29. Commerzbank Frankfurt Marathon

31.10.2010

Vorgeschichte

Wann die Entscheidung fiel, einen ganzen Marathon zu laufen, weiß ich nicht mehr genau, aber spätestens mit der verbindlichen Anmeldung war die Sache besiegelt. Und da der erste Marathon etwas ganz Besonderes sein sollte, wollte ich mir die Sache wohl überlegen.

Im Mai 2010 fing ich an, mir ernsthaft den einen oder anderen Marathon anzugucken, um später die Vor- und Nachteile abwägen zu können. Zu den Voraussetzungen gehörte zum einen die Größe der Veranstaltung, denn sie sollte nicht zu klein sein. Außerdem sollte es eine schöne Stadt sein, in der meine Family und ich zuvor noch nicht waren (Anmerkung: Meine Eltern wussten zu diesem Zeitpunkt noch nichts von meinem heimlichen Plan.). Die Entfernung und die damit verbundenen Kosten spielten natürlich auch eine Rolle, denn welche Eltern wollen schon mit dem New York Marathon und den entsprechenden Reisekosten überrumpelt werden? Das Image, die Attraktivität und die Bedingungen sollten auch stimmen, d.h. dass die Strecke eher flach anstatt hügelig sein sollte. Und nun zum allerwichtigsten Punkt: das Datum! Es MUSSTE ein Datum sein, an welches ich mich mein Leben lang erinnern werde. Somit fiel meine Entscheidung auf den Marathon in Frankfurt am 31.10.2012, genau einen (!) Tag vor meinem 20. Geburtstag. Ich kann nun behaupten, meinen ersten Marathon mit 19 Jahren gefinisht zu haben :-)

Nachdem ich den Mai nutzte, um mich auf einen Marathon festzulegen, gehörte der Juni der psychischen Vorbereitung auf die finale Anmeldung und die Überweisung der Startgebühren. Für mich persönlich hatte eine solche Anmeldung für eine so lange Distanz etwas Zeremonielles. Ich war sogar so aufgeregt, dass ich auf die Idee kam, mich während des Anmeldeprozesses zu filmen. Es sind übrigens ganze 16:46 min geworden: meine bisher längste Anmeldung für einen Wettkampf.

Da ich mich am 22.06.2010 angemeldet habe, wollte ich meinen Abiball vier Tage später (26.08.) nutzen, um es meinen Eltern zu 'beichten'. Sie waren zwar überrascht und ein wenig sprachlos, als ich Ihnen an diesem Abend zu etwas späterer Stunde die Anmeldebestätigung in die Hand drückte, aber sie haben sich für mich gefreut und mir zugesagt, dieses lange Wochenende gemeinsam in Frankfurt zu verbringen. Ich war erleichtert und freute mich auch schon darauf, es am nächsten Tag morgens meiner Schwester zu erzählen.

Nun fing die ernste Vorbereitung an: gut 4 Monate Zeit, um mich von 21,1 km auf 42,195 km zu steigern. Sowohl die Vorfreude, als auch der Respekt vor dem z.T. harten Training stiegen. Bevor ich überhaupt ahnen konnte, dass mir in der kommenden Zeit der ominöse 'lange Lauf' am meisten Spaß machen wird, hatte ich genau davor die meiste Angst. Man liest ja immer die schrecklichsten Schauermärchen in der Runner’s World, im Internet & Co. Aber ausgerechnet dieser Zeitschrift habe ich viele Wochen meines Lebens vertraut. Genau genommen waren es 15 Wochen, denn so lange dauerte der Runner's World Marathon-Trainingsplan für trainierte Marathon-Einsteiger mit einer Zielzeit von 03:15 - 03:30 Stunden.

Das Abenteuer konnte beginnen ...

Freitag, 29.10.2010

Ankunft

Freitag hätte ich zwar den ganzen Tag Vorlesungen gehabt, doch auf ein-zwei Stunden musste ich verzichten. Mittags setzte ich mich mit allen möglichen Sportsachen, Laufschuhen und sonstigem Equipment ins Auto und fuhr von Venlo (NL) Richtung Osten nach Duisburg. Dort sollte ich am Nachmittag auf meine Family treffen, die schon 1,5 Stunden früher mit Auto und Wohnwagen losgefahren sind, um mich an unserem Treffpunkt aufzusammeln. Duisburg lag in dieser Konstellation am günstigsten und ersparte uns zusätzliche Kilometer und Zeit.

Auf unseren gemeinsamen 250 km gab es kaum ein anderes Thema als den Frankfurt Marathon. Von Zeit zu Zeit kamen Zweifel auf, ob ich richtig und genügend trainiert habe, ob ich meine anvisierte Zielzeit nicht doch noch um 10 min erhöhen sollte, ob der Mann mit dem Hammer auf mich warten würde und so weiter und so fort.

Es war schon dunkel, als wir in der Ferne das hell erleuchtete Mainhattan sahen. Die Wolkenkratzer kamen immer näher, wurden immer größer und ließen unsere Vorfreude auf den nächsten Tag steigen. Morgen soll es nämlich auf einem geführten Gemeinschaftslauf 5 km durch die Innenstadt und entlang des Mains gehen, um die Sportler und Zuschauer schon mal ein wenig auf Sonntag einzustimmen.

Endlich angekommen, fingen wir angestrengt an, den Park & Ride Parkplatz zu suchen, der den Marathonteilnehmern empfohlen wurde, die mit Wohnwagen bzw. Wohnmobil anreisten. Zwei- oder dreimal daran vorbeifahrend fanden wir den dunklen und durch eine Schranke verschlossenen Parkplatz dann endlich. Bis wir unseren Wohnwagen aber richtig abstellen konnten, brauchte es einige Telefonate und viele Minuten Warterei bis ein Verantwortlicher aufgetaucht ist, um uns reinzulassen. Wie spät wir schließlich im Bett lagen, weiß ich nicht mehr, aber müde waren wir alle.

Samstag, 30.10.2010

Startunterlagen

Für den Samstag waren viele Dinge geplant, aber ich fang mal vorne an. Nachdem der Wecker uns recht früh geweckt hat, haben wir uns in unsere Polska-Outfits für den Brezellauf geschmissen, haben gefrühstückt und sind gemütlich zur nicht weit entfernten Straßenbahnstation gegangen. Von dort aus fuhren wir mit einem Tagesticket bis in die Innenstadt zur Messehalle, wo das gesamte Marathongeschehen inklusiv Marathonmesse stattfand. Dort um 9.30 Uhr angekommen war das erste, was ich mir unbedingt anschauen musste, die Messehalle mit dem bereits verlegten roten Teppich, über den ich am nächsten Tag nach über 42 km einlaufen werde. Die Halle war bereits blau erleuchtet und erzeugte jetzt schon Gänsehaut.

Eine halbe Stunde später waren wir auf der Marathonmesse, wo wir jedoch erst später shoppen gehen wollten. Zunächst holte ich nur meine Startunterlagen ab, um diese ruhigen Gewissens bei mir zu haben. Dies erzeugte ein etwas aufregendes Gefühl, denn es symbolisiert, dass es langsam ernst wird.

Nachdem ich dann noch meinen Champion-Chip für die morgige Zeitmessung testen lassen hab, zog es mich zum Info-Point, wo ich mir meine Startaufstellung korrigieren lassen wollte. Da dies nämlich mein erster Marathon war, hätte ich eigentlich ganz hinten im letzten Startblock starten müssen. Es war allerdings gar kein Problem, sich seinen gewünschten Startblock auf die Startnummer kleben zu lassen, um dann am Sonntagmorgen an der entsprechenden Stelle hineingelassen zu werden. Ich entschied mich nach langem Überlegen, eine Zeit von 03:20 Std. anzupeilen, und wählte somit den zweiten Block von vorne. Ich hoffte, somit weder zu optimistisch, noch zu pessimistisch an die Sache ranzugehen.

 

Brezellauf

Die Startunterlagen im Rucksack verstaut und das Polska-Equipment für den anstehenden Brezellauf ausgepackt, machten wir uns auf den Weg vor den Messeturm, wo sich langsam aber sicher viele bunte Läufer eintrafen. Da wir durch unsere Verkleidung auffielen, gab es schnell erste positive Reaktionen, unter anderem auch von anderen Polen.

Beim Brezellauf ging es nicht um einen Wettkampf oder um Schnelligkeit, vielmehr gab es Läufer, die den großen Läuferpulk absichtlich gebremst und somit zusammengehalten haben. Vor dem Start gab es noch ein Aufwärmprogramm durch einige Cheerleaderinnen und während des Laufes konnte man seine Taschen in einem Bulli der Organisatoren lassen. Somit schien die ganze Veranstaltung sehr gut organisiert zu sein, obwohl es noch nicht der Tag X war.

Worauf ich mich während dieses Freundschaftslaufes sehr freute, war die Läuferprominenz, die sich hier blicken lassen wollte. Mit Herbert Steffny kündigte sich zum Beispiel ein ehemaliger deutscher Marathonläufer an, der den Frankfurt-Marathon dreimal gewinnen konnte und eine persönliche Bestleistung von 02:11:17 Std. aufweisen kann. Ein weiterer Spitzenathlet, mit dem ich mich fotografieren lassen habe, war Jan Frodeno, der Triathlon-Olympiasieger von 2008 in Peking. Ein Läufer, vor dem ich allerhöchsten Respekt habe und der heute genauso die 5 km gelaufen ist wie alle anderen, ist der 99-jährige Inder Fauja Singh. Mit 05:40:04 Stunden hält er den M90-Altersklassenweltrekord im Marathon (2003 in Toronto gelaufen) und hat dieses Jahr in Luxemburg mit 99 Jahren den Halbmarathon in 03:32:30 Stunden als bisher ältester Halbmarathon-Finisher beendet. (Nachtrag: 2011 ist er in Toronto als erster Hundertjähriger den Marathon in 08:25:16 Std. gelaufen). Am Sonntag lief er dann in einer Staffel-Mannschaft ungefähr einen Viertel des Marathons.

Zurück zum Brezellauf: Da sich um 10.30 Uhr eine große Gruppe von einigen hundert Läufern in Bewegung setzte, hatten sowohl die Bremsläufer vorne, als auch die Straßen sperrende Polizei alle Hände voll zu tun. Frankfurts Innenstadt wurde nämlich nicht extra für diese ¾-Stunde komplett gesperrt. Nachdem es durch den Hochhaus-Wald zum Main ging, verlief die Strecke zum größten Teil entlang der Ufer. Hierbei überquerten wir zunächst eine schmale und sehr wackelige Brücke, bekamen vom gegenüber liegenden Ufer einen schönen Blick auf die höchsten Häuser der City und wechselten danach wieder auf die nördliche Seite des Mains.

Im Ziel des Brezellaufes gab es - wie der Name schon verrät - eine große Brezel für jeden. Man plauderte, kam etwas zur Ruhe und machte Fotos, unter anderem mit zwei - unter Marathonläufern sehr bekannten - Spendenläufern: dem barfuß laufenden Pumuckl und dem Franzosen Michel. Beide sind fast wöchentlich irgendwo anders in Deutschland und Europa unterwegs und sammeln Spenden für gute Zwecke.

Uns allen hat der Brezellauf sehr sehr gut gefallen und hätten wir diesen nicht mitgemacht, hätten wir definitiv was verpasst, soviel steht fest. Nun wollten wir uns aber doch ein wenig frisch machen, etwas zu Mittag essen, um danach wieder zur Marathonmesse zurückzukehren. Folglich schnappten wir uns die Straßenbahn, fuhren zurück zum Parkplatz und legten kurz die Beine hoch.

 

Marathonmesse

Um ca. 14.30 Uhr waren wir dann wieder in der großen Messehalle. Wenn es einen "Ort" gibt, wo ich gerne shoppen gehe, dann ist es eine große Marathonmesse wie diese. Ein Großteil der Läufer schaut sich - wie auf jeder Marathonmesse - nach schönen, neuen (und hoffentlich günstigen) Laufschuhen um. So auch ich ;-)

Da ich am Montag Geburtstag haben werde und mir meine Eltern einen Gutschein für neue Laufschuhe schenken wollten, mussten sie zu diesem Zeitpunkt mit der Sprache herausrücken. Somit erfuhr ich 2 Tage früher, was ich hätte bekommen sollen und ich freute mich natürlich riesig. Die Suche nach Laufschuhen fiel mir auf Anhieb leichter und so entschied ich mich wieder für adidas-Schuhe (rote adidas adiZero Tempo).

Pasta-Party

Nach dem Besuch der Marathonmesse folgte um 17.00 Uhr die Nudelparty in der atemberaubenden Zieleinlaufhalle. Während parallel durch Interviews und Musik für gute Unterhaltung gesorgt wurde, bekam jeder einen Teller Nudeln mit Soße. Zwar habe ich in den letzten Tagen viel Pasta gegessen, aber zum Glück schmecken Nudeln ja auch gut.

Da die Nudelparty nicht unnötig in die Länge gezogen wird, heißt es für uns recht früh , wieder zurück zum Wohnwagen zu fahren. Wäre da nicht die Aufregung vor dem morgigen Tag, wäre die Nacht vor meinem ersten Marathon sicherlich eine längere und ruhigere gewesen. Aber was soll's, das ist wohl normal.

Sonntag, 31.10.2010

Vorher

Dank der Zeitverschiebung dauerte die Nacht eine Stunde länger als gewöhnlich und da sich auch die Aufregung noch im Zaum gehalten hat, war ich recht optimistisch, was das heutige Rennen betraf. Nach einem kleinen Frühstück nutzten wir den Shuttle-Service, um mit dem Bus in die City zu kommen. Gut 1,5 Stunden vor dem Start trafen wir auf dem Marathongelände René, einen guten Freund aus meiner Schule, der hier im Rahmen seines Praktikums bei unserer Lokalzeitung den rasenden Reporter spielen wollte. Das heißt, dass mein Marathon-Debüt lokal bekannt werden würde. Somit folgten schon früh die ersten Fotos und ein Interview vor dem Start. Nach kurzem Warmlaufen und einer Pipi-Pause verabschiedete ich meine Family 15 min vor dem Start und ging in meinen Startblock, die warmhaltende Folie noch um den Körper gewickelt.

Der Lauf

Nach einer kurzen Ansprache irgendeiner wichtigen Persönlichkeit fiel dann pünktlich um 10:00 Uhr der Startschuss. Die bunte Menschenmenge rund um mich herum applaudierte und schrie, während ich mir vor Angst und Respekt vor den kommenden 3 Stunden (+ mehr) in die Hose machte. Meine Warmhaltefolie warf ich rechtzeitig weg und ging dann mit allen Läufern langsam Richtung Startlinie, von wo aus es erst möglich war zu laufen. Dies dauerte in meinem Fall genau 01:41 min. Dann ging’s endlich los, auf ins Abenteuer „Marathon“.

Anstatt die vielen langsamen Läufer nun im Zick-Zack zu überholen, wollte ich mich diesmal absichtlich selber bremsen. Sehr ungewohnt, aber auf dieser Distanz musste das sein, um nicht am Ende einzubrechen. Auf den ersten 12 km, die allesamt mitten durch die City Frankfurts verliefen, fühlte ich mich noch sehr locker. Zudem gab es seitens meiner Family viel Motivation vom Streckenrand, da ich sie in der ersten halben Stunde gleich dreimal gesehen habe. Das nächste „Treffen“ soll erst bei KM 35,5 stattfinden.

Kurz nach KM 12 überquerten wir den Main über die Alte Brücke und befanden uns seither auf der ruhigeren, südlichen Seite Frankfurts. Von nun an folgten viele Geradeauspassagen ohne nennenswerte Sehenswürdigkeiten. Auch die Skyline Mainhattan’s konnte ich nicht genießen, da diese hinter mir lag und wir gen Westen liefen. Vor einer Unterführung bei KM 15 griff ich zum ersten kleinen Stück Banane. Ich wollte auf Nummer Sicher gehen und früh anfangen, Energie zu mir zu nehmen, um später keinen Einbruch zu erleiden. Somit gab es bei KM 20 das zweite kleine Stück Banane, abermals gefolgt von einem Becher Wasser. Da ich jedoch seit meiner Pipi-Pause vor dem Start einige Male ein bisschen Wasser getrunken habe und zudem weiterhin die Aufregung in meinen Gliedern steckte, bahnte sich kurz vor der Halbmarathon-Marke eine erneute Pause an. Um eine größere Differenz zwischen meinen beiden Halbmarathon-Zeiten zu verhindern, entschied ich mich, nur wenige Meter vor den Zeitmessmatten nach rechts in die Büsche zu verschwinden. Es waren nur wenige Sekunden, die mir aber das Laufen auf den folgenden Kilometern deutlich erleichterten. Die erste Hälfte absolvierte ich in 01:38:29 Std.; die durchschnittliche Geschwindigkeit lag bei 04:40 min/km.

Bis KM 24 blieben wir auf der südlichen Main-Seite genossen noch die wenigen, abwechslungsreichen Kurven, bevor auf der anderen Seite die fast 6 km lange Mainzer Landstraße auf uns wartete. Den Main überquerten wir über die im Westen gelegene Schwanheimer Brücke und tauchten direkt in den kleinen Stadtteil Frankfurt-Nied ein. Hier wurde durch die Anwohner noch einmal ordentlich Stimmung gemacht. Neben den Bands und Trommlern, fielen mir besonders die vielen motivierten Kinder auf, die erwartungsvoll ihre kleinen Hände ausstreckten um ein „High Five“ zu ergattern. Es wurde sogar untereinander gewetteifert, wer die meisten Abschläge bekommt. Ich habe es mir nicht nehmen lassen, fast allen Kindern ein „High Five“ zu geben.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ich besser.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ich besser.

Zwischen KM 29 und 30 war es dann soweit. Die lange Mainzer Landstraße in Richtung Osten der Stadt lag vor mir, mein Endgegner sozusagen. Wenn ich am Ende der Straße angekommen bin und es mir noch gut geht, sollte danach auf den letzten 6-7 km auch nichts mehr schief gehen. Außerdem motivierte es mich, in City-Nähe meine Family und René wiederzusehen. Die Sonne heizte uns mittlerweile ganz schön ein, Schatten gab es jetzt keinen mehr und die Zuschaueranzahl am Streckenrand nahm auch zusehends ab. Nun hieß es in meinen Augen ‚Kampf Mann gegen den bremsenden Schweinehund‘ oder ‚Kampf Mann gegen blanken Asphalt‘.

Bei KM 35 war es dann geschafft. Aber auch ich war geschafft und tatsächlich müde in den Beinen. Die weiteren Bananenstücke bei KM 25 und 30 haben mir also nicht genügend Energie gegeben. Trotzdem bin ich bis zu diesem Zeitpunkt zufrieden mit dem Rennverlauf, denn vom gefürchteten Mann mit dem Hammer fehlt bisher (zum Glück) jede Spur. Aus dem Grund gönne ich mir bei KM 35 erst mal einen Becher Cola, lecker! Kurz darauf sehe ich meine Family am linken Streckenrand, sodass ich eine 5-sekündige Gehpause einlege. Die Info, die ich zu dem Zeitpunkt losgeworden bin, war die Wahrheit: „Es ist hart ... wird noch härter ... bin k.o. ... aber es macht noch Spaß.“

Als es für mich auf die letzten Kilometer ging, haben sich meine Family und René auf den Weg zur Messehalle und somit zum Zielbereich gemacht. Für mich folgten nun wieder etwas stimmungsvollere Minuten mit mehr Zuschauern und mehr Applaus. Da ich nicht deutlich langsamer wurde, gab es nur eine kleine Hand voll Läufer, die mich jetzt noch überholte. Eine neue Aufregung machte sich in meinem Körper breit. Ein Runner’s High war das noch nicht, aber eine besondere Art der Vorfreude auf das Ziel!

Bei KM 41 bogen wir auf die Start-/Zielgerade ein und liefen dann förmlich auf den Mann mit dem Hammer zu, der hier in Frankfurt als großes Denkmal am Messeturm steht. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir richtig klar, dass ich mein Zeitziel locker erreichen werde. 03:20:00 Stunden sind drin, da die erste Hälfte etwas schneller war, als anfangs anvisiert. Dank dem Puffer genoss ich die letzte Gerade, bevor ich am Messeturm links abbog, um nur wenige Meter später rechts in die laute und blau erleuchtete Messehalle einzulaufen. Wahnsinn!!

Ich weiß nicht mehr, welches Lied gespielt wurde, aber es erzeugte wahnsinnige Gänsehaut. Auf einen Sprint habe ich gerne verzichtet. Stattdessen zog ich meine Mütze vor diesem Moment. Meine Family konnte ich in der gefüllten, lauten Halle leider nicht ausmachen, aber mein Kopf wollte vielleicht auch nicht.

Roter Teppich! Glitter-Regen! Cheerleader! Geile Musik! Meine Uhr zeigte 03:18:55 Stunden! Was will man als Marathon-Debütant mehr? Was will ich mehr? „Nichts“ lautet die Antwort. Außer die Finisher-Medaille. Die brauche ich, um es endgültig zu realisieren! BÄM! Im Ziel! Am Ziel meiner Träume bzw. am Ziel eines Traumes. Sowohl um mich herum, als auch in mir drinnen - nur PARTY!

 

Nachher

Hinter der Ziellinie wurden die Läufer rechts und links aus der Messehalle herausgeführt. Allerdings musste ich kurz innehalten, weil mir nach Beenden des Laufes schwarz vor Augen geworden ist. Kurz später folgten fünf kleine Stufen hinab, die mir ebenfalls schwer fielen. Ich lernte zu dem Zeitpunkt meinen Körper völlig neu kennen, mal wurde mir heiß, dann wieder kalt, fast ein bisschen gruselig. Zusammen mit der Medaille gab es für jeden Läufer eine große Alufolie zum Wärmen und daraufhin ein super-üppiges Läuferbuffet. Neben kalter Cola gab es alkoholfreies Bier, Nudelsuppe, Laugenbrezel, Weintrauben, Äpfel, Kekse und andere Leckereien. Circa 15 Minuten dauerte mein Mahl, dann wollte ich meine Lieben nicht länger warten lassen. Mit schweren Beinen, aber stolz mit Medaille geschmückt, schob ich mich durch die Läufermenge zum Ausgang des abgeschlossenen Zielbereiches. Dort wartete schon meine Family mit einem wunderschönen Geschenk auf mich. Es war ein Laufshirt mit all meinen gelaufenen Wettkämpfen, die ich bis zu meinem ersten Marathon bestritten habe.

Nachdem ich einiges vom Lauf berichtet hatte, sind wir gemeinsam zurück zur Marathonmesse gegangen, um meine Medaille mit Namen und Zeit gravieren und die Urkunde ausdrucken zu lassen.

Während meine Family noch etwas über die Messe laufen wollte, sind René und ich mit dem Shuttle-Bus zurück zu unserem Wohnwagen gefahren, um dort ein letztes Interview für das Kurzvideo aufzunehmen. Nach weiteren 20-30 Minuten haben wir uns verabschiedet und er hat sich auf den Rückweg in die Heimat gemacht. Für mich hieß es von da an, nur noch die Beine hochzulegen. Sie waren wie abgestorben, jedoch fühlten sich beide Beine gleich müde an und ich hatte zum Glück keine punktuellen Schmerzen. Das einzige, was ich an diesem Nachmittag/Abend noch gemacht habe, ist das Abschneiden meines Bartes. Dieser musste nun endlich nach dem Finishen meines ersten Marathons dran glauben :-)

Montag, 01.11.2010

Am Folgetag - meinem 20. Geburtstag - gab’s im Bett erst mal Geschenke, u.a. meine neuen roten Laufschuhe (Ferrari-Rot?!?). Trotz meinen Beinen aus Beton, haben wir es uns nicht nehmen lassen, ein wenig durch Frankfurts schöne Ecken zu spazieren. Wir haben viele Fotos gemacht, häufig wurde die Medaille stolz in die Linse gehalten und in einem kleinen Kiosk kauften wir die Frankfurter Tageszeitung. Auf deren Titelseite prangte ganz groß das Bild des gestrigen Siegers Wilson Kipsang, der mit 02:04:57 Stunden nicht nur den Streckenrekord pulverisiert hat, sondern zudem eine Weltklassezeit gelaufen ist.

Zurück am Wohnwagen bereiteten wir uns auf unsere Rückkehr vor und verließen Frankfurt dann am späten Montagnachmittag. Ich habe mich von dieser beeindruckenden Stadt mit einem „Auf Wiedersehen“ verabschiedet, denn das wird es früher oder später auf jeden Fall geben, da bin ich mir mehr als sicher! ;-)

 

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

42,195 km

 

03:18:55 Std.

 

03:20:36 Std.

 

Männl. Hauptklasse (81-90)

 

197. von 782 (25,2 %)

 

1509. von 7858 (19,2 %)

 

1597. von 9553 (16,7 %)