85. Ahrufer Marathon Bad Neuenahr-Ahrweiler

30.05.2020

Vorher

Nur acht Tage nach meinem 73. Marathon in Hamburg stand mir schon Nr. 74 bevor. Trotz aller gesetzlichen Schwierigkeiten und Beschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie gibt es zum Glück eine Handvoll privater Laufveranstalter, die sich gerne mit den Bundesländer-spezifischen Gesetzen befassen und uns kleine, unkomplizierte und vor allem regelkonforme Marathons ermöglichen. Dazu zählt Wolfgang Gieler aus dem Rheinland, der bereits sehr liebevolle und kostenlose Treffen am Aasee in Münster und der sogenannten Promenade, ebenfalls in Münster, organisiert hat. In Summe komme ich nun auf vier Marathons, die ich unter der Organisation von Wolfgang absolviert habe. Es sollte der fünfte folgen – nur diesmal nicht in Münster.

Ein überschaubares Teilnehmerfeld von 18 Personen kündigte sich für den letzten Samstag im Mai an und pilgerte in den beschaulichen Kurort Bad Neuenahr-Ahrweiler am nördlichen Rand von Rheinland-Pfalz. Warum wählte ich dieses 280 km entfernte Dorf aus? – Zum einen hatte ich grundsätzlich Lust auf Marathonlaufen und Alternativen gab es in dieser Zeit herzlich wenig, zum anderen ist dieses Bundesland das 14. in meiner Sammlung. Hiernach fehlten mir dann nur noch Brandenburg und das Saarland.

Nachdem meine Anmeldung vier Tage vor dem Lauf bestätigt wurde, machten Sophie und ich uns Gedanken über die Organisation dieses Wochenendes. Wir planten unsere gut dreistündige Reise für Freitagabend, da neben einer Rahmenstartzeit für Streckenkundige (6 bis 9 Uhr) der offizielle Start um 7 Uhr stattfinden sollte. Hier würde der Organisator, der selbst schon um 5:45 Uhr starten wollte, noch ein paar Worte zur Strecke loswerden. Die wahrscheinlich kurze Nacht von Freitag auf Samstag wollten wir wieder in unserem neuen Auto verbringen. 

Sobald wir insgesamt 15 (!) Baustellen auf der Autobahn hinter uns gelassen und noch schnell ein Abendessen und Brötchen eingekauft hatten, kamen wir auf dem morgigen Start- und Zielgelände neben dem Apollinaris Stadion an. Um nicht wieder illegal zu nächtigen, entschieden wir uns diesmal dafür, ein Tagesparkticket für 8 € zu ziehen. Doch da wir bargeldlos unterwegs waren und der Automat nur Münzgeld akzeptierte, fuhren wir wieder in die Innenstadt, wo für Bargeld und Geldwechsel eine Sparkasse und schließlich eine Eisdiele aufgesucht werden musste. Nach all dem Stress freuten wir uns auf einen entspannten Abend und eine hoffentlich ruhige Nacht.

Bevor es in die Koje ging, entschieden wir uns für einen kleinen Verdauungsspaziergang, während dessen wir viele Pfeile auf den Boden gemalt sahen. Sie schienen den Weg des morgigen Marathons auszuweisen und das beruhigte mich ein wenig. Ziel war es nämlich wieder, einen lockeren Lauf unter 3 Stunden zu beenden, sodass ich mir das Suchen nach der Strecke oder gar ein Verlaufen gern ersparen wollte.

Außerdem erhaschten wir einen Blick auf den Fluss Ahr, der Namensgeber für den Lauf ist und der morgen die meiste Zeit links oder rechts von uns Marathonis verlaufen sollte.

Am nächsten Morgen wachte ich kurz vor meinem Wecker um 05:50 Uhr auf und verschwand so leise wie möglich aus dem Auto. All meine Laufutensilien wie Klamotten, Schuhe und Trinkrucksack sowie mein Frühstück in Form von Brötchen, Schmelzkäse und Honig lagen auf dem Beifahrersitz bereit. So schnell es ging kleidete ich mich ein, frühstückte im Stehen, wärmte mich ein wenig auf und huschte nochmal schnell ins Gebüsch. Etwa 20 Minuten vor dem Start war ich bereit und quatschte noch ein wenig mit Michael Kiene, einem nicht unbekannten Marathon-Sammler, der unter anderem 2019 erfolgreich am Deutschlandlauf teilgenommen hatte.

Wir warteten darauf, dass Wolfgang von seiner ersten Marathonrunde zurückkehrt und uns in die Besonderheiten der Strecke einwies. Anders als in der Ausschreibung beschrieben, standen 6 Runden à 6,5 km und eine 7. Runde zu 3,2 km Länge auf dem Programm. Die Bezeichnung „Runde“ ist aber nicht als klassischer, kreisförmiger Rundkurs, sondern vielmehr als Wendepunktstrecke zu verstehen. Das bedeutete, dass es auch ein recht langes Begegnungsstück gab, auf dem wir uns jeweils zulächeln, zuwinken oder gegenseitig anfeuern konnten.

Am Anfang jeder großen Runde wurde der Parkplatz umrundet, während am Ende um eine große Kuhwiese gelaufen werden musste. So ergab sich eine Form, die mich an eine lange Hantelstange erinnert. Komisch, welche Assoziationen einem bei solchen Läufen kommen.

Der Lauf

Sobald alles klar war und wir gemeinsam „Auf die Plätze, fertig, los!“ aufsagten, startete das Rennen um genau 07:04 Uhr. Ich fühlte mich gut, die Beine schienen locker, die morgendliche Luft war noch recht frisch und die Vorfreude auf die kommenden drei Stunden groß!

Bereits auf den ersten 100 Metern setzte ich mich ein wenig ab und folgte eigenständig den aufgemalten Pfeilen. Mit Verlassen des Parkplatzes wurde ich zu einem benachbarten Schulgelände geleitet und erreichte nach knapp einem Kilometer das nördliche Ufer der Ahr.

Von hier aus ging es weiter Richtung Osten, bis nach einer Autobahn-Unterquerung im Ortsteil Heppingen die Uferseite gewechselt wurde. Nach der Apollinaris-Brücke verlief die Strecke entlang des südlichen Flussufers weiter nach Osten und wurde hier immer idyllischer. Dass rechts von mir hinter einer hohen Schallschutzwand eine vielbefahrene Bundesstraße verlief, bemerkte ich dabei kaum.

Nach insgesamt drei Kilometern war die bereits erwähnte Kuhwiese erreicht, die wir gegen den Uhrzeigersinn umrunden sollten. Auch hier war ein falsches Abbiegen nicht möglich, denn es wimmelte nur so von Pfeilen. Leider hatte ich vergessen, sie zu zählen, aber in Relation zur Streckenlänge war das allemal rekordverdächtig. Das teilte ich Wolfgang während einer Begegnung auch mit und bedankte mich in gleichen Zuge für diesen tollen Service.

Als die Kuhwiese umrundet war und ich eine knapp 300 Meter lange, steinige Passage hinter mich gelassen hatte, ging es über denselben Radweg zurück nach Bad Neuenahr-Ahrweiler. Auf diesem Abschnitt bemerkte ich, dass es minimal bergauf ging. Der „Anstieg“ war jedoch so gering, dass man trotzdem von einer brettflachen Strecke sprechen konnte.

Während des Rückwegs lächelte und winkte ich meinen entgegenkommenden Mitstreitern zu. Ob das auf den letzten beiden Runden noch möglich sein wird, wusste ich nicht, denn mit jedem weiteren Kilometer wurde es spürbar wärmer und damit bald auch anstrengender.

Die erste Runde beendete ich in einem Durchschnittstempo von 04:09 min/km, womit ich voll und ganz zufrieden war. Nach der zweiten Umrundung des Parkplatzes schaute ich zu unserem Auto, doch wie erwartet war Sophie um diese Uhrzeit noch nicht aufgestanden. Als es auf die zweite Runde zuging, wollte ich mir den ganz leichten Abstieg zur Kuhwiese zunutze machen und drehte das Tempo ein wenig hoch. Ich spürte, wie ich langsam in einen angenehmen Rhythmus kam. Das Frühstück war gut und schnell verdaut und auch der Trinkrucksack mit über einem Liter Wasser störte keineswegs.

Nach einer zweiten Wendepunkt-Runde im Schnitt von 04:05 min/km folgte eine dritte im Schnitt von 04:04 min/km. Es machte richtig Spaß und die Beine waren sogar lockerer, als letzte Woche. Den ersten von zwei Halbmarathons beendete ich daher in flotten 01:26:32 Std., was auf eine Endzeit von knapp über 02:53:04 Std. hindeutete.

Zwar hoffte ich auf eine ähnlich schnelle oder gar schnellere zweite Hälfte, doch die Temperaturen und die Sonne würden es mir nicht leichtmachen. Ein großer Teil der Strecke lag im Schatten und das ließ meine Hoffnung am Leben, doch die Zeiten deuteten an, dass es eher langsamer wurde. Die Runden 4 und 5 beendete ich mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von 04:07 min/km und 04:09 min/km.

Das war alles noch im Rahmen und ich war sehr zuversichtlich, dass es heute ein erfolgreiches Finish geben würde. Mit Voranschreiten der Zeit gingen die Fragen meiner Kontrahenten – ob bei Begegnungen oder beim Überholen – mehr und mehr in die Richtung meiner Zielzeit: „Na, schon die letzte Runde?“, „Schaffst du’s unter 3 Stunden?“ und „Nochmal überholst du mich nicht, oder?“.

Es war sehr unterhaltsam, muss ich gestehen, und es machte mir Spaß, auch mal einen flapsigen Spruch zurückzurufen. Marathon-Sammler sind schon ein entspanntes Völkchen.

Und ehe ich mich versah, war meine letzte lange Runde gestartet, die ich schließlich in einem Schnitt von 04:06 min/km eintüten konnte. Es war das letzte Mal, dass ich die idyllische Wiese mit den vielen bunten Kühen umrundet hatte, und das letzte Mal, dass ich die Apollinaris-Brücke über den Fluss Ahr überqueren durfte. Jetzt stand mir nur noch ein kurzes Wendepunktstück bevor, das lediglich am nördlichen Ufer verlief.

Obwohl ich ahnte, dass die zweite Hälfte etwas langsamer war, hatte ich noch Lust auf eine besondere Herausforderung: Nachdem der erste Kilometer des Tages der bisher langsamste war, sollte der letzte Kilometer des Tages der schnellste sein. So lief ich trotz leichter Anstiege, beispielsweise vom Schulgelände zum Parkplatz hoch, eine Zeit von deutlich unter vier Minuten (KM 42 in 03:51 min). Damit war ich voll und ganz zufrieden!

Doch als bei Überqueren der Ziellinie nur glatte 42 km auf meiner Laufuhr erschienen, entschied ich mich zu einer Extrarunde um den Parkplatz, um schlussendlich auf mindestens 42,2 km zu kommen. Die 47 Sekunden, die dadurch noch hinzugekommen sind, konnte ich verkraften.

Nach einer zweiten Hälfte, die mit 01:27:06 Std. nur 34 Sekunden langsamer als die erste war, war mein 74. Marathon bei schönstem Wetter abgehakt. Glücklich trudelte ich noch ein paar Meter aus und freute mich über die Gesamtzeit von 02:53:39 Stunden. 

Nachher

Sobald ich zum Auto zurückgekehrt war, sah ich, dass Sophie immer noch nicht aufgestanden war. So weckte ich sie ganz vorsichtig und erzählte ihr ganz enthusiastisch von meinen läuferischen Erlebnissen. Kurze Zeit später bereiteten wir uns ein zweites Frühstück vor, während die anderen Teilnehmer noch ihre letzten Runden drehten. Der Veranstalter Wolfgang gesellte sich sogar noch für einen Moment zu uns und erzählte ein-zwei Geschichten aus seinem Läuferleben. 

Unser Aufenthalt im Kurort Bad Neuenahr-Ahrweiler endete gegen 12 Uhr, als wir uns langsam aber sicher auf den Rückweg machten. Geplant war noch ein Zwischenstopp in Münster, wo wir am heutigen Nachmittag den 30. Geburtstag eines sehr guten Freundes feiern wollten. Natürlich machten wir uns im Vorfeld noch frisch, denn meine Schwester Nicole bot uns ohne zu zögern ihre Dusche an.

Die kleine Überraschungsfeier ging dann bis in den späten Abend und war ein voller Erfolg.

So ging in der Nacht zum Sonntag ein sehr sportlicher, aufregender und geselliger Tag zu Ende.

 

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

42,195 km

 

02:53:39 Std.

 

02:53:39 Std.

 

M30 (86-90)

 

1. von 2

 

1. von 17 (5,9 %)

 

1. von 18 (5,6 %)