7. ING Venloop Halbmarathon Venlo
25.03.2012
Vorgeschichte
Jetzt, nachdem ich sogar auf der Marathon-Weltrekordstrecke in Berlin gelaufen bin, kann ich - rein subjektiv natürlich - behaupten, dass die Stimmung am Streckenrand in Venlo (NL) noch einen Hauch geiler ist, als beim Berlin Marathon.
Viele teilen meine Meinung nicht, aber das liegt einzig und allein daran, dass sie noch nicht am ING Venloop Halbmarathon Ende März teilgenommen haben. Nach meinem ersten „Halben“ in Venlo 2011 wollte ich definitiv einen zweiten folgen lassen und die Vorfreude darauf besteht nun seit genau einem Jahr. Mein Vater hat sich anscheinend auch anstecken lassen und möchte nach seinem letztjährigen 10-km-Lauf nun auch den Halbmarathon in Angriff nehmen. Gleichzeitig haben wir scheinbar meine Mutter und meine Schwester mit unserer Euphorie infiziert, sodass sie kurzer Hand entscheiden, in Venlo ihr erstes 10-km-Rennen zu laufen.
Voller Vorfreude spielt sich unser Wettkampfwochenende ähnlich ab, wie vor einem Jahr. Um diesen Laufbericht nicht wieder unendlich in die Länge zu ziehen, versuche ich mich dieses Mal, kurz zu halten und empfehle daher, vorher mal den Bericht aus dem letzten Jahr zu überfliegen (Hier geht’s lang!).
Sonntag, 25.03.2012
Vorher
Nachdem wir gestern Nachmittag unsere vier Startnummern im Fußballstadion des VVV Venlo abgeholt haben, ging es Samstagabend in meiner WG in Nettetal-Kaldenkirchen recht früh ins Bett. Die Nacht war ruhig und jeder konnte trotz Aufregung gut schlafen.
Um kurz nach 10.00 Uhr verließen wir am Sonntagmorgen die Wohnung, fuhren mit dem Auto über die Grenze zum 5 km entfernten Stadion und nutzen den kostenlosen Shuttle-Service, um mit dem Bus in die Innenstadt zu gelangen. Von hier aus hatten wir noch einen knapp fünfminütigen Fußweg bis zu den Startblöcken links vom Julianapark. Was zu diesem Zeitpunkt unser Interesse weckte, war der neue Zieleinlauf, den die Organisatoren dieses Jahr aufgrund der steigenden Teilnehmerzahlen vor das Limburgs Museum verlegt haben. Letztes Jahr befand sich dieser noch auf dem viel zu engen Rathausplatz, während die Zuschauer in den schmalen Straßen kaum Platz zum Atmen hatten. Nun war die Zielgerade nicht weniger imposant, jedoch konnten die Läufer nach Beenden des Laufes direkt in den Julianapark ausweichen und auch die Zuschauer hatten rechts und links der Strecke weitaus mehr Platz zur Verfügung. Gleichzeitig verschob sich die Startlinie einige Meter weiter in den Norden.
In Richtung dieser Startlinie gingen wir dann ca. 11.30 Uhr, um langsam aber sicher unsere beiden 10-km-Debütantinnen zu verabschieden. Nach einigen Aufwärmübungen waren meine Mutter und meine Schwester bereit für das bunte Laufspektakel und so begaben sie sich motiviert und vorfreudig 15 Minuten vor dem Start in ihren Startblock. Während die Sonne schon den gesamten Morgen vom Himmel lachte, fiel dann um 12.00 Uhr endlich der Startschuss für die 3421 Läufer … die zum größten Teil mit der Sonne um die Wette strahlten.
Wie schon im Jahr zuvor, sind mein Vater und ich direkt nach dem Start durch eine etwa 300 Meter lange Seitengasse gelaufen, um zum 1. Kilometerpunkt zu gelangen und dort nochmals schöne Lauffotos zu schießen.
Danach waren sowohl die beiden Frauen, als auch wir beiden Männer auf uns allein gestellt. Wir joggten langsam Richtung Zielbereich, wärmten uns noch ein wenig auf und dehnten Beine und Arme. Mit der Zeit wurde es immer wärmer und wir fürchteten die Hitze, die uns während unseres Laufes zu schaffen machen könnte.
Nach gut 50 Minuten erwarteten wir auf der Zielgeraden meine Mutter, die sich schon bei KM 1 von meiner Schwester abgesetzt hat. Und tatsächlich: nach exakt 50 Minuten bog sie auf die Zielgerade ein, winkte uns zu, lachte und genoss sichtbar die tolle Stimmung. Ihre Endzeit betrug 50:27 min und damit war sie mehr als zufrieden. Meine Schwester folgte ihr mit fast 5 Minuten Abstand (55:10 min), aber auch sie hatte noch genügend Kraft, uns zuzuwinken und zu lachen. Mich freute der Anblick und es machte mich stolz zu sehen, wie sehr meine Family diesen Sport genießt!
Dann waren mein Vater und ich endlich an der Reihe. Ich persönlich konnte es kaum abwarten, endlich selbst starten zu dürfen. Trotz einer leichten Verletzung am rechten Fuß, die mich heute sicherlich ein wenig nerven wird, erinnerte ich mich an die grandiosen Impressionen aus dem letzten Jahr. Ich schob alle negativen Einbildungen beiseite und genoss den Lauf gedanklich schon vor dem Start.
Nach der obligatorischen Banane, einem letzten Toilettengang und einem Schluck Wasser, verabschiedete ich meinen Vater weiter hinten im Starterfeld. Aufgrund seiner Zielzeit von etwa 01:50:00 Std. musste er in einem der hinteren Startblöcke Position einnehmen.
Danach begab ich mich Richtung Startlinie, wo der Rest meiner Family mit der Kamera bereitstand. Da hier in diesem Jahr die niederländischen Meisterschaften im Halbmarathon stattfinden sollten, waren die gemeldeten Teilnehmer - leider - berechtigt, aus dem ersten Block direkt hinter der Elite zu starten. Ich sah vielen Läufern an, dass sie mich auf den ersten Kilometern zum Überholen zwingen würden. Somit stand ich mit meiner Zielzeit von 01:20:00 Std. im zweiten Block möglichst weit vorne, was dennoch viel weiter von der Startlinie entfernt war, als im letzten Jahr. Egal, zum Glück gab es entsprechende Chips am Schuh, die die exakte Nettozeit der Läufer messen.
Ein letztes Mal die Schnürsenkel und die Sicherheitsnadeln an der Startnummer kontrolliert. Ein letztes Mal die Musik aus den Lautsprechern aufgesogen und kurz die Augen geschlossen. Ein letztes Mal tief durchgeatmet und dann war ich bereit für die beste Streckenparty, die es gibt!
Der Lauf
Nach dem lustigen niederländischen Countdown und dem anschließenden Startschuss, benötigte ich 15 Sekunden bis zur Startlinie, von wo aus ich erst richtig loslaufen konnte. Meine Mutter stand am linken Streckenrand nur knapp 100 Meter vor dem Start und knipste dort ein schönes Foto von mir.
Seitdem habe ich meine Family an keinem weiteren Streckenpunkt mehr gesehen, da wir uns geeinigt haben, dass sie am Start noch auf meinen Vater warten und ihm dann bei seinem 1. Kilometer noch ein Lauffoto schießen. Als ich meinen ersten Kilometer, der von vielen notwendigen Überholungen geprägt war, nach schnellen 03:33 min absolviert hatte, ist mein Vater erst über die Startlinie getreten. Knapp 8 Minuten nach dem offiziellen Startschuss hat er dann seinen ersten Kilometer erreicht und schien dort noch sehr motiviert zu sein.
Für mich ging‘s auf dem zweiten Kilometer (03:35 min) zunächst durch die enge, aber sehr stimmungsvolle Innenstadt und am Ender der Straße ‚Parade‘ nach rechts hinaus aus der City und Richtung Maas. Nun war es wichtig, möglichst schnell seinen Rhythmus und die richtige Geschwindigkeit zu finden. Mein anvisiertes Tempo lag bei 03:44 min/km, was schlussendlich zu einer Zeit von unter 01:19:00 Std. führen sollte.
Auf den folgenden zwei Kilometern (je 03:43 min/km) liefen wir nicht über die schmale Flusspromenade wie im letzten Jahr, sondern wichen auf eine breitere Straße in einer großen Siedlung aus. Hier überraschten uns noch vor dem 5-km-Torbogen (18:32 min) insgesamt vier Musikbands. Wie es aussieht, hat der ING Venloop an Unterhaltungspotential zugelegt, denn auch den Läufern um mich herum schienen die regelmäßigen Rhythmen gut zu tun.
Mit neugewonnener Kraft ging es zwischen KM 5 und KM 10 schnurstracks Richtung Süden der Stadt. Vorbei an der ersten Verpflegungsstelle bei KM 5,5, zwei weiteren Musikbands vor KM 7, einer Rechts-/Links-Abzweigung bei KM 8 und letztlich rechts herum um das Kloster, das am südlichsten Punkt der Strecke nahe der Maas liegt. Hier war die Stimmung abermals besonders gut, und zwar nicht nur die der Zuschauer, sondern auch meine eigene. Nach fünf weiteren, recht gleichmäßigen Kilometern, piepten die Zeitmessmatten bei KM 10 nach glatt 37:00 min (zweiter 5-km-Abschnitt in 18:28 min).
Von nun an ging es für uns Läufer rechts von der Maas drei Kilometer zurück in den Norden auf die Brücke ‚Zuiderbrug‘ zu. Der Wind blies auf dieser Passage, die zunächst aus bunt geschmückten Siedlungsstraßen und danach aus einem Radweg bzw. der Flusspromenade bestand, meistens von vorne. Zu diesem Zeitpunkt habe ich leider etwas den Kontakt zu meinen Kontrahenten verloren, sodass ich dem Wind allein ausgesetzt war. Egal, Schwamm drüber.
Bei KM 11 (03:43 min) fiel mir ein kenianischer Läufer auf, den ich problemlos überholen konnte. Er muss wohl entweder eingebrochen sein oder war bis zu einem bestimmten Punkt der Tempomacher für einen seiner Landsleute. Es ist schon ein erhebendes Gefühl, wenn man einen solchen Läufer überholen kann, sei es auf diese, etwas „falsche“ Art und Weise.
Aufgrund des Windes und der langgezogenen Brückenüberquerung bei KM 14, wurden meine Kilometerzeiten ein wenig langsamer und pendelten sich zunächst bei 03:46 – 03:50 min/km ein. Mein Gefühl sagte mir allerdings, dass es noch härter werden würde. Von meinem rechten Fuß kamen keine allzu großen Beschwerden, aber durch den etwas geringeren Trainingsumfang in den letzten Wochen spürte ich, dass es schwierig sein wird, das Tempo so lange so konstant zu halten. Dank meines kleinen Puffers aus den ersten elf Kilometern, durfte ich es mir erlauben, ein bisschen langsamer zu werden. KM 15 passierte ich nach 55:49 min (dritter 5-km-Abschnitt in 18:49 min).
Meine Erinnerung an den 16. Kilometer aus dem Vorjahr kam plötzlich zurück und ich führte mir vor Augen, wie genial geschmückt eine kurze, schmale Siedlungsstraße einst gewesen ist. Und tatsächlich: die bayrische Bierstraße lebte! Die Gondel hing wieder 3 Meter über dem Boden, das Moderatoren-Paar kündigte wieder jeden Läufer einzeln an und die Zuschauer standen wieder wie bei der Tour de France ganz eng und laut anfeuernd an den Sportlern und boten ihnen eine lediglich 2 Meter breite Allee zum Durchlaufen. Noch ganz baff von diesem Stimmungsmonopol folgte mit dem 17. Kilometer gleichzeitig mein bisher langsamster (03:56 min). Auch hier liefen wir wieder über eine Brücke, um die darunter verlaufende Autobahn A37 zu überqueren. Ich rechnete mir grob aus, dass sich solch langsame Kilometer nicht wiederholen dürfen. Ansonsten dürfte ich von einer neuen Bestzeit Abschied nehmen.
Die folgenden drei Kilometer, die jeweils über breite Straßen und immer noch links der Maas verliefen, waren leider immer noch nicht die Erlösung (03:49 min, 03:52 min, 03:47 min) und motivierten mich dazu, das kurze, abfallende Stück von der Brücke ‚Maasbrug‘ zurück in die City als Anlauf für meinen langen Zielsprint zu nutzen. Die vor mir laufende Konkurrenz diente mir als zusätzlicher Ansporn und so versuchte ich mit aller Kraft, noch drei-vier Läufer einzusammeln.
Hinter KM 20 bogen wir links in die Innenstadt ein und befanden uns direkt im lauten Pulk der Zuschauer. Von rechts und links hörte ich häufig meinen Namen und ich dankte im Vorbeirauschen mit einem Daumen-Hoch und einem kurzen Winken. Meine Beine liefen nun ganz automatisch, meinen Kopf schaltete ich aus. Auf eine gewisse Art und Weise genoss ich meinen letzten, schnellen Kilometer (03:35 min), und das obwohl ich mir immer noch nicht sicher sein konnte, ob meine Bestzeit aus Amsterdam (01:19:15 Std.) heute fallen wird oder nicht.
Nach einer letzten Rechtskurve befand ich mich auf der Zielgeraden, die eigentlich in Form eines Bogens verlief. Auf beiden Seiten waren die vielen Zuschauer am Jubeln und Klatschen und so grenzte es fast schon an ein Wunder, dass ich meine Mutter am linken Streckenrand 50 Meter vor der Ziellinie entdeckte. Sie hielt die Kamera auf mich gerichtet, aber da wusste ich noch nicht, dass sie ein Finisher-Video von mir drehte. Kurzer Gruß nach links, Augen nach vorne, Sprint bis zur Ziellinie, Piepsen der Zeitmessmatten, Laufuhr gestoppt und nachgeschaut: meine Uhr sagte mir 01:18:58 Std. WOW!!
Nachher
Noch wollte ich mich nicht über diese gigantische Punktlandung freuen, denn es konnte durch die Chipzeitmessung dazu kommen, dass meine Zeit anders erfasst wurde, als ich es getan habe. Um es vorwegzunehmen, es gab tatsächlich eine Korrektur nach oben und so hieß es in der Ergebnisliste, dass ich nach exakt 01:19:00 Stunden gefinisht habe. Zu meiner ersehnten Zeit von unter 01:19:00 hat es also wegen einer einzigen, lächerlichen Sekunde nicht gereicht. Das war allerdings zu verkraften, da ich dennoch meine Bestzeit um 13 Sekunden verbessern konnte und damit mehr als zufrieden sein durfte.
Den abgesperrten Zielbereich wollte ich diesmal etwas schneller verlassen, um zu meiner Family zu gelangen und mit ihr den Zieleinlauf meines Vaters zu sehen. Auf dem Weg dahin nutzte ich ein paar Minuten, um mit einigen Kommilitonen zu quatschen. Sie haben meinen Zieleinlauf ebenfalls gesehen und mir zugerufen, jedoch habe ich sie in der Menge sowohl überhört, als auch übersehen.
Nach dem Zieleinlauf meines Vaters – ebenfalls in neuer Bestzeit von 01:47:25 Stunden – entspannten wir noch ein wenig im Julianapark und genossen mit vielen anderen Finishern die Sonne.
Kurz darauf machten wir uns mit dem Pendelbus auf den Weg zurück zum Stadion und von dort mit dem Auto über die Grenze zurück zur WG. Dort gab’s zur Belohnung den besten Döner Kaldenkirchens: den Deniz-Döner!
Nach einem weiteren, stolzen Finisher-Foto der ganzen Familie, machten sich meine Lieben am frühen Abend auf den Weg nach Hause ins 200 km entfernte Hopsten. Für mich hieß es, den Rest des Abends die Beine hochzulegen und mir ein Bierchen auf meine neue Bestzeit zu gönnen – natürlich alkoholfrei ;-)
Zahlen & Fakten
Distanz
Gelaufene Zeit (Netto)
Gelaufene Zeit (Brutto)
Altersklasse
AK-Platzierung
Platzierung (Männer)
Gesamtplatzierung
21,0975 km
01:19:00 Std.
01:19:15 Std.
Männl. Senioren (bis 35)
51. von 710 (7,2 %)
98. von ? (?,? %)
107. von 5525 (1,9 %)