1. Essener Rhein-Herne-Kanal Marathon

12.07.2020

Vorher

Regelmäßig schaue ich auf der Homepage des 100-Marathon-Clubs nach neuen, interessanten Läufen in nicht allzu weiter Entfernung. Besonders in den letzten zwei Monaten hat die Zahl kleiner, privater Marathons signifikant zugenommen. Grund hierfür sind sicher nicht zuletzt die Corona-bedingten Absagen größerer Events und die behördlichen Beschränkungen in Bezug auf Kleingruppen. So ist die Teilnehmerzahl meist auf 15-20 Läufer/innen begrenzt, sodass man – je nach Attraktivität des Marathons – ein Quäntchen Startplatzglück haben muss.

Als ich am Mittwochabend, den 08. Juli, eine freundliche Mail an den Organisator Michael Scheele aus Essen geschrieben hatte, folgte die positive Rückmeldung schon eine Stunde später. Nachdem ich im Herbst 2018 am Baldeneysee meine derzeit noch aktuelle Bestzeit gelaufen bin, sollte dies nun mein zweiter Marathon in Essen werden. Ich freute mich!

Der ausführlichen Ausschreibung und einer Info-Mail an alle Teilnehmer konnte ich alle relevanten Informationen entnehmen. Für eine freiwillige Spende durfte am kommenden Sonntagmorgen ab 7 Uhr um den schönen Rhein-Herne-Kanal gekreiselt werden. Zunächst sollte es auf der nördlichen Kanalseite 3,5 km Richtung Oberhausen gehen, bevor nach einer Brückenüberquerung auf südlicher Seite zurück nach Essen gelaufen werden sollte. Insgesamt waren somit sechs Runden zu je 7,1 km zu absolvieren.

Auf Startnummern, Siegerehrung und Verpflegung wurde veranstalterseitig verzichtet. Lediglich die offizielle Zählbarkeit dieses Marathons stand im Vordergrund, die bei mindestens drei Teilnehmern bereits gegeben wäre. Da der Start-/Ziel-Bereich direkt an einem kostenlosen Parkplatz gelegen war, konnten wir unsere Getränke schnell erreichbar im Auto deponieren.

Meine Freundin Sophie und ich verbrachten unseren Samstag in der Heimat und absolvierten gemeinsam noch einen lockeren 16 km Lauf. Abends kochten wir leckere Spaghetti-Bolognese und versuchten anschließend, früh ins Bett zu kommen.

Am nächsten Morgen klingelte mein Wecker erbarmungslos um 04:30 Uhr. Ich schlich mich aus dem Zimmer, zog mich im Hausflur an, schnappte mir meine geschmierten Brote und verschwand bereits um 04:45 Uhr im Auto. Damit verschaffte ich mir sogar ein wenig Puffer, da ich ursprünglich mit einer Abfahrtszeit von 05:00 Uhr gerechnet hatte.

Mir stand eine gut einstündige Autofahrt über eine fast autofreie Autobahn bevor, sodass ich völlig entspannt als erster Läufer um 06:00 Uhr im Start-/Ziel-Bereich ankam. Es war somit noch genügend Zeit, um zu frühstücken und sich die Strecke ein wenig anzugucken. Es herrschte eine idyllische Ruhe und der Nebel über dem Wasser verlieh der heutigen Laufstrecke etwas Geheimnisvolles. Auch wenn ich fast eine Stunde hätte länger schlafen können, so genoss ich diese Stille viel mehr. Es war eine gute Entscheidung, früh hergekommen zu sein.

Mit der Zeit trudelten immer mehr Teilnehmer auf dem Parkplatz ein, bis um 06:45 Uhr auch der Organisator eintraf und mit jedem ein paar nette Worte wechselte. Als dann auch noch unzählige Gruppenfotos geknipst wurden, bin ich allmählich ungeduldig geworden. Immerhin war mein Plan, um 12 Uhr wieder am Frühstückstisch bei Sophie zu sein.

© Werner Kerkenbusch
© Werner Kerkenbusch

Nachdem auch die lokale Presse ihre Fotos im Handy hatte und wir uns langsamen Schrittes der Startlinie näherten, übergab Michael Scheele das Wort an mich und bat um ein wenig Werbung für meine private Veranstaltung im kommenden Monat. Er kündigte mich als den Veranstalter des Ägypten Ultramarathons an, womit die Neugier natürlich bei allen geweckt war: „Wie? Es gibt einen Ort, der Ägypten heißt?“.

Gerne gab ich Auskunft über den 45 km Lauf im Heimatort meiner Eltern, den ich am 15. August zum bereits zweiten Mal durchführen wollte. Gleichzeitig tat es mir leid, sagen zu müssen, dass die begrenzte Teilnehmerzahl bereits erreicht war. Eintragungen in die Warteliste sind aber nach wie vor möglich.

Um 07:07 Uhr war es dann soweit, dass eine Art Aufbruchsstimmung entstand. Ich nutzte die Gunst der Stunde und positionierte mich mit meiner Laufuhr im Anschlag kurz hinter der Startlinie. Dann verabschiedete ich mich, wünschte den Läufern um mich herum viel Spaß und startete zu meinem 76. (Ultra-)Marathon.

 

Der Lauf

Mit zwei-drei Höhenmetern ging es über die Brücke ‚Prosperstraße‘ auf die andere Kanalseite, wo mich kurze Zeit später ein 180°-Pfeil zum Kanalufer hinab lotste. Die ersten paar hundert Meter führten über eine schattige Schotterpiste Richtung Westen, bis mit der Einbleckstraße wiederum 200 Meter auf Asphalt folgten. 

Bereits früh merkte ich, dass es sich um einen abwechslungsreichen Kurs handeln würde, obwohl es „nur“ am Kanal entlangging.

Nach dem schattigen Abschnitt folgte eine Passage, die noch näher am Ufer und somit unter der prallen Sonne entlangführte. Auf den ersten paar Runden war diese noch recht angenehm, doch auf der zweiten Streckenhälfte würde es sicher sehr warm und anstrengend werden. Annähernd 30°C waren angekündigt.

© Wolfgang Bernath
© Wolfgang Bernath

Ich versuchte, von Beginn an ein möglichst gleichmäßiges Tempo im Bereich von 04:10 min/km einzuschlagen, um so sicher unter 3 Stunden zu finishen. Auf dem voraussichtlich sehr flachen Kurs sollte dies kein Problem sein, sodass die ersten drei Kilometer schnell abgehakt waren (KM 1 bis 3 in 04:09 min, 04:08 min und 04:08 min). 

Als die Hälfte des Rundkurses kurz bevorstand, ging es nach rechts über eine Schotterrampe auf die Kanalbrücke ‚Osterfelder Straße‘ hinauf. Dort kreuzte ich den Kanal ein zweites Mal und lief auf der südlichen Seite wieder hinab (KM 4 in 04:12 min). 

© Wolfgang Bernath
© Wolfgang Bernath

Die folgenden drei Kilometer zurück zum Start-/Ziel-Bereich waren von noch mehr Natur geprägt, als der Hinweg. Eine Art Parkweg führte durch einen kleinen, schattigen Wald und ließ mich das Ruhrgebiet um mich herum fast völlig vergessen. Erst die nächsten Brückenunterführungen zeugten von Großstädten, die uns hier umgaben.

Schön gleichmäßig ging es weiter (KM 5 in 04:09 min und KM 6 in 04:08 min) und die leicht welligen Teile der Strecke konnte ich noch gut meistern. Als sich das Ende der ersten Runde näherte und ich vorbei am Freibad rechts hochlaufen musste, zog ich das Tempo sogar noch ein wenig an (KM 7 in 04:05 min). Nach insgesamt 28:59 min war die erste von sechs Runden eingetütet.

Die zweite Runde sollte der ersten im besten Fall gleichen, denn ich wollte meinen Rhythmus gerne so lange wie möglich halten. Somit verzichtete ich noch auf eine Trinkpause und freute mich auf die kühlen Abschnitte im Schatten.

Die Umgebung rund um den Rhein-Herne-Kanal hatte erstaunlich viel zu bieten, was mich sehr gut ablenkte. Unter anderem entdeckte ich auf der südlichen Seite einen schiefen Strommast, der natürlich nur zu künstlerischen Zwecken dastand.

© Werner Kerkenbusch
© Werner Kerkenbusch

Das zweite Sechstel schaffte ich 13 Sekunden schneller, als das erste (2. Runde in 28:46 min), wobei die zwei Brückenüberquerungen am Anfang und zur Hälfte am meisten Kraft gekostet hatten (KM 8 in 04:11 min und KM 11 in 04:09 min).

Für weitere Ablenkung unterwegs sorgten zunehmend große Containerschiffe und sportliche Kanuten, die ebenfalls den kühleren Morgen präferierten. 

© Wolfgang Bernath
© Wolfgang Bernath

Ich spulte weiter eifrig meine Kilometer ab und wunderte mich ein wenig, dass ich noch niemanden überrundet hatte. Bei den meisten privaten Läufen gibt es eine Handvoll Marathonis, die von Beginn an stramm wandern und somit nur halb so schnell sind wie ich. Heute sieht es anders aus und Wanderer gibt es keine, sodass ich erst zum Ende meiner dritten Runde den letzten Läufer einholte. Wir grüßten kurz und winkten uns beim Überholen kurz zu.

Meine dritte Runde beendete ich nach 28:50 min, was ziemlich genau zwischen den ersten beiden Rundenzeiten lag. Perfekt also!

Der Halbmarathon war somit nach knapp 01:27:00 Std. geschafft!

© Wolfgang Bernath
© Wolfgang Bernath

Nach wie vor lief ich ohne Trinkpause weiter, was jedoch kein Problem war. Heute hatte ich im Vorfeld genug getrunken und mein Mund war immer noch nicht ausgetrocknet. Dieser Zustand wäre bei leichtem Wind garantiert früher eingetreten, jedoch ging es heute erstaunlich gut.

Für neue Ablenkung sorgten nun häufigere Überrundungen und zunehmend mehr Radfahrer, die den gut ausgeschilderten Wegen entlang des Kanals folgten.

© Wolfgang Bernath
© Wolfgang Bernath

Unter anderem entdeckte ich plötzlich Wolfgang Bernath vor mir, den ich bereits bei einigen spannenden Marathons getroffen hatte. Besonders positiv habe ich unsere Begegnung beim Kristallmarathon in Merkers 2017 in Erinnerung, wo er Sophie und mich gut unterhalten hat.

Sobald ich mich ihm näherte, schien er mich an meinen Schritten erkannt zu haben. Er drehte sich um, grüßte freundlich, fragte nach Sophie und knipste ein Foto von mir. All das gefühlt in nur einer Sekunde!

Dankenswerterweise darf ich mich einiger seiner Fotos bedienen, um diesen Laufbericht etwas lebendiger zu machen.

© Wolfgang Bernath
© Wolfgang Bernath

Runde 4 beendete ich mit 28:55 min ebenfalls schneller, als meine erste Runde. Es lief alles wie am Schnürchen, bloß machten mir die zunehmende Hitze und die Brückenüberquerungen ein wenig Sorge. Wie gesagt, noch lief es gut, aber die Müdigkeit in meinen Beinen setzte so langsam ein. Nicht einknicken, nicht langsamer werden, Patrick!

Die schattigen Abschnitte wurden immer mehr zu meinem Freund und ich versuchte, dort die Kraft zu tanken, die ich für die sonnigen Passagen brauchte.

© Wolfgang Bernath
© Wolfgang Bernath

Die fünfte und vorletzte Runde hat mir aufgrund der beiden Brücken (KM 29 in 04:16 min und KM 32 in 04:21 min) ein wenig den Schnitt kaputt gemacht, lag jedoch mit insgesamt 29:14 min immer noch absolut im Soll. Eine Zeit von unter 3 Stunden schien locker möglich zu sein. Vielmehr überlegte ich, was noch möglich wäre. Wer weiß, ob vielleicht sogar die 02:55-Std.-Marke geknackt werden könnte?

© Wolfgang Bernath
© Wolfgang Bernath

Dank dieses Gedankens versuchte ich nach meinem langsamsten Kilometer (KM 36 in 04:23 min) richtig Dampf zu machen. Es folgten zwei flotte Kilometer über die sonnige Nordseite (jeweils in 04:03 min), bevor die letzte Brückenüberquerung ebenfalls schnell geschafft war (KM 39 in 04:15 min).

Auf der schattigeren Südseite motivierte ich mich nochmal selbst und spulte auch den letzten Abschnitt möglichst schnell ab. Von zwei-drei Läufern, die ich hier ein letztes Mal überholte, erntete ich bereits Glückwünsche. Ich nahm sie dankend an und freute mich auf meine ganz persönliche Siegerehrung: Statt eines Pokals war mir die große Wasserflasche sehr viel lieber. Fast drei Stunden ohne zu Trinken sind zwar riskant gewesen, jedoch war es gut für meinen Laufrhythmus.

© Wolfgang Bernath
© Wolfgang Bernath

Runde 6 war nach 29:03 min geschafft und als auch die letzten paar hundert Meter eingetütet waren, stand mir ein weiterer Gesamtsieg und eine Marathonzeit von 02:54:38 Stunden zu Buche! Yippiiieee!

 

Nachher

Im Zielbereich fotografierte ich zunächst mal meine Laufuhr und sendete dem Veranstalter dieses als Beweis zu. Kurze Zeit später erschien er persönlich an seinem Auto und wunderte sich ein wenig darüber, dass ich bereits im Ziel war. Ich erklärte ihm, dass es mindestens eine Überrundung gegeben habe, als er zum Trinken am Auto war und ich auf der Strecke geblieben bin.

Nach einer kurzen Erholungspause und einem zwingend notwendigen Klamottenwechsel, schrieb ich meiner Family und Sophie eine kurze Nachricht per WhatsApp. Sie brauchten sich also keine Sorgen mehr zu machen.

Eine gute Stunde später um kurz vor 12 Uhr kam ich wie geplant wieder zu Hause an, wo Sophie bereits auf mich wartete. Ich erzählte ihr kurz von meinen Erlebnissen und sie freute sich mit mir mit. 

Es war ausnahmslos eine gute Entscheidung gewesen, heute bei dieser Prämiere dabei gewesen zu sein. Eine sehr schöne Strecke gepaart mit guten Bedingungen und einer unkomplizierten An- und Abreise - was wünscht man sich mehr?

Als wenige Stunden später auch noch eine freundliche E-Mail samt Ergebnisliste und Urkunde eintraf, war das Marathon-Rundum-Sorglos-Paket komplett.

Vielen Dank an Michael Scheele für diesen kurzweiligen und sehr empfehlenswerten Marathon!

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

42,6 km

 

02:54:38 Std.

 

02:54:38 Std.

 

M30 (86-90)

 

1.

 

1. von 14 (7,1 %)

 

1. von 17 (5,9 %)