5. Wings for Life World Run Vienna (Austria)

06.05.2018

Vorgeschichte

Diese globale Laufveranstaltung ist schon jetzt eine Legende! Bereits in 2016 haben meine Freundin Sophie und ich an der 3. Austragung teilgenommen und den Lauf mit einem Kurzurlaub in der kroatischen Stadt Zadar verbunden.

Doch was macht dieses Event so besonders? – Es ist einmalig! – Ich berichte kurz von unseren Erfahrungen aus 2016:

Auf allen Kontinenten der Welt liefen am 08.05.2016 insgesamt 130.732 Läufer in 34 verschiedenen Städten zeitgleich los und wurden 30 Minuten später von sogenannten "Catcher Cars" verfolgt. Diese fahren zu Beginn 15 km/h und steigern ihr Tempo stündlich auf 16, 17, 20 und 35 km/h bis alle Läufer nacheinander überholt worden sind. Sobald man von dem Auto überholt wird, ist man aus dem Rennen, und sobald weltweit der letzte Läufer eingeholt wird, ist der Wettbewerb beendet. So einfach das Konzept :-) Und das womöglich Beste daran ist, dass die Startgelder und jegliche Spenden zu 100 % in die Rückenmarkforschung fließen. Das Event finanziert sich ausschließlich durch so große Sponsoren wie Red Bull, Puma und Garmin.

Im Jahr 2016 verbesserte der Italiener Giorgio Calcaterra in Mailand die Weltbestleistung auf 88,44 km. Ein Jahr später wurde der Pole Bartosz Olszewski ebenfalls in Mailand mit 88,24 km bester Läufer, während der Schwede Aron Anderson in Dubai auf seinem Rollstuhl 92,14 km schaffte (Renn-Rollstühle und Handbikes sind übrigens nicht erlaubt).

Um auf der Strecke einen Marathon zu schaffen, darf man sich nicht mehr als 03:08 Stunden Zeit lassen. Für 50 km stehen 03:36 Stunden zur Verfügung. Nachdem ich in Zadar mit 46,41 km recht deutlich an der 50-km-Marke gescheitert bin, war mein persönliches Ziel für 2018 längst bekannt: Auf dem bekanntlich schnellen Kurs in der österreichischen Hauptstadt sollen die 50 km geknackt werden (~ 04:19 min/km).

Doch wie kam es zu der Entscheidung, dieses Lauf-Event mit einer Reise nach Wien zu verbinden? Hier spielten mehrere Faktoren eine Rolle. Einen besonderen Einfluss hatte die kleinere Auswahl an Städten, denn für die 5. Austragung wurde die weltweite Anzahl auf nur noch 12 gekürzt. Innerhalb Europas konnte nur noch zwischen München, Poznan (Polen), Zug (Schweiz), Zadar (Kroatien) und eben Wien entschieden werden. In unzähligen anderen Städten gab es alternativ einen sogenannten App-Run, bei dem jeder mit eigenem Smartphone unterwegs war, durch das die Überholung des „Catcher Cars“ bekannt gegeben wurde.

Da mich die digitale Alternative nicht so sehr reizte, wollte ich einen „echten“ Lauf und den damit verbundenen Kurzurlaub zu einem Geschenk kombinieren und Sophie zu ihrem 22. Geburtstag überreichen. Also wählte ich die Stadt, die sie am meisten interessieren könnte. Lange überlegen musste ich nicht, denn sie schwärmte schon seit Jahren davon, die geschichtsträchtige Kunst- und Kulturstadt Wien zu besuchen.

Jetzt stand mir nur noch die ganze Organisation bevor. Flüge von Hamburg nach Wien gab es zu genüge, aber die Wunschtage lagen selten im bezahlbaren Bereich. Die Wahl fiel schließlich auf einen Hinflug am Freitagmorgen (04.05.18) um 06:55 Uhr, während der Rückflug am Montagabend (07.05.18) um 17:05 Uhr erfolgte.

Die Zeiten waren super, die Airline mit Eurowings auch und der Preis beider Flüge lag mit 99,98 € pro Person auch völlig im Rahmen. Am 13.10.2017 hatte ich direkt nach der Flugbuchung auch zwei Hotels in Innenstadtnähe reserviert. Beide waren bis kurz vor Abreise kostenlos stornierbar und ermöglichten mir etwas mehr Flexibilität bei der restlichen Urlaubsplanung.

Ich darf’s vorwegnehmen: Die Wahl fiel auf das Hotel Pension Wild, das fußläufig nur 800 Meter vom Start-Bereich des Laufs entfernt lag. Auch hier stimmte das Angebot (101,50 € pro Person für 3 Nächte inklusive Frühstück).

Über die Idee dieses Kurztrips und das Rund-um-Geschenk freute sich Sophie riesig. Ihr kleiner Traum von Wien wird in Erfüllung gehen und auch mit dem Gedanken an den Lauf arrangierte sie sich bald. Außerdem ist es immer schön, zum Ende eines Urlaubs schon den nächsten in Aussicht zu haben, denn Sophies Geburtstag fiel noch in unseren Azoren-Urlaub auf São Miguel im November 2017.

Es ist nicht ganz überraschend, dass das Interesse an dem Laufevent auf meiner Seite etwas größer war. Somit wollte ich noch einige Wochen ins Land ziehen lassen, bevor auch Sophie sich final für eine Teilnahme entscheidet. Am 22.02.2018 war es dann soweit und Sophie sagt definitiv „Ja“. Ihre Erlebnisse und Erfahrungen aus Zadar, als sie 15,57 Kilometer geschafft hatte, überzeugten sie und zudem hätte sie keine Lust gehabt, so lange tatenlos auf mich zu warten.

Schnell buchte ich uns zwei Startplätze für jeweils 50 €, was deutlich über den 13 € aus Zadar lag. Aber dafür sollte es neben der imposanten Kulisse auch Funktionsshirts und Finisher-Medaillen geben. Wir durften gespannt sein.

Ein Indiz für ein atemberaubendes Laufabenteuer war zudem, dass alle 13.500 Startplätze für Wien bereits Anfang April und somit exakt einen Monat vor der Austragung ausgebucht waren. Es sollte für mich das größte Starterfeld seit dem Dublin Marathon Ende Oktober 2017 werden.

So viel zum organisatorischem Hintergrund. Ab sofort hatte unsere Vorfreude auf diesen spannenden Urlaub ihren Platz!

 

Wenige Tage vor Abreise nach Wien kündigte sich ein sommerlicher Ausflug an. Die Wettervorhersage hätte nicht besser sein können: während es am Anreisetag noch kleine Wölkchen geben sollte, durften wir an allen Folgetagen mit 24°C und bis zu 14 Sonnenstunden rechnen. Das war der Wahnsinn!

Freitag, der 04.05.2018

Es fiel uns unerwartet leicht, aus dem Bett zu kommen, obwohl der Wecker bereits um 04:30 Uhr klingelte. Da wir unser Frühstückspaket schon gestern Abend vorbereitet hatten, konnten wir dieses schnell einpacken und zur S-Bahn schlendern. Die frische Luft tat uns sehr gut und sorgte dafür, dass wir noch wacher wurden.

Mit der S1 erreichten wir über eine Stunde vor Abflug (06:55 Uhr) den Hamburger Flughafen und da wir kein großes Gepäck dabei hatten, konnten wir direkt zum Gate gehen.

Um 06:45 Uhr durften wir den Flieger dann betreten und genossen anschließend einen entspannten Flug, während dessen wir beide ein wenig Schlaf nachholten. Um 08:25 Uhr landeten wir sicher in Wien und suchten am Flughafen nach einer möglichst günstigen Verbindung in die Innenstadt. Da es noch früh am Tag war, entschieden wir uns natürlich für ein Tagesticket für das gesamte Nahverkehrsnetz.

Auch wenn wir ein wenig müde waren, motivierte uns das super Wetter und die schöne Umgebung dazu, voller Tatendrang zu sein. Mindestens eine Hauptattraktion wollten wir noch heute besichtigen. Doch zuerst mussten wir unser Gepäck loswerden und peilten somit unser Hotel an, an deren Rezeption wir schnell merkten, dass es sich um ein sehr „offenes und tolerantes“ Hotel handelte. In anderen Worten: Homosexuelle waren äußerst willkommen.

Achso, daher die Bezeichnung „Hotel Pension Wild“!?

Wir mussten ein wenig schmunzeln, fanden es aber sehr sympathisch und so ließen wir die kleinen Koffer ruhigen Gewissens im Büro zurück. Das Zimmer war zu der frühen Uhrzeit nämlich noch nicht bezugsfertig.

Mit Stadtplan, Reiseführer und guter Laune ausgestattet stapften wir zurück zur U-Bahn und fuhren zunächst zum Karlsplatz, wo wir uns in einem kleinen, studentischen Kiosk jeweils einen großen Cappuccino gönnten. Diese werteten wir uns mit Zucker, Schokopulver und Sirup auf und gingen einige Schritte weiter in einen kleinen Park, der mit Palettenmöbeln und liebevoll beschrifteten Gemüsebeeten ausgestattet war. Uns gefiel es auf Anhieb so gut, dass wir hier eine verspätete Frühstückspause einlegten und ein paar unserer Reste aßen.

In der Zwischenzeit entschieden wir uns dazu, den heutigen Tag im etwas außerhalb gelegenen Schönbrunn zu verbringen. Um 11:20 Uhr saßen wir wieder in der U-Bahn, die uns in gut 20 Minuten ohne Umstieg zum Schloss Schönbrunn und dem Schönbrunner Schlosspark brachte. Für viele war dieses prächtige Bauwerk und die wunderschöne Natur unzertrennlich mit den Sisi-Filmen verbunden. Für mich Unwissenden nicht – ich fand es einfach nur so atemberaubend schön.

Während ich mich in die verhältnismäßig kurze Warteschlange in der Eingangshalle positionierte, ging Sophie auf die Toilette, und sobald sie wieder da war, waren wir auch schon an der Reihe. Für den Studentenpreis von 14,50 € erhielten wir Zugang zu Schloss und Park. Für ein Kombiangebot inkl. einiger Sehenswürdigkeiten in der Innenstadt entschieden wir uns nicht, da wir hierbei noch etwas spontaner bleiben wollten.

Um das gute Wetter auszunutzen, zog es uns zuerst in den Schlosspark, den wir mittig durchquerten und in dessen Zentrum wir auf die ersten schönen Wasserfontänen zusteuerten. Schon auf diesem Weg knipsten wir unzählige Fotos, obwohl das eigentliche Ziel noch in einiger Entfernung lag: die Gloriette. Dieser Tempel oder auch Fest- und Frühstückssaal von Kaiser Franz Joseph I. lag auf einem Hügel und war Blickfang und Aussichtspunkt zugleich. Mit ein-zwei Schweißtropfen auf der Stirn kamen wir oben an und schossen sogleich zig weitere Fotos. Es war wie aus dem Bilderbuch und wir staunten an vielen Ecken des Parks über die akkurate und saubere Landschaftspflege … und das obwohl hier täglich tausende Touristen herumtrampelten.

Nach einer guten halben Stunde führte uns der Weg wieder hinab Richtung Schloss, in dem uns auch noch ein kleiner Rundgang bevorstand. Dabei zog sich der Stammbaum der Habsburger wie ein roter Faden durch die pompösen Zimmer und bot auch mir Geschichtslaien ein wenig Orientierung. Mit Audio Guides (Audioführung) bewaffnet gab es schließlich nicht nur etwas fürs Auge, sondern auch für die Ohren. Ob und wie viel hängen bleibt, bleibt abzuwarten.

Und da es offiziell nicht gestattet war, Fotos zu schießen, bin ich leider nur mit drei heimlich geknipsten Erinnerungen aus dem Schloss Schönbrunn herausgekommen. Aber auch diese geben einen kleinen Eindruck über die Größe der Räumlichkeiten.

Um kurz vor 15 Uhr stattete Sophie sich im Souvenir-Shop noch mit drei Sisi-Postkarten aus, bevor es für uns zurück zur U-Bahn und anschließend in den kleinen Stadtpark im Innenstadtgebiet ging. Diesen durchquerten wir spazierend, beobachteten ein paar Skater, wunderten uns über Koi-Karpfen im Bach, setzten uns zwischendurch irgendwo hin und naschten immer mal wieder von unseren Süßigkeiten. So langsam brauchten wir aber eine richtige Pause, denn der Hunger wurde nun größer. So entschieden wir uns spontan dazu, den Park bis zum Ende durchzulaufen, um dort an der Haltestelle Wien Mitte in den nächsten Zug Richtung Prater zu steigen.

Wenige Minuten später stiegen wir an der Station Wiener Praterstern aus und schlenderten zu dem weltbekannten Vergnügungspark-Gelände. Bereits am Eingang erblickten wir das Wahrzeichen des Praters, das alter Riesenrad, das uns mit einem Ticketpreis von 10 € pro Person letztlich doch nicht mehr reizte. Dafür war es einfach nicht hoch genug, dachten wir uns. Und so spazierten wir ein wenig rauf und runter, bis unsere Entscheidung auf einen Hot-Dog fiel. Dieser sah leider nicht sehr appetitlich aus, sodass wir uns schnell einig darüber waren, am Abend nochmal ordentlich zu essen.

Um 17 Uhr sollte es mit müden Beinen endlich zurück ins Hotel gehen, wo wir gut 30 Minuten später in unser gemütliches Zimmer einchecken und uns kurz aufs Bett fallen lassen konnten. Schnell bemerkten wir, dass unser Zimmer das womöglich einzige mit großem Balkon bzw. einer Terrasse war. Wenngleich der Innenhof nicht sehr schön war, so konnten wir uns zumindest nach draußen setzen und frische Luft atmen. Gedacht, getan! Wir rückten Stühle und Tisch zurecht und gönnten uns erst mal ein mitgebrachtes österreichisches Bierchen, lecker!

Bis zu unserem Abendessen wollten wir zwar nicht mehr lange warten, waren allerdings nicht sehr entscheidungsfreudig. Das machte es nicht einfacher und schneller. Nach geraumer Zeit entschieden wir uns für einen „Geheim“tipp aus dem Internet: Das pakistanische Restaurant „Der Wiener Deewan“ hat bei Google eine Bewertung von 4,5 Sternen (bei 1.175 Bewertungen) und wirbt damit, dass nicht nur so viel gegessen und getrunken werden darf, wie man will, sondern dass am Ende auch noch so viel gezahlt werden darf, wie man will. Unser Sparfuchs-Interesse war mehr als geweckt.

Sobald wir uns frisch gemacht und den 1,6 km langen Weg hinter uns gebracht hatten, war der Hunger kaum noch auszuhalten. Wir betraten das spartanisch eingerichtete Lokal und fanden nur besetzte Tische vor, sodass wir uns zu einem jungen Mann dazusetzen wollten. Nachdem wir schon die kostenlose Wasserkaraffe und Gläser hingestellt bekommen hatten, entdeckten wir den Keller. Also nichts wie hin und tatsächlich waren dort unten noch recht viele Tische frei. Wir suchten uns einen Platz an der bunt bemalten und beklebten Wand, wo auch einige Gesellschaftsspiele über die Tische verteilt lagen. Na wenn das mal nicht sympathisch ist.

Das Essen holte sich oben jeder Gast selbst, während die besonderen, aber günstigen Getränke zum Tisch gebracht wurden. Wir entschieden uns für einen Mango Lassie und einen dickflüssigen Kokossaft, die jeweils etwa 1,50-2,00 € kosteten.

Nach drei oder vier Tellern mit extrem leckerem Fleisch, Kartoffeln, Reis, Erbsen und Salat spielten wir noch eine kurze Runde „Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod“ und trotteten danach pappsatt die Treppe hinauf. Wir bezahlten angemessen, denn ein solches Konzept muss belohnt und unterstützt werden. Sollten wir am morgigen Samstag kein geeignetes Pasta-Restaurant finden, würde man uns sicherlich wieder im Wiener Deewan antreffen.

Unser nächstes Ziel war das Nachtleben in der Wiener Innenstadt. Zwar waren wir an diesem Tag schon lange Zeit auf den Beinen und entsprechend müde, aber am nächsten Abend vor dem Wettlauf hätten wir uns ohnehin keinen Drink mehr gegönnt. Den Weg legten wir spazierend zurück, verdauten so das viele Essen und kamen schließlich um kurz vor 22 Uhr an der Fledermaus Diskothek an. Diese war eine Empfehlung von Sophies Mitbewohnerin und da es zu dieser frühen Uhrzeit noch freien Eintritt gab, machten wir natürlich einen Abstecher. Die Tanzflächen waren noch recht leer, die Musik nicht ganz unser Geschmack, aber ein-zwei verträumte Tänzer haben uns mit ihren kuriosen Verrenkungen letztlich doch ganz gut unterhalten.

Eine Stunde später hatten wir keine Lust mehr und wollten gern wieder an die frische Luft. So spazierten wir noch an dem beleuchteten Stephansdom vorbei, überquerten den Michaelerplatz und bestaunten die Hofburg, die wir in den nächsten Tagen sicher auch bei Tageslicht sehen würden.

Kurz vor Mitternacht kamen wir in unserem Hotel an, legten uns bald hin und schliefen sehr schnell ein. Wir hofften, nicht allzu früh von benachbarten Gästen geweckt zu werden, die von der Gemeinschaftstoilette auf dem Flur Gebrauch machten. Denn diese grenzte leider direkt an unser Zimmer an und war recht laut zu hören.

 

Samstag, der 05.05.2018

Scheinbar waren wir so platt, dass wir gut durchschlafen konnten und erst kurz vor 10 Uhr zum Frühstück runtergingen. Dieses war nicht pompös, umfasste aber alles, was wir brauchten und mögen. Auch die Bedienung war sehr freundlich und brachte uns frischen Kaffee. So entspannt durfte hier gern jeder Morgen starten.

Um 11 Uhr waren wir fertig, machten uns auf dem Zimmer nochmal frisch, packten unsere kleinen Rucksäcke und gingen bei schönstem Sonnenschein zur U-Bahn. Nach etwas Stress mit dem Ticketautomaten, der uns statt simpler Tageskarten irgendwelche teuren Alternativen ausspucken wollte, buchte ich uns kurzerhand per Handy zwei Tickets für je 5,80 €. Damit war das Reisen innerhalb Wiens sogar etwas günstiger, als in Hamburg.

Unser erstes Ziel an diesem Mittag war das Schloss Belvedere, was so viel heißt wie „schöne Aussicht“. Und dies bestätigte sich vor Ort voll und ganz, denn der dahinter liegende Park war einfach nur wunderschön. Mit viel Liebe zum Detail war hier alles symmetrisch angeordnet und picobello sauber. Generell waren Sophie und ich uns einig, dass wir noch nie in einer saubereren Stadt gewesen sind als dieser.

Nach einem entspannten Spaziergang durch den Park entschieden wir uns für die Besichtigung des Oberen Belvederes. Obwohl draußen schönstes Sommerwetter herrschte, wollten wir den kulturellen Teil unserer Reise nicht zu knapp werden lassen. Mit etwas Glück zahlte nicht nur Sophie, sondern auch ich nur den Studententarif von 13,50 € für die namhafte Kunstaustellung, die vor allem Werke von Gustav Klimt umfasste. Aber auch Künstler wie Claude Monet, Helene Funke und Hundertwasser waren ausgestellt.

Doch unser Hauptaugenmerk lag auf den beindruckenden Bildern von Klimt, allen voran den berühmten Kuss. Das große quadratische (1,8 x 1,8 m) Bild „Der Kuss“ erfreute sich auch unter den anderen Besuchern größter Beliebtheit, sodass sich nicht nur vor dem Original eine große Menschenmenge bildete, sondern es auch in einem Nebenraum eine besondere Selfie-Möglichkeit gab. Natürlich versuchten auch wir, die schwierigen Verrenkungen des Liebespaares nachzustellen. Das Foto knipste übrigens eine lustige Dame aus Frankreich, die sich genauso wie wir das Lachen nicht verkneifen konnte.

Anschließend schlenderten wir weiter durch die imposanten Räume des Schlosses, stellten dabei diverse Statuen nach, hatten erstaunlich viel Spaß und schossen unzählige Fotos. All diese hier abzubilden, würde den Rahmen sprengen, sodass die paar Fotos für einen kleinen Einblick ausreichen sollten.

Neben den bereits genannten Künstlern begeisterten uns die sehr realistisch gemalten Bilder noch weitaus mehr. Besonders die Gesichtszüge von portraitierten Personen sahen 1 zu 1 wie Fotografien aus, während manch ein gemaltes Kleid so wirkte, als könne man den Samtstoff anfassen und fühlen. 

Noch nie war ich so beeindruckt von Gemälden, wie zu diesem Zeitpunkt an dieser Stätte. Es hätte nicht mal den Audio Guide (Audioführung) benötigt, um auf die besonderen Feinheiten einzelner Werke aufmerksam zu werden.

Insgesamt verbrachten wir fast 3 Stunden in diesem Museum und bereuten es nicht, hergekommen zu sein.

Anschließend führte uns der Weg wieder in die Innenstadt Wiens, wo wir bereits gestern Nacht unsere Runden gedreht hatten. Zuerst besuchten wir den Stephansdom, in den wir nun auch eintreten konnten. Ehrlicherweise haben wir mit mehr Prunk und Gold gerechnet, enttäuscht waren wir dennoch nicht. Auf dem Weg in Richtung des nur 58 Meter hohen Nordturms ereignete sich nämlich eine kleine Besonderheit. Als zwei herauskommende Besucher bemerkten, dass wir über den Eintrittspreis für die Fahrstuhlfahrt nach oben (je 6 €) grübelten, drückten sie uns ihre Tickets in die Hand. Deren Worte „Die wurden nicht entwertet und sind vielleicht noch gültig“ machten uns Hoffnung und siehe da: Wir durften in den kleinen Lift einsteigen, ohne dass die Tickets kontrolliert wurden.

Oben erreichten wir eine Aussichtsplattform, die eng um den Turm herum gelegen war. Dieser kleinste Turm des Stephansdoms wurde nie fertiggestellt, während der Südturm ganze 136 Meter misst. Der Ausblick war trotzdem sehr schön, doch durch den unerwartet starken Wind war der Genuss nicht von langer Dauer. 

Wenige Minuten später waren wir wieder auf dem Weg nach unten. Dort versuchten wir, die Tickets jungen Leuten in der Warteschlange zu schenken, die jedoch sehr skeptisch dreinschauten. Egal, Hauptsache jeden Tag eine gute Tat.

Gegen 17 Uhr erreichten wir den kleinen Burggarten, wo wir uns für eine kurze Pause hinsetzten und den vielen jungen Menschen auf ihren Picknickdecken einfach nur zuguckten. So langsam trat wieder Müdigkeit, Hunger und schlechte Laune in unseren Tag ein, sodass wir uns dafür entschieden, bald weiter Richtung Rathaus und Universität zu ziehen. Dort befand sich das Veranstaltungsgelände des größten Austragungsortes des Wings for life World Runs. Insgesamt 13.500 Teilnehmer mussten mit Startnummern, Startbeuteln, Event-Shirts und Werbegeschenken versorgt werden.

Am pompösen Rathaus vorbei führten uns die Pfeile zunächst in den alten Innenhof der Universität. Hier wurden wir im Uhrzeigersinn links herum geleitet und erhielten zunächst unsere Startnummern. Im Gegensatz zu Zadar, wo wir aufgrund eines Missverständnisses unsere Nachnamen unter den Nummern abgedruckt hatten, standen nun gut lesbar Sophie und Patrick darauf.

Anschließend holten wir uns ein paar Flaschen Energygetränk und zwei Dosen Red Bull ab, bevor es schicke, blaue Funktionsshirts von Jack & Jones mit Event-Logo gab. Da wir die gewünschten Größen im Vorfeld angegeben hatten, passten die Shirts wie angegossen. Ohne zu zögern warf ich mir dieses über und stolzierte damit herum, wie mit einer Trophäe.

Als wir schließlich auch unsere Kleiderbeutel hatten, verließen wir den Innenhof, gingen zurück zum Rathauspark und knipsten noch ein Foto vor den gefürchteten Catcher Cars, die uns morgen mal früher und mal später überholen würden.

Zurück im Hotel fing die Abendplanung samt Restaurantsuche an. Wir entschieden uns recht bald dafür, dass wir wieder die Ecke unseres gestrigen Restaurants ansteuern und – falls wir nichts Anderes finden – auf dieses ausweichen. In der näheren Umgebung sollte es aber auch andere Lokale geben, teilte uns Google mit.

Als wir unser Hotelzimmer nach einer kurzen Pause wieder verließen, wurde eine Sache schlagartig spürbar: unsere Körper waren extrem k.o.!

Meine Beine wollten nicht mehr so recht einen Schritt vor den anderen setzen und auch der Kopf schmerzte ein wenig. Das waren keine guten Voraussetzungen für eine starke Leistung am morgigen Tag. Andererseits will ich die Erlebnisse der ersten knapp zwei Tage auch nicht missen. Also lieber nicht länger darüber nachdenken und von einem leckeren Abendessen träumen.

Das erste Lokal, das wir ansteuerten, war zwar geöffnet, aber dunkel, vollgequalmt und menschenleer. Ob wir hier leckere und gesunde Pasta kriegen würden, bezweifelten wir. Also drehten wir noch im Türrahmen um und schlenderten weiter durch die Straßen. Kurz bevor die Entscheidung zugunsten des Wiener Deewans gefällt werden konnte, kamen wir an die große Währinger Straße, drehten uns nach links um und schauten auf ein großes, modernes Restaurant namens Sägewerk.

Ob hier großzügige Pasta-Gerichte zu bezahlbaren Preisen angeboten wurden, konnten wir noch nicht erahnen. Trotzdem riskierten wir einen Blick hinein und waren von dem offenen, hölzernen Ambiente sehr positiv angetan. Als wir einem der vielen freien Tische zugewiesen wurden, erkannten wir das Konzept des Sägewerks: Es gab Bausatz-Gerichte! Jeder wählte eine Grundlage aus Nudelsorte und Soße und konnte sich 4 aus 35 zusätzlichen Zutaten hinzuwählen, die im Preissegment von 5,20 € bis 7,70 € mit inbegriffen waren. Richtig cool!

Nach der Qual der Wahl wurde das Essen schnell zubereitet und sah zudem sehr lecker aus. Die beiden großen Portionen reichten perfekt aus, denn meinen etwas größeren Hunger stillte ich mit Sophies letztem Pasta-Rest. Und so machten wir uns gestärkt aber müde auf den Weg zurück ins Hotel, wo wir recht bald in unser Bett plumpsten und schnell einschliefen.

 

Sonntag, der 06.05.2018

Vorher

Am nächsten Morgen versuchten wir so lange wie möglich zu schlafen und waren erstaunt, dass wir trotz angrenzender Gemeinschaftstoilette erneut nicht eher geweckt wurden. Um 10 Uhr gingen wir hinunter zum Frühstücksbüffet und gönnten uns einen entspannten Start in den Tag.

Erst nach 11 Uhr gingen wir wieder aufs Zimmer und bereiteten uns in Ruhe auf den weltweiten Wettlauf vor, der hier in Wien um 13 Uhr beginnen sollte. Ich war bereits extrem aufgeregt und glaubte, dass auch Sophie zunehmend nervöser wurde. Sie wollte den Lauf ganz entspannt in Angriff nehmen, die Stimmung und Umgebung genießen und ohne allzu großer Zielvorgaben so weit wie möglich laufen. Zwei Jahre zuvor ist sie in Zadar auf eine Gesamtdistanz von 15,57 km gekommen. Zwar herrschen heute ähnlich warme Bedingungen, doch der Streckenkurs gilt als besonders schnell. Wir durften also gespannt sein.

Nach einem letzten Foto zu zweit auf unserer Terrasse entschieden wir uns, die Handys im Hotel zurückzulassen und das Event ohne jegliche Wertsachen zu genießen. Unsere Tagesplanung sah vor, dass Sophie nach dem Ende ihres Laufs mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurück zum Hotel gelangt, sich schon mal duschen kann und anschließend zu meinem prognostizierten Ende zurück zu unserem Treffpunkt am Rathaus kommt. Nach maximal 4 Stunden Laufzeit rechnete ich mit mindestens 1 Stunde Rückreise, sodass wir etwa 18 Uhr ausmachen konnten.

Gegen 12:30 Uhr kamen wir an der breiten Startgeraden vor dem Rathausplatz an und waren baff darüber, wie viele Menschen plötzlich vor Ort waren. Insgesamt 13.500 Läufer sollen sich für diesen Tag angemeldet haben und das spürten wir vor allem an den langen Warteschlangen vor den Dixi-Klos. Obwohl wir soeben noch im Hotel „ums Eck“ waren, stellten wir uns in eine der kürzeren Warteschlangen und tranken währenddessen unsere Wasserflasche leer.

Gut 15 Minuten vor dem Startschuss war auch dieser Punkt erledigt, sodass wir uns noch ein paar Meter warmlaufen und ein paar Minuten dehnen konnten. Dann stand uns der Zeitpunkt des Abschieds bevor. Während ich mich im vordersten Startblock ganz nach vorne mogeln wollte, musste Sophie sich in den 3. Startblock begeben. Wir drückten uns nochmal ganz fest, wünschten uns gegenseitig ganz viel Spaß und nach einem letzten Kuss war es soweit: Ab in die Menschenmassen!

Mit wenigen Minuten Puffer vor dem globalen Startschuss um 13 Uhr kam ich ganz vorne an und positionierte mich mittig in der zweiten Reihe von vorne. Wenn ich mir nachträglich die Bilder des Starterfeldes anschaue, wird mir ganz bange. Sooo viele Läufer hatte ich selten hinter mir.

Was in diesem Moment besonders spannend war, waren die ganzen Kameras und Reporter, die vor uns Läufern auf und ab liefen und für einen spannenden Live-Stream sorgten. Unter anderem waren einige Rollstuhlsportler im Fokus, für deren Behandlung dieses Ereignis überhaupt erst ins Leben gerufen wurde. Wie eingangs bereits erwähnt, fließen 100 % aller Einnahmen in die Rückenmarkforschung. Und da auch ich direkt hinter einem Rollstuhlfahrer stand, hat die Kamera vermutlich auch mein Gesicht eingefangen. 

Nach der ganzen Aufregung kam es endlich zum Höhepunkt und der Countdown wurde angestimmt. Die Zahlen von 10 bis 1 wurden unter lautem Klatschen mitgerufen und man merkte den Teilnehmern die nervöse Vorfreude auf die Verfolgung durch das Catcher-Car an.

… 3 … 2 … 1 … Los geht’s!

 

Der Lauf

Wie von der Tarantel gestochen flitzten alle Läufer los. Das Anfangstempo war höllisch schnell und ich wusste, dass es einige Zeit dauern wird, bis sich die Spitzenläufer etwas beruhigen würden. Permanent überholten mich schnelle Sprinter, die schon wenige Minuten später erschöpft zurückfielen und sich im Läuferpulk hinter mir einsortierten. Gefühlt waren über 50 Läufer vor mir, darunter auch einige schnelle Frauen. Geplant war dennoch eine Platzierung unter den Top-20, also durfte ich gespannt sein, wie sich das Rennen gestalten würde.

Noch machte ich mir keine Sorgen darüber, denn ich wusste, dass meine Erfahrung zu einer positiven Renneinteilung führen sollte. Ich konzentrierte mich somit zunächst auf meinen ganz eigenen Rhythmus.

Die ersten vier Kilometer führten über mehrspurige Straßen im Uhrzeigersinn um die Innenstadt herum und je Kilometer wurde ich zum Glück jeweils 5 Sekunden langsamer (KM 1 bis 4 in 03:35 min, 03:40 min, 03:45 min und 03:50 min).

Der rechte Streckenrand war aufgrund der Innenkurve nicht nur der kürzere Weg, sondern dank vieler großer Bäume auch der schattigere. Und Schatten war durchaus wichtig, denn die Sonne würde den gesamten Tag mit fast 25°C auf uns niederscheinen. Was für Zuschauer prächtig ist, sorgt bei Läufern, die in den letzten Wochen bei weitaus niedrigeren Temperaturen trainiert haben, zu Problemen.

Auf den folgenden drei Kilometern war es um mich herum immer noch recht unruhig, jedoch orientierte ich mich nun an den führenden zwei Frauen, die scheinbar ihre persönlichen Tempomacher bei sich hatten. In diesem kleinen Grüppchen aus vier-fünf Läufern fühlte ich mich recht wohl und nutzte daher ein wenig deren Windschatten (KM 5 bis 7 in 03:49 min, 03:58 min und 03:56 min).

Am südwestlichsten Punkt des Kurses angekommen, sollten wir zunächst zweimal rechts abbiegen, bevor es wieder in die Innenstadt hineinführte. Dabei musste mitunter ein knapp 300 Meter langer, leichter Anstieg bewältigt werden, der sich in der Kilometerzeit widerspiegelte (KM 8 in 04:08 min). Zum Glück ging es dahinter wieder leicht bergab in eine schöne, breite Fußgängerzone hinein (KM 9 in 03:48 min und KM 10 in 03:41 min). Diese war merkwürdigerweise nicht so belebt, wie ich es zu dieser Tageszeit erwartet hätte. Erst dann fiel mir wieder ein, dass bereits Sonntag war und die Geschäfte daher geschlossen hatten.

Durch die etwas unrhythmischen Abschnitte änderte sich die Konstellation unserer Gruppe, sodass wir mit der führenden Frau und ihrem Tempomacher fortan nur noch zu dritt unterwegs waren. Bei KM 11 und 12 wurde es wieder richtig stimmungsvoll, als wir auf die breite Startgerade einbogen und gefühlt zwischen tausenden Zuschauern hindurch liefen (in 03:49 min und 03:48 min). Diese Streckenplanung war durchaus klug gewählt, denn diesen Punkt erreichen selbst die normal trainierten Hobbyläufer. So darf sich jeder nochmal ordentlich bejubeln lassen, bevor gewisse Zeit später das Catcher Car zum Überholvorgang ansetzt.

Ich nutzte die Gelegenheit ebenfalls und forderte bei den Zuschauern mit wild winkenden Armen noch lauteren Applaus. Dabei zeigte ich mitunter auf die führende Frau im Teilnehmerfeld, denn ihr sollte der Beifall genauso gelten.

Dann wurde es abrupt wieder ruhig und wir steuerten auf ein dicht bewohntes Stadtviertel zu, durch das wir einen knapp drei Kilometer langen Schlenker laufen mussten (KM 13 bis 15 in durchschnittlich 03:54 min/km). Es folgte erneut ein Abschnitt, den wir schon zu Beginn des Rennens einmal gelaufen sind, womit sich dann der innerstädtische Teil des Kurses allmählich dem Ende neigte. Wir erreichten die etwas grüneren Flecken Wiens und näherten uns etappenweise der Donau (KM 16 in 03:57 min und KM 17 in 03:56 min).

Dass an diesem Punkt bereits der letzte Kilometer unter 4 min hinter mir lag, ahnte ich noch nicht. Es wurde langsam aber sicher spürbar schwerer, das flotte Tempo zu halten. Die brennende Sonne machte es uns zudem nicht leichter und auch der Schatten rings um die Gebäude und Bäume half kaum. 

Doch noch wollte ich keine negativen Gedanken zulassen und so freute ich mich vielmehr auf die bevorstehenden Höhepunkte wie die Donauinsel und den Donauradweg, den wir belaufen würden. Bis einschließlich der Halbmarathonmarke konnte ich ein durchschnittliches Tempo von 04:03 min/km halten und so standen nach 21,1 km insgesamt 01:21:53 Std. zu Buche.

Nachdem am östlichsten Punkt des Kurses die Autobahn A23 zweimal unterquert wurde, ging es wieder Richtung Nordwesten unter anderem am Ernst-Happel-Stadion vorbei und über die Arenawiese. Ziel war der Wiener Prater mit seinem berühmten Riesenrad, bevor der Streckenverlauf uns im großen Kreisverkehr Praterstern über die zweite Ausfahrt schnurstracks auf die Donauinsel hin lotste (KM 22 bis 25 in durchschn. 04:05 min/km).

Quelle: Wiener Tourismusverband
Quelle: Wiener Tourismusverband

Die imposante Reichsbrücke leitete mich förmlich in die moderne Skyline Wiens hinein und der Ausblick war so einzigartig, dass mir ein wenig der Atem wegblieb. Dieses Panorama durfte ich inzwischen allein genießen, da die führende Frau sich leider zurückfallen lassen musste.

In diesem Moment dachte ich an Sophie, die ihr Rennen wahrscheinlich bereits beenden musste. Schade, dass sie diese Stelle des Kurses nicht miterleben konnte, denn dies bleibt mir als ein besonderer Höhepunkt sicher lange in Erinnerung. Ich nahm es also gern in Kauf, dass der Anstieg zur Brückenmitte hier etwas Kraft und Zeit gekostet hatte (KM 26 in 04:23 min).

Nach Überquerung der Donauinsel wurden die Stadtteile Kaisermühlen und Bruckhaufen erreicht, wo die Arbeiterstrandbadstraße in einem Bogen an der Alten Donau entlangführte. Aufgrund des guten Wetters herrschte hier reger Betrieb durch Badegäste, die mit ihren Autos die nicht abgesperrte Straße befuhren. Es störte zwar ein wenig, konnte aber nicht vermieden werden. Unterdessen sind die Lücken zwischen den Läufern nämlich so beträchtlich geworden, dass Passanten gar nicht bemerkten, dass es sich um eine große Laufveranstaltung handelte.

Auf den fünf Kilometern zwischen KM 27 und 31 konnte ich noch eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 04:13 min/km halten. Motivation erhielt ich durch einen recht jungen Läufer vor mir, dem ich langsam näherkommen und den ich schließlich auch überholen konnte. Bei ihm hat der Mann mit dem Hammer scheinbar eher angeklopft.

Bei KM 31,5 bestand im Übrigen die letzte Möglichkeit, nach der Überholung durch das Catcher Car mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurück zum Startgelände zu fahren. All diejenigen, die später ausscheiden, durften im Shuttle-Bus mitgenommen werden. Mein Ziel war es selbstverständlich, zu diesen elitären Sportlern zu zählen, denn dieser besondere Service nach einem harten Rennen hat mir in Zadar auch schon Spaß gemacht.

Mit der Überquerung eines kleinen Teils der Donau war schließlich die Donauinsel erreicht, der ich bereits entgegenfieberte. Hier war es dank einiger Sträucher an manchen Stellen wieder etwas schattiger. Der Sonne-Schatten-Wechsel machte einem aber erst bewusst, wir brütend heiß es mittlerweile geworden war und wie sehr einem diese Bedingungen zu schaffen machten. Die Getränkestationen waren zudem rar gesät, denn nur alle 5 km gab es eine Auswahl aus Wasser, Red Bull und einem Iso-Getränk. Das war für meinen Geschmack etwas zu selten.

Die Donauinsel – so schön sie auch war – stand symbolisch für den Wendepunkt meines Rennens: Der Mann mit dem Hammer klopfte spürbar an, denn mein Tempo wurde sukzessive langsamer und die Beine immer schwerer (KM 32 bis 38 in 04:30 – 04:59 min/km).

Mit Erreichen der nördlichsten Spitze der Donauinsel wechselte ich über eine flache Brücke zurück aufs Festland und steuerte langsam aber sicher auf die Marathon-Marke zu. Und „langsam“ war leider wörtlich zu nehmen, denn die Abwärtsspirale ließ nicht nach (KM 39 bis 41 in 05:12 min/km, 05:07 min/km und 05:11 min/km).

Über sehr sonnige Abschnitte ging es nun am westlichen Donauufer weiter Richtung Norden. Bei KM 42 (in 04:51 min) zückte ich ein Energiegel, das ich von Beginn an in der kleinen Tasche meiner Laufhose dabei hatte. Als ich es hinuntergeschluckt hatte, spülte ich mit einem Becher Wasser vom nächsten Verpflegungsstand nach. Den Marathon absolvierte ich schließlich in akzeptablen 02:57:17 Stunden, wobei die zweite Hälfte mit 01:25:24 Std. genau 03:31 min langsamer als die erste war.

Von nun an galt mein Fokus der 50-km-Barriere, die ich mir so sehr wünschte und schon in Zadar gern geknackt hätte. Wenn das Glück auf meiner Seite ist, müsste ich es schaffen. Und eine kurze Zwischeneuphorie machte mir zusätzliche Hoffnung, denn auch KM 43 und 44 konnte ich jeweils knapp unter 5 Minuten drücken (in 04:49 min und 04:50 min).

Es folgte der Ort Korneuburg, der zwischendurch für willkommene Abwechslung sorgte. Dank eines kurzen Schlenkers lief ich in das Ortsinnere und entfernte mich somit von der Donau, bevor es wenig später wieder zurück zum dortigen Hafen ging. An diesem Punkt stießen ein-zwei Radfahrer zu mir hinzu und fragten, ob sie mich mit einem Getränk versorgen dürften. Selbstverständlich fragte ich nach Wasser und erhielt eine leicht gekühlte Flasche gereicht. Wahnsinn! Mit diesem Service hatte ich gar nicht gerechnet, jedoch war dies genauso geplant: Ab einem bestimmten Punkt wurden die regelmäßigen Verpflegungsstände nämlich durch Radfahrer ersetzt, da es nur noch wenige Läufer zu versorgen gab.

Wie viele Konkurrenten nun genau vor mir waren, konnte ich nicht erahnen, aber meine anfangs anvisierte Top-20-Platzierung müsste noch knapp drin sein. Nichtsdestotrotz haben bereits beide Beine so dicht gemacht, dass es einfach immer langsamer wurde und ich jeglichen Spaß am Lauf verlor (KM 45 bis 47 in 05:05 min, 05:21 min und 05:31 min). Motivierende Radfahrer hin oder her, jetzt war die Luft endgültig raus, aber 3 km lagen noch mir.

Als es plötzlich um mich herum etwas unruhiger wurde, weil weitere Radfahrer an mir vorbeirauschten, bekam ich es mit der Angst vorm Catcher Car zu tun. Ich drehte mich um, entdeckte dieses aber noch nicht, was damit zusammenhing, dass die Donau zuletzt in einem langen Bogen verlief und ich nicht einfach geradeaus nach hinten schauen konnte. Doch die Zeichen waren eindeutig, allzu lange würde es nicht mehr dauern.

Da man beim Catcher Car nicht von einem psychologischen Vorteil sprechen kann und dieses nicht plötzlich beschleunigen kann, durfte ich mich so häufig umdrehen, wie ich wollte. Und ich tat es! Dabei müsste ich mich vielmehr auf die letzten Kilometer konzentrieren.

KM 48 packte ich in akzeptablen 05:01 min und wenige Minuten später hörte ich in weiter Entfernung hinter mir das erste Hupen. Aus entfernten Hup-Geräuschen wurde dann recht bald ein Hup-Konzert: das Catcher Car kündigte sich an! Und wo war das KM-49-Schild?

Nach ewig langen 05:21 min hatte ich endlich auch KM 49 erreicht, doch genau 1 km fehlte mir noch. Wie viel Zeit blieb mir hierfür? Drei-vier Minuten oder doch nochmal fünf? Ich ahnte bereits Böses, denn die Geschwindigkeit meines Verfolgers war so hoch, dass der Abstand zueinander hörbar kleiner wurde.

Beinahe kapitulierend sammelte ich noch ein paar hundert Meter auf mein Konto und wurde schließlich vom laut hupenden Catcher Car erreicht. In dem Augenblick, als er mich überholte, mussten beide Parteien sehr vorsichtig sein, denn die Uferpromenade war kaum breiter als das Auto, das seine Geschwindigkeit nicht drosseln durfte. Ich sprang förmlich nach rechts in einen kleinen Graben mit Geröll, um von der Zeitmessantenne des Autos nicht an der linken Schulter erwischt zu werden.

Nach insgesamt 49,56 km hatte der erbitterte Kampf „Mensch gegen Maschine“ endlich ein Ende und ich ließ mich zu Boden fallen. Das war’s … es fehlten NUR 440 Meter … was soll ich dazu noch sagen?

 

Nachher

Im nächsten Moment versorgten mich die jungen Radfahrer mit einigen Getränken meiner Wahl. Natürlich entschied ich mich unter anderem für eine kühle Cola, die eine große Belohnung für die Strapazen darstellte. Ich blieb eine Zeitlang auf dem warmen Asphalt sitzen, bevor ich mich fragend aufrichtete und nach dem Weg zum Shuttle-Bus erkundigte. Dieser sollte nur wenige hundert Meter weiter oberhalb der Uferpromenade auf uns warten und anschließend den nächsten Läufern hinterherfahren.

Auf dem beschwerlichen Fußweg zum Bus sammelte ich mitunter den Vor-Mir-Platzierten ein, der nur 310 Meter mehr als ich geschafft hat. Wie ich später leidig erfahren musste, trennten mich diese 310 Meter von einer traumhaften Top-10-Platzierung. Nunja, was soll’s, dann muss ich halt irgendwann nochmal beim Wings For Life World Run antreten …

Als die Organisatoren feststellten, dass der Neuntplatzierte fast 3 km mehr auf dem Tacho haben würde, entschieden sie sich, den halbvollen Shuttle-Bus mit 6-7 Finishern schon jetzt zurück zum Veranstaltungsgelände am Rathaus zu schicken. Mir sollte es recht sein, denn so würde ich Sophie eher wiedersehen können.

Nach einer gefühlt halbstündigen Fahrt in einem viel zu kalt klimatisierten Bus stiegen wir wieder aus und erlebten dabei eine Hitzewelle, wie man sie sonst nur beim Ausstieg aus dem Flugzeug im Urlaub kennt. Puuh, und bei diesen Temperaturen haben wir Höchstleistungen erbracht.

Mit schweren Beinen stapfte ich langsam in Richtung der Bänke, die wir vor dem Start als Treffpunkt ausgemacht hatten. Und obwohl es voller bunt gekleideter Menschen nur so wimmelte, entdeckte ich Sophie recht schnell und fiel ihr sogleich in die Arme. Wir umarmten uns eine ganze Zeit lang und gratulierten uns natürlich gegenseitig für die Erfolge – ganz ungeachtet der selbst gesteckten Ziele. Nachdem Sophie von mir erfuhr, dass es mit den 50 km leider nicht geklappt hat, teilte sie mir mit, dass sie sich im Vergleich zu Zadar deutlich auf 17,01 km verbessert habe. Richtig stark!

Schließlich lagen wir uns nochmal in den Armen und erst dann fiel mir auch die schöne Finisher-Medaille auf, die bereits um ihren Hals baumelte. Diese wollte ich natürlich auch noch gern umgehängt bekommen, bloß wussten wir nicht, wo es noch welche gab. Nach einigem Durchfragen fanden wir den Weg zu einem Pavillon, wo diese an die Finisher verteilt wurden. 

Und erst dann ging es langsamen und schmerzhaften Schrittes zurück zu unserem kleinen Hotelzimmer, wo ich mich riesig auf die wohltuende Dusche freute. Worauf ich mich wiederum weniger freute, war der Sonnenbrand auf meinem Rücken, den ich naiver Weise vorher nicht eingecremt hatte. Naja, da musste ich jetzt durch.

Während wir uns fertig machten, schmiedeten wir schon erste Pläne, wo es für uns nach einer kurzen Pause zum Abendessen hingehen sollte. Tatsächlich tendierten wir beide zu einem: dem Sägewerk! Bloß sollte es keine Pasta, sondern vielmehr etwas Ungesunderes geben, z.B. Pizza.

Gegen 20 Uhr stapften wir los und waren uns nicht ganz einig darüber, ob und welches Verkehrsmittel wir nehmen sollten. Wir entschieden uns zwar für die Tram, brauchten aber genauso lang, wie wenn wir direkt gegangen wären. Nun waren wir ja bereits viele Kilometer gelaufen, also wollten wir es am späten Abend nicht noch weiter ausreizen.

Ganz gut gelaunt und vorfreudig aufs Essen kamen wir eine halbe Stunde später an und hatten kurz vor 21 Uhr unsere Entscheidung gefällt: Sophie gönnte sich eine große Kartoffelpfanne mit Champignons, echtem Schinken, Mais und Oliven, während ich meine große Pizza mit echtem Schinken, Mozzarella, Spinat und Ei belegen ließ. Das Essen kam schnell und war unglaublich lecker. Zudem waren die Portionen ordentlich groß, sodass ich neben der Pizza auch wieder den Rest von Sophies Kartoffelpfanne essen durfte.

Nach einem entspannten Spaziergang zurück zum Hotel fielen wir todmüde in unser Bett und schliefen am nächsten Morgen maximal aus. 

 

Montag, der 07.05.2018

Erst gegen 10 Uhr mühten wir uns irgendwie aus dem Bett, packten unsere kleinen Koffer voll und gingen hinunter zum letzten Frühstück des Kurzurlaubs. Kurz nach 11 Uhr checkten wir aus und ließen unser Gepäck wieder im kleinen Büro hinter der Rezeption zurück. Ein halber Tag für ein paar letzte Sehenswürdigkeiten blieb uns noch und diesen wollten wir gern so unbeschwert wie möglich verbringen.

Auf meiner Wunschliste stand noch eine originale Sachertorte, die wir uns aber erst am Nachmittag gönnen wollten. Zuvor zog es uns in das Museum der Hofburg, das wir erneut mit einem Audi Guide (Audioführung) durchliefen. Neben prunkvollem Porzellangeschirr gab es goldene Kerzenleuchter, alte Kleider und große Gemälde zu bestaunen. Der Höhepunkt waren schließlich die Räumlichkeiten, in denen sich unter anderem Sisi und Franz aufgehalten haben, wie z.B. das Toilette- und Turnzimmer der Kaiserin.

Nach anderthalb Stunden in geschlossenen Räumen wollten wir die nächste Zeit lieber wieder im Freien verbringen und so spazierten wir entspannt zum 600 Meter entfernten Café Sacher. In so noblem Ambiente fühlten wir uns beinahe etwas fehl am Platz, riskierten es dann aber doch, nur ein Stück der berühmten Sachertorte zu bestellen. Bei 7,10 € pro Stück wäre uns ein zweites schlichtweg zu teuer. Doch zugegebenermaßen war es das Geld wert, denn selten zuvor hatte ich so bewusst so leckeren Schokokuchen gegessen.

Da uns die Sonne und die fast 30°C dann doch eher an Eis statt Kuchen erinnerten, führte kein Weg daran vorbei, sich noch mindestens zwei Kugeln davon zu bestellen. Wir spazierten einfach drauf los, passierten einige Denkmäler und Statuen, entdeckten eine nette Eisdiele und entspannten die letzten Minuten im sonnigen Burggarten, wo wir bereits vorgestern kurze Zeit gewesen sind.

Kurz nach 14 Uhr liefen wir langsam zurück zu unserem Hotel, wo unsere Koffer auf uns warteten. Anschließend ging es um 15:00 Uhr mit der U-Bahn U2 vom Volkstheater zum Praterstern und von dort mit der S-Bahn S7 in einer halben Stunde weiter zum Wiener Flughafen. Dort angekommen hatten wir noch eine gute Stunde Zeit bis zu unserem Rückflug nach Hamburg um 16:50 Uhr.

In diesem Moment wurde uns nochmal bewusst, wie viel wir in den letzten 3,5 Tagen erleben und sehen durften. Es waren aufregende Tage in einer der schönsten Städte, die wir je bereist haben. Dazu dieses dauerhafte Traumwetter und ein anstrengender Ultramarathon mehr in meiner Liste.

Wien bleibt uns in allerbester Erinnerung!

 

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

 

Globale Platzierung

49,56 km

 

03:34:39 Std.

 

03:34:39 Std.

 

Männl. Hauptklasse (89-98)

 

3. von 1.061 (0,3 %)

 

11. von 6.341 (0,2 %)

 

11. von 12.067 (0,1 %)

 

77. von 62.955 (0,1 %)