RWE Halbamarathon Neuenkirchen

18.10.2014

Vorher

Ganze 937 Tage sind seit meinem letzten schnellen Halbmarathon vergangen und ganze 937 Tage ist meine Bestzeit somit nun alt! Das sind knapp 134 Wochen …

Seit dem schnellen Venlo Halbmarathon 2012 bin ich lediglich einen sehr hügeligen "Halben" im mexikanischen Zacatecas und einen Hitze-Halbmarathon in Ibbenbüren gelaufen. Beide Orte waren nicht die besten Adressen für Bestzeiten und so will ich nun die monoton flache, aber hoffentlich schnelle Strecke des VORWEG GEHEN Halbmarathons in Neuenkirchen nutzen, um endlich unter 79 oder gar 78 Minuten zu bleiben.

Außerdem reizt mich ein Start bei dieser Veranstaltung, da hier in diesem Jahr die Niedersachen- und Bremen-Meisterschaften ausgetragen werden. Dies verspricht starke Konkurrenz und schnelle Zeiten, sehr gut! Insgesamt haben sich 15 Läufer mit Bestzeiten unter 01:15:00 Std. vorangemeldet - zwar eine Leistungskategorie zu stark für mich, aber dennoch Motivation genug. Zusätzlich fällt der Druck von mir, hier eine gute Altersklassen-Platzierung zu ergattern, da ich hierfür sicher noch ein wenig zu langsam bin. Die Vorzeichen sind somit mehr als gut und so fahre ich am Samstagvormittag ausgeschlafen mit meinen Eltern ins 20 Kilometer entfernte Neuenkirchen.

Hier ist um kurz vor 13:30 Uhr bereits einiges los. Der Parkplatz auf einem benachbarten Acker ist schon gut gefüllt und auch im Anmeldebereich bildet sich eine Stunde vor dem Start eine kurze Warteschlange. Während meine Eltern noch ein wenig spazieren gegangen sind, nutzte ich diese knappe Stunde zum Aufwärmen und Quatschen. Wie üblich hatten auch meine Läuferkollegen ihre Wehwehchen und stapelten gewohnt tief. Meine heutige Ausrede für ein schwaches Rennen wäre gewesen, dass ich in der letzten Woche nur ein einziges Mal 10 km im 06:00-min-Schnitt gelaufen bin. Das kann sich entweder positiv oder negativ auswirken … mal sehen, was der Kopf draus macht.

Die Müdigkeit endlich aus den Beinen rausgelaufen dehnte ich mich noch ein wenig und verabschiedete mich von meinen Eltern. Sie drückten mir die Daumen und versprachen, nach der ersten Runde Fotos von mir zu machen.

Die Strecke ist nicht sonderlich interessant, aber gewiss schnell. Nach einer 11 km langen Runde passiert man den Start-Ziel-Bereich und begibt sich dann auf eine 5 km lange Wendepunktgerade. Außer einer leichten Steigung bei KM 6 soll der Streckenverlauf topfeben sein und auch das Wetter spielt einigermaßen mit. Bis auf eine ordentliche Portion Wind ist es mit Sonnenschein und 16°C ideal für meinen Geschmack.

Durch das zunehmende Gerangel im Startblock vermischt sich die Vorfreude nun mit Nervosität. Noch 30 Sekunden bis zum Start. Beine sind locker, Schuhe mit Doppelknoten geschnürt, Kopf und Seele sind wach, was soll jetzt noch passieren? Noch 5 … 4 … 3 … 2 … 1 … Auf geht’s! Insgesamt 211 Läufer stürmen los wie die Wilden.

Der Lauf

Nach nur 200 Metern setzte sich eine große Gruppe mit knapp 20 Läufern ab und sprengte eine erste kleine Lücke, die für mich im weiteren Verlauf nicht mehr ganz zuzulaufen war. Rings um mich herum waren noch drei-vier Läufer, an denen ich mich nun zwecks Windschatten orientieren wollte.

Kurz vor KM 1 merkte ich, wie meine Uhr spinnte, denn 02:59 min für die ersten 1000 Meter sind wahrlich unmöglich. So drückte ich auf ‚Reset‘ und startete sie bei KM 1 nochmal von neu. Das Tempo fühlte sich gut an, obwohl es etwas zu flott war. Anvisiert war ein Schnitt von 03:40 min pro Kilometer, was auf eine Endzeit von 01:17:30 Std. hinauslaufen würde. Aber absichtlich zurückfallen lassen wollte ich mich nun auch nicht mehr.

KM 2 (03:32 min) und KM 3 (03:39 min) verliefen weiterhin nach Plan und eine Art Rhythmus war schnell gefunden. Leider zogen dann zwei von meinen drei direkten Konkurrenten das Tempo an und rissen eine kleine Lücke auf. Kurz nach KM 4 (03:33 min) musste dann auch mein dritter Kontrahent federn lassen, sodass mein gewünschtes Windschatten-Laufen damit vorerst endete. Seitdem kämpfte ich mich alleine gegen den Wind. Begleitet wurde ich stets durch die Schritte und das Schnaufen der anderen Läufer vor und hinter mir, denn die Lücken waren meist nicht sehr groß.

Als es bei KM 5 (03:40 min) und KM 6 (03:42 min) spürbar leicht bergauf ging, näherte ich mich bereits dem ersten Läufer, der anfangs zu flott angegangen ist. Bergab nutzte ich diese Motivation und überholte ihn schnellen Schrittes (KM 7 in 03:27 min). Er versuchte noch, an mir dranzubleiben, doch musste er einen knappen Kilometer später aufgeben und sich zurückfallen lassen.

Nach zwei weiteren anstrengenden Kilometern (KM 8 in 03:31 min, KM 9 in 03:36 min) näherten wir uns wieder dem Start-Ziel-Gelände und konnten die folgenden 2 km mit Rückenwind genießen. Auf diesem Stück näherte ich mich den beiden anfangs entlaufenen Konkurrenten Sekunde um Sekunde und war recht optimistisch, diese nach weiteren 2-3 km eingeholt zu haben. Überraschenderweise stieg der jüngere der beiden aber kurz vor dem 11. Kilometer-Schild aus dem Rennen aus. Nun war ich gespannt, auf welchem Gesamtrang ich lag, und hoffte, dass meine Mutter mitgezählt hat.

Auf Höhe der Startlinie schnappte ich ein zweites Mal an diesem Tag zu einem Becher Wasser, goss mir ein bisschen was in den Mund und den Rest einfach ins Gesicht und schaute mich dann nach meinen Eltern um. Während der Moderator meinen Namen rief, entdeckte ich meine Mutter am linken Streckenrand neben mir herlaufend und mir zurufend, dass ich Gesamt-Siebzehnter war. Cool!! Mit Top-20 habe ich gar nicht gerechnet! Und es fühlt sich immer noch alles gut an, vielleicht wird das noch was mit einer Top-15-Platzierung, dachte ich mir.

Die nun anstehende Wendepunktgerade verlief zu Beginn gegen den Wind. Das erschwerte mein Vorhaben, mich an meinen Vordermann heranzupirschen. Es hat somit weitere vier Kilometer gedauert, bis ich den Gesamt-Sechzehnten eingeholt hatte (KM 12 in 03:31, KM 13 in 03:36, KM 14 in 03:34, KM 15 in 03:37). Leider bin ich ihm zu diesem Zeitpunkt leicht in die rechte Hacke getreten und musste mich dafür entschuldigen. Normalerweise wünschte ich mir, dass mir sowas nie passieren würde, aber zum Glück ist alles gut gegangen. Er sagte mir noch, ich solle ihn überholen, wenn ich kann. Aber ich konnte nicht! Noch nicht …

Etwa 50 Meter vor uns laufend sahen wir den Bremen-Marathon-Sieger von vor zwei Wochen. Na wenn das kein Anreiz ist?! Meinem Kontrahenten sagte ich, dass wir uns diesen Läufer auf dem Rückweg schnappen sollten. Er entgegnete nur, dass dies von uns beiden wohl nur mir gelingen könnte. Mal schauen …

Nach dem Wendepunkt kurz hinter KM 16 (03:38 min) sahen wir dann, wie weit vor uns der baldige Sieger ist und wer uns auf den Fersen lag. Zwei-drei Läuferkollegen schenkte ich einen Daumen-Hoch oder nickte ihnen kurz zu, mehr war zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr möglich. Auf den folgenden 4 km mit Rücken- und Seitenwind gelang es mir einerseits, mich doch ein wenig von meinem Verfolger zu lösen und andererseits, ein paar Läufer einzusammeln, die eingebrochen sind. Der Mann mit dem Hammer scheint auch heute sein Unwesen zu treiben.

Bis KM 20 wurden meine Beine zwar zunehmend müde (KM 18 in 03:36, KM 19 in 03:31, KM 20 in 03:36), aber als ich dann einen Kilometer vor dem Ziel den bis dahin Zwölften einholen konnte, beflügelte mich das doch nochmal. Der Bremen-Marathon-Sieger blieb dennoch ungefährdet vor mir, starke Leistung.

KM 21 absolvierte ich in 03:30 min und freute mich schon auf die neue Bestzeit, die mich wenige Meter später auf der großen Digitaluhr neben der Ziellinie erwartete. 01:17:30 Std. waren vor dem Lauf geplant, 01:16:00 Std. schienen trotzdem möglich und als ich von weitem eine 01:15:35 Std. aufleuchten sah, war ich überglücklich. Ein letzter Knick nach links, Zielkanal, BÄM! 01:15:44 Stunden und eine Verbesserung meiner Bestzeit um ganze 03:16 min. Wuuhhuuu!

Nachher

Im Zielbereich konnte ich es immer noch nicht realisieren und freute mich riesig über diesen großen Leistungssprung. Mit einem Erdinger alkoholfrei, ein wenig Müsli-Brei und einer Medaille aus hartem Teig um den Hals stand ich auf dem Rasen im Zielbereich und war völlig perplex. Die Sonne schien, meine Eltern freuten sich mit mir und in meinem Kopf war immer noch Achterbahn pur! Die folgenden Gespräche mit Läuferkollegen machten heute besonders viel Spaß, denn von allen Seiten hagelte es Glückwünsche. Viele sind heute eine persönliche Bestzeit gelaufen – da bin ich mir sicher – denn die Bedingungen und auch die ganze Organisation drum herum waren spitze.

Da ich im Anschluss an den Lauf noch mit Freunden zum Oktoberfest in Recke verabredet war, ging ich schnell in die Umkleidekabine zum Duschen und kam in Lederhose und Bayern-Hemd wieder raus. Meine Eltern und ich gönnten uns noch eine Bratwurst, für mich gab’s zur Belohnung noch eine Brezel und dann machten wir uns um kurz vor 17 Uhr auf den Weg nach Recke, wo mich meine Freundin schon im Dirndl erwartete.

Dass dieser Abend ein ganz besonderer werden würde, war mir nach diesem einmaligen Lauf ohnehin klar! … und den Muskelkater würde ich schon irgendwie aus den Beinen bekommen, zur Not auf den Bänken tanzend ;-)

 

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

21,0975 km

 

01:15:44 Std.

 

01:15:44 Std.

 

Männl. Hauptklasse (85-94)

 

6. von 21 (28,6 %)

 

12. von 156 (7,7 %)

 

12. von 211 (5,7 %)