur“ noch die Klamotten-Frage beantworten. Die schlussendliche Wahl fiel auf ein
kurzärmeliges Unterhemd aus Funktionsstoff inklusiv dünner Laufjacke. Diese konnte ich dank Reißverschluss entsprechend variieren. Und die Handschuhe? Nunja, sicher ist sicher, und so nahm ich
sie mit.
Nicole begleitete mich noch zum Veranstaltungszelt, wo ich einen Beutel mit ein paar Anziehsachen und den Autoschlüsseln abgab. Anschließend hüpfte ich mich noch 5 min warm, dehnte mich
sporadisch und ließ von Nicole noch ein-zwei Fotos knipsen.
Pünktlich um 09:30 Uhr stand ich dann mit allen Marathon- und Ultra-Teilnehmern am Start und fieberte den kommenden vier Stunden entgegen. Dies ist die magische Grenze! Sollte ich diese Schallmauer bei meiner ersten Teilnahme knacken, wäre ich überglücklich. Eine Stunde je 14 km mit 167 Höhenmetern klang nicht unrealistisch.
Nachdem die letzten Fragen zum Streckenverlauf im Start-Ziel-Bereich geklärt waren, wurde der Countdown runtergezählt und wir durften lossprinten.
Der Lauf
Auf den ersten Metern wurde bereits ein Verpflegungsstand passiert, von dem jetzt noch kein Gebrauch gemacht werden musste. Es handelte sich um einen von insgesamt drei Getränke-Stationen auf dem Rundkurs, wobei der zweite zweimal angelaufen werden würde. Das hieß im Schnitt alle 3,5 km eine Verpflegungsstelle und in Summe 16 Stück, das dürfte völlig ausreichen.
Durch den wunderschön herbstlichen Schlosspark zog sich die große Gruppe schnell in die Länge, sodass sich vorne recht bald zwei kleine Grüppchen formten. Die eine Zweier- oder Dreiergruppe bestand aus ambitionierten Marathonis, während ich mich ebenfalls in einer Dreiergruppe aus den schnellsten Ultra-Läufern befand. Erkennbar waren wir an der farbigen Unterlegung unserer Startnummern (Hellgrün = Marathon; Orange = Ultra).
Nach knapp 200 Metern tauchten wir in das erste Waldstück ein und liefen zunächst noch auf etwas schiefen Pflastersteinen. Das Wurzelwerk der vielen Buchenbäume hat die Steine mal angehoben, mal
abgesenkt, sodass wir bei jedem Schritt konzentriert aufpassen mussten. Nach dem ersten flotten Kilometer (in 04:05 min) verlief der folgende Abschnitt schlängelförmig über unbefestigten
Waldboden, der mit Laub übersät war (KM 2 in 04:03 min). Hier sind sicherlich einige Werbefotos dieser Laufveranstaltung entstanden – dachte ich mir in diesem Moment – nicht wissend, dass ein
Großteil der Strecke mindestens genauso schön werden würde.
Doch zunächst musste eine gut 2 km lange Gerade bezwungen werden, die lediglich durch die Unterführung der Bundesstraße B54 eine kleine Abwechslung bot. In der ersten Runde mit entsprechenden
Konkurrenten um mich herum war diese monotone Gerade noch gar kein Problem, doch was würde mein Kopf auf der dritten oder gar vierten Runde denken?
Obwohl ich mich an den anderen starken Läufern orientierte, wurde das Tempo vorerst etwas langsamer (KM 3 in 04:08 min und KM 4 in 04:17 min). Unter anderem waren der dreimalige Sieger und
Streckenrekordhalter Christof Marquardt (Jg. 1968) und der Sieger des Jahres 2017 Daniel Pugge, der mit einer kleinen Kopfkamera lief, mit von der Partie. Besonders an dem ersten Kollegen wollte
ich so lange wie möglich dran bleiben. Auf meine freundliche Frage hin, ob er wieder unter 4 Stunden laufen wolle, gab es nur ein „Ja“. Zu mehr Gesprächen schien er nicht bereit gewesen zu sein.
Na gut, so sparte auch ich Kräfte.
Als es für einen kurzen Moment aus dem Wald heraus ging, erreichten wir die breite, abgesperrte Burgsteinfurter Straße, auf der die zweimal anzulaufende Verpflegungsstation postiert war. Nach
einem ganz leichten Anstieg über ein paar hundert Meter ging es auf der gegenüber liegenden Straßenseite wieder wilder zu: wechselnder Untergrund, kleine Hügel und Kurven, aber stets bergab. So
kamen zwei flotte Kilometer zusammen (KM 5 in 03:58 min und KM 6 in 03:49 min).
Anschließend ging es am östlichsten Streckenpunkt nochmals über einen kurzen Asphaltabschnitt, bevor die dritte Verpflegungsstation passiert wurde und der Hauptanstieg des Kurses vor uns lag. Der
Grad des Anstiegs wurde mit jedem Meter größer und so führte uns der Wiesenweg direkt zum Buchenberg hinauf. Sehr viel Laub auf diesem Weg verlangte mir erhöhte Konzentration ab. So konnte ich
doch recht froh darüber sein, dass der Anstieg zu einem vorsichtigeren Tempo verleitet (KM 7 in 04:23 min).
Oben angekommen genoss ich ganz kurz den Ausblick auf Borghorst, bevor der schnelle Abstieg folgte. Auch hier liefen wir noch auf recht viel Laub, doch der Waldweg darunter schien eben zu sein
(KM 8 in 04:03 min und KM 9 in 04:05 min). Als der Wald von einem asphaltierten Wirtschaftsweg abgelöst wurde, konnte man schon die nächste Verpflegungsstation erkennen, bei der endlich wieder
etwas Stimmung und Motivation herrschte.
Hiernach liefen wir wieder Richtung Nord-Westen und mussten vor der zweiten Unterführung der B54 ein zusätzliches Wendepunkt-Stück absolvieren. Dieses führte erst leicht bergauf und auf dem
Rückweg wieder hinunter, sodass man entspannt abschätzen konnte, wie weit die Konkurrenz zurücklag. In meinem Fall schien Daniel Pugge nicht ganz mithalten zu können, während Christof Marquardt
nur wenige Meter hinter mir lag. So konnte es erst mal weitergehen (KM 10 in 04:13 min).
Nach der Unterführung bog ich rechts ab und befand mich auf einer langen Gerade Richtung Konzerthalle, die sich im Steinfurter Bagno befindet. Vor dieser Halle gab es ein weiteres, diesmal
kürzeres Wendepunkt-Stück zu laufen (KM 11 in 03:57 min und KM 12 in 04:01 min).
Was nun folgte, ähnelte wieder einem Park mit vielen Bäumen, den wir über eine kleine Holzbrücke erreichten. Der Streckenverlauf leitete uns zunächst zwischen dem Bagnosee und einem Golfplatz
hindurch, bevor es nach einer weiteren Holzbrücke wieder in Richtung Start-Ziel-Gelände ging (KM 13 in 04:08 min). Doch dieser Weg wurde durch einen weiteren Schlenker ergänzt und verlief
schließlich durch eine schöne Allee, die nun endlich schnurstracks auf das Wasserschloss zu führte.
Hier warteten bereits meine Eltern, die pünktlich zu dem 14-km-Start um 10:15 Uhr angereist sind. Meine Schwester Nicole war somit schon unterwegs und meine Verfolgungsjagd konnte starten.
Beim Vorbeilaufen am Zielbanner (KM 14 in 03:59 min) und Vorbeilaufen am ersten Getränkestand warf ich den Helfern meine zusammengeknüllten Handschuhe hin und rief nur: „Die hole ich nachher ab,
Danke!“
Es war schlichtweg zu warm für Handschuhe und diesen kleinen Ballast wollte ich über weitere 42 km ungern mittragen. Ähnlich war es mit meiner langärmeligen Laufjacke, die ich aber lieber nicht
weggeben wollte und somit deren Ärmel hochkrempeln musste.
Ein Viertel war geschafft und so war Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen: Während ich den gesamten Lauf in weniger als 4 Stunden meistern möchte, habe ich je Runde durchschnittlich eine Stunde.
Mit 56:12 Minuten auf der ersten von vier Runden habe ich mir somit ein Polster von beinahe 4 Minuten rausgelaufen. In anderen Worten: Ich bin zu schnell gestartet!
Mit den folgenden Worten möchte ich nicht mehr jeden einzelnen Kilometer beschreiben, sondern vielmehr das, was besonders war und mir in der Erinnerung hängen geblieben ist.
Schon zu Beginn der zweiten Runde formte sich ein Zweier-Team; ich war also nicht mehr allein auf weiter Flur. Die beiden Ultramarathon-Konkurrenten schienen abgeschüttelt zu sein, sodass sich
nun der Marathoni Tobias Grimmert zu mir gesellte. Wir plauderten ein wenig über unsere Erfahrungen im Marathonbereich und waren uns recht bald einig darüber, dass wir möglichst lange gemeinsam
laufen wollten.
Die Vorteile sind vielseitig, denn neben dem Windschattenlaufen sorgt ein sympathischer Mitläufer besonders für Ablenkung. Positive Ablenkung und gegenseitige Motivation sind bei solch langen
Distanzen Gold wert. Hin und wieder musste ich ihn jedoch bremsen, denn wir liefen stramm auf Sub-02:49 zu, d.h. eine Marathonzeit von unter 02:49 Stunden. Das hätten wir bei diesem Terrain beide
nicht durchgehalten, vor allem nicht bei einer Gesamtstrecke von 56 km.
Auf den ersten, flachen 6 km der zweiten Runde bewegte sich der Kilometerschnitt bei 04:01 min (zwischen 03:50 und 04:11 min/km). Dann stand uns der große Anstieg zum Buchenberg bevor. Nachdem es
am dritten Verpflegungspunkt der Runde noch schnell einen halben Becher Wasser gab, wurden die nächsten Höhenmeter in Angriff genommen. Hier bemerkte ich meine Stärke, denn beim Bergauf-Laufen
entstand eine kleine Lücke zwischen uns (KM 21 in 04:29 min). Bei der steilen Bergab-Passage konnte Tobias jedoch wieder aufdrehen und mich schnellen Schrittes überholen.
Ich „erlaubte“ ihm, mich zurückzulassen, wenn er schneller laufen könnte. Doch er beharrte darauf, neben mir zu laufen, und verwies auf meine größere Erfahrung in Bezug auf lange Distanzen und
das Kräftemanagement. Ich fühlte mich geschmeichelt und versuchte, erneut ein wenig auf die Bremse zu treten.
Was ab dieser Runde für zusätzliche Abwechslung sorgte, waren die Überholungen der langsamen 14-km-Läufer. Wann ich Nicole einholen würde, konnte ich nicht abschätzen, allerdings rechnete ich
schon recht bald mit ihr, denn hinter mir lagen bereits hunderte von ihnen.
Im Bereich von KW 24 war es soweit, dass ich eine in Pink gekleidete Läuferin mit einem mir bekannten Laufstil entdeckte. Es war meine Schwester und ich überlegte, was ich ihr im Überholvorgang
zurufen könnte: „Super, Nicole, du bist richtig gut! Hinter dir sind hunderte von Läufern.“
Anschließend berichtete ich Tobias ganz stolz von meiner Schwester, die ich bei ihrem zweiten Marathon in Münster begleitet habe. Und nur einen Kilometer weiter ergab sich dank Wendepunkt eine
zweite Gelegenheit, dass ich sie sehen konnte. Diesmal rief ich ihr zu, sie solle gleich im Ziel unbedingt die schöne Allee genießen. Perfekt, sie hat es gehört!
Der Abschnitt zwischen KM 22 und 28, sprich die zweite Hälfte der zweiten Runde, spulten wir in weiterhin hohem Tempo ab (durchschnittlich 04:05 min/km). Die Gespräche wurden dadurch etwas
kurzatmiger, aber das war völlig in Ordnung. So gefiel es mir am besten.
Bei meinem zweiten Vorbeilaufen im Start-Ziel-Bereich rief ich meinen Eltern zu, dass Nicole gleich im Ziel sei. Für eine längere Konversation war leider keine Zeit und so hakten wir die zweiten
14 km in 56:23 Minuten ab – immer noch zu schnell.
Dieses Mal hatte ich die Hände frei von Handschuhen und konnte somit erneut zum Getränk greifen, bloß erwischte ich kein Wasser, sondern lauwarmen Zitronentee. Da ich nicht wusste, wie sich
dieses Zeug auf meinen Magen auswirkt, nahm ich nur einen sehr kleinen Schluck und fragte meinen Mitläufer, ob er etwas wolle. Danach ging es in seine letzte und meine vorletzte Runde.
Immer häufiger gab es Momente, in denen der Marathoni ein paar Schritte schneller lief, als ich. Insgesamt bewegten wir uns in einem Tempo-Bereich von 04:11 min/km (KM 29 bis 34 in 03:57 min/km –
04:28 min/km), womit ich recht zufrieden war. Nichtsdestotrotz schmerzte es bereits in meinen Beinen und es kündigten sich ganz leichte Krämpfe an. Von nun an musste ich bei jedem Schritt
höllisch aufpassen, um keinen richtigen Krampf zu provozieren. Ich lernte meinen Körper im Moment neu kennen und sicher haben die Gegebenheiten dieses Crosslaufs damit zu tun.
Nachdem die leicht abfallende und kurvenreiche Passage in der Nähe von Borghorst der letzte Kilometer in unter 4 Minuten war (KM 33 in 03:57 min), folgten der anstrengende Anstieg (KM 35 in 04:42
min) und das steile Bergab-Stück im Wald (KM 36 in 04:08 min).
Auf unserem gemeinsamen Weg bis KM 42 fielen kaum noch Worte. Beide mussten wir kämpfen. Nachdem sich Tobias nochmal versicherte, ob ich wirklich die Ultradistanz laufen wolle, fragte er mich, ob
er noch was für mich tun könne. „Ja, …“ sagte ich „… genieß deinen Zieleinlauf!“.
Als die schöne Allee im Park hinter und lag und wir eine kleine Rechts-Links-Schikane passierten, trennten sich unsere Wege. Tobias und ich klatschten uns ab. Er bog rechts in den Zielkanal ein
und ich musste ein letztes Mal in die scharfe Linkskurve zurück auf den Rundkurs.
Und schlagartig wurde es richtig anstrengend für mich. Ich war nicht sehr überrascht, denn mit 58:59 Minuten auf der dritten Runde kam erneut eine Minute zu meinem Puffer hinzu. Insgesamt konnte
ich mir jetzt 01:08:20 Stunden für die vierte Runde Zeit lassen, um unter 4 Stunden zu bleiben. Das klang machbar. Doch wie gesagt wurde es nun knüppelhart für mich.
Ohne jeglicher Konkurrenz vor oder hinter mir lief ich nun allein durch den Park und die vielen Wald- und wenigen Asphaltpassagen. Nachdem ich auf flachen Wegen schon nah an die 5-min-Marke
gekommen bin (KM 43 in 04:54 min und KM 44 in 04:51 min), wurde es bei KM 45 nochmal eine Portion langsamer (in 05:21 min). So durfte es nicht weitergehen, denn sonst würde ich zum Ende hin
wandern müssen.
Glücklicherweise zeigte das Energie-Gel, dass ich zu Beginn dieser Runde zu mir nahm, so langsam seine Wirkung. Die Kohlenhydratspeicher wurden kurzzeitig wieder angereichert, sodass ich auf dem
Weg zum Gipfel wieder etwas schneller unterwegs war (KM 46 bis 48 in 04:36 min, 04:45 min und 05:09 min). Doch dieses Gefühl war von kurzer Dauer.
Spätestens als es nach dem Gipfel (KM 49 in 05:14 min) selbst bergab nicht sonderlich schneller wurde (KM 50 in 04:55 min), wollte ich meine Hoffnungen auf eine Sub-04:00 begraben. Selbst ein
Stückchen Banane und der zweite Cola-Becher des Tages konnten nicht viel ausrichten. Ich war einfach total platt.
Auf den folgenden vier Kilometern, die mich durch die zwei kurzen Wendepunkt-Abschnitte und am See und Golfplatz vorbeiführten, festigte sich meine Gewissheit, dass ich diesen besonderen
Ultramarathon hier und heute gewinnen könnte. Konkurrenz von hinten war nicht zu sehen, sodass ich mit keinem Schlusssprint rechnen musste (KM 51 bis 54 in 05:09 min, 05:04 min, 05:12 min und
05:20 min).
Doch meine Zielzeit geriet ins Wanken. Besonders dann, als ich noch anfing, mich auf den letzten 2 km zweimal zu dehnen. Meine Waden und Oberschenkel brauchten diese ganz kurzen Pausen, in denen
ich meinen Fuß an einen Baumstamm und ein Schild stellte und meinen Körper jeweils heranzog. So dehnte ich die Beine nochmal in die Länge und konnte wieder in einen etwas angenehmeren Laufschritt
verfallen.
Komisch, bei anderen Wettkämpfen hätte ich mir eine Unterbrechung so kurz vorm Ziel nicht erlaubt, aber heute brauchten mein Körper und Kopf diese Mini-Auszeiten. So beugte ich Verletzungen vor,
die mich auf dem Weg zum 5. RuM – meinem letzten Highlight des Jahres – behindert hätten.
Und da war sie endlich: meine Ziel-Allee! Kein ganzer Kilometer mehr und auf der Uhr verblieben mir noch 4-5 Minuten. Perfekt! Das nenne ich eine Punktlandung. Nach elendig langen 01:06:46
Stunden für die vierte Runde zog ich meine Kappe vom Kopf, strecke die Arme in die Luft und freute mich einfach nur noch! Ich habe es bei meinem UltraSteinhart-Debüt auf Anhieb geschafft, unter 4
Stunden zu finishen. Hammer!
Nachher
Genau genommen standen schließlich 03:58:22 Stunden zu Buche – sehr schön!
Direkt hinter der Ziellinie konnte ich meine Eltern umarmen und ihnen für die Unterstützung vom Streckenrand danken. Nicole war bereits abgereist, weil sie mit ihrem Freund noch weiter nach
Utrecht unterwegs war.
Für das Warten und Applaudieren haben meine Eltern sich später Kaffee und Kuchen auf meine Kosten verdient, so viel stand fest. Doch zunächst gab es das besondere Finisher-Geschenk, auf das ich
mich schon so sehr gefreut habe: den schweren Backstein!
Zum Glück konnte mein Vater diesen direkt an sich nehmen, denn er fühlte sich nach diesen Strapazen schwerer an, als er war. Bevor ich mich irgendwo hinsetzen konnte, nutzte ich noch den Moment
im Stehen und ging zum Verpflegungsstand rüber, wo ich meine Handschuhe deponiert hatte. Danach schlenderten wir in das Veranstaltungszelt, wo ich meinen Laufbeutel abholte und mich endlich ein
wenig ausruhen durfte.
Knapp 15 Minuten später gingen wir nochmal zum Auto, wo ich mir die durchgeschwitzten Laufsachen auszog und trockene Klamotten anzog. Bis zur Siegerehrung verblieben noch gut 45 Minuten, die wir
ganz entspannt mit im Veranstaltungszelt verbrachten. In der Zwischenzeit gab es neben dem besagten Kaffee und Kuchen noch einen Besuch des einzigen Verkaufsstandes mit Laufutensilien und Schuhen
und schließlich noch einen Blick auf die Ergebnisliste.
Tatsächlich ist der Mitfavorit Christof Marquardt nicht über 56 km ins Ziel gekommen, sondern hat abgekürzt und den Marathon als Drittplatzierter in 02:57:55 Std. beendet. Somit entstand zwischen
mir und dem Zweitplatzierten eine Lücke von 20:42 Minuten, Wahnsinn! Insgesamt sind 795 Teilnehmer in die jeweiligen vier Ziele gekommen (davon 52 über die Ultra-Distanz).
Übrigens wurde Nicole in 01:14:16 Stunden über 14 km insgesamt 146. von 462 (23. Frau von 141 und 6. ihrer Altersklasse WHK von 13). Sauber!
Während der Siegerehrung gab es die nächste Überraschung: Völlig unerwartet gab es doch tatsächlich ein Preisgeld für mich. Die Höhe bestimmte die absolvierte Distanz, also 56 €. Dazu gab es
einen zweiten, vergoldeten Backstein, der mit einer großen „1“ versehen war. Na wenn das mal keine originelle Trophäe ist.
Glücklich und zufrieden watschelte ich zurück zum Auto, wo ich meine Eltern verabschiedete. Hier trennten sich nun unsere Wege und ich fuhr zu meiner Freundin nach Laggenbeck, die heute mit ihrer
Fußballmannschaft ebenfalls erfolgreich war und das Heimspiel gegen SV Borussia Emsdetten II 4:1 gewonnen hat. So darf ein sportlich rundum gelungener Tag gern enden.
Zahlen & Fakten
Distanz
Gelaufene Zeit (Netto)
Gelaufene Zeit (Brutto)
Altersklasse
AK-Platzierung
Platzierung (Männer)
Gesamtplatzierung
56 km
03:58:21 Std.
03:58:22 Std.
Männl. Hauptklasse (89-98)
1. von 3
1. von 46 (2,2 %)
1. von 52 (1,9 %)