85. Öjendorfer See Marathon Hamburg
09.09.2017
Vorher
Der Öjendorfer See Marathon im Westen Hamburgs ist aus dem Laufkalender eines Marathon-Sammlers nicht mehr wegzudenken. Nicht zuletzt dadurch, weil dieser ganze 7 Mal jährlich am gleichen Ort
ausgetragen wird und daher von großer Beliebtheit ist. Nur so ist es möglich, dass ich bei der bereits 85. Austragung an den Start gehen kann.
Vor der September-Ausgabe dieses Events liegt in der Regel eine mehrmonatige Sommerpause. So dürfte man prinzipiell viele Teilnehmer erwarten, doch die Öjendorf Statistik beweist das Gegenteil.
Während im September häufig am wenigsten Leute starten, ist das Teilnehmerlimit von 150 Personen bisher tatsächlich nur in den Läufen Ende Dezember erreicht worden. Neben dem klassischen Marathon
über 11 Runden um den Öjendorfer See gibt es auch einen 22,66-km-Lauf über 6 Runden und einen 11,33-km-Lauf über 3 Runden im Angebot. Allesamt werden um 09:00 Uhr gestartet, wobei ein Frühstart
um 08:00 Uhr in Absprache möglich ist. Das Startgeld ist mit 13 € absolut im Rahmen, zumal die Verpflegung vom feinsten sein soll. Leider gibt es keine Finisher-Medaillen, jedoch machte ich mir
berechtigte Hoffnungen auf eine vordere Platzierung, sodass zumindest eine schöne Urkunde bei rumkommen sollte. Konkret gesagt habe ich den knapp sieben Jahre alten Streckenrekord ins Auge
gefasst, der bei 02:53:06 Stunden liegt. Wenn ich einen guten Tag erwische, sollte diese Zeit trotz leicht hügeliger Strecke zu schaffen sein.
Im Vorfeld des Marathons habe ich die Strecke natürlich schon mal ausgekundschaftet. Das liegt allerdings schon fast 2,5 Jahre zurück, da ich mich damals während meiner Praktikumszeit in Hamburg
für die 22,66 km vorbereitet hatte und krankheitsbedingt leider absagen musste. Somit nahm ich in diesem Jahr erneut Anlauf und wagte mich gleich mal an die Königsdisziplin.
In den 13 Tagen Pause zum vorherigen Marathon folgten noch vier Kurzdistanz-Wettkämpfe an einem Tag: am Mittwoch, den
30.08.2017, lief ich erstmals 200 m, 400 m und 1.500 m, bevor am späten Abend noch die 5.000 m in 17:28 min abgespult wurden. Das führte dazu, dass ich in den neun Tagen danach nur noch eine
Trainingseinheit folgen ließ. Der Rest diente der ebenso wichtigen Regeneration.
Als allerletzte Stärkung vor dem Projekt „Öjendorf-Streckenrekord“ folgte am Freitagabend eine Pasta Party, wie ich sie am liebsten habe: gemeinsam mit meiner Freundin Sophie, dabei einen schönen
Film guckend und dazu ein gutes Bierchen. In vorfreudiger Vorbereitung auf den diesjährigen Dublin Marathon Ende Oktober durfte es
diesmal auch ein gutes Guinness sein.
Für den Samstagmorgen hatten wir zwei uns so abgesprochen, dass mich der Wecker früher aus dem Bett klingelt und ich nach einem ganz kleinen Frühstück alleine zum Lauf aufbreche. Sophie sollte
später das Auto nehmen und zu meinem Zieleinlauf nachkommen. Das hing nicht allein mit der frühen Uhrzeit zusammen, sondern mindestens genauso mit dem miesen Wetter. Es kündigten sich Nieselregen
und verhältnismäßig niedrige Temperaturen an, was für uns Läufer ein kleineres Problem darstellt, als für potentielle Zuschauer.
Ich suchte mir somit eine U-Bahn- und Busfahrt raus, die mich innerhalb von 25 Minuten zu der Haltestelle „Gleiwitzer Bogen“ nördlich des Sees bringen sollte.
Das besagte kleine Frühstück bestand aus einem Käse-Toast und einem zweiten Toast mit Honig für unterwegs. Dann stapfte ich gegen 07:45 Uhr nach einer eher unruhigen Nacht etwas müde nach
draußen. Doch die frische Luft tat mir gut und als ich einige Male tief durchgeatmet hatte, kehrte endlich wieder Leben in meinen Körper. Und ich will in diesem Zustand mindestens 02:53:00
Stunden laufen? Das musste ich mir erst mal beweisen.
Eine knappe Stunde vor dem Start erreichte ich die genannte Bushaltestelle und hatte dann noch einen Kilometer Fußmarsch vor mir. Der Weg „Bruhnrögenredder“ führte mich an einigen Kleingärten
vorbei und über die Autobahn A24, bevor der See erreicht war, den ich im Uhrzeigersinn noch ein paar hundert Meter umrunden musste. Etwa 40 Minuten vor dem Start war das kleine Marathongelände
erreicht und so hatte ich noch genügend Zeit, um mich umzusehen. Meine kleine Tasche, in der ich den wärmenden Trainingsanzug nachher verstauen wollte, konnte ich in einem Umkleidezelt
deponieren.
Als die Startnummer in meinen Händen war, erkannte ich schnell den Fehler: es sind die falschen Startnummernblätter im Drucker gelandet, denn einen Schnee- und Eis-Marathon dürften wir im
September wahrlich nicht erwarten.
Während ich mich anschließend noch mit dem elektronischen Zeitmesschip beschäftigt hatte, kam ein junger Mann auf mich zu, der sich als Sport-Student vorstellte. Er und zwei weitere Kommilitonen
sind mit einem Fragebogen umher gelaufen, der sich konkret an Marathonläufer und deren Ziele und Motivation richtete. Da fühlte ich mich doch glatt angesprochen und beantwortete gern die paar
Fragen, bevor es zehn Minuten später mit meinem Aufwärmprogramm weiterging.
Ich wollte mich etwa 2 km einlaufen und das 600 m lange Marathon-Auftakt-Stück auskundschaften. Dieses mussten die Läufer der anderen Distanzen zu Beginn der ersten Runde nämlich nicht mitlaufen,
sodass hier für Öjendorf-Neulinge Verwirrung herrschen könnte. Zum Glück schien aber alles gut ausgeschildert zu sein, sodass ich mir keine Sorgen machen musste.
Wenige Minuten vor dem Startschuss versammelten sich die knapp 60 Starter rund um die Startlinie. Richtig gehört: „rund um“ die Startlinie heißt, dass einige Leute auch rechts und links VOR der
Startlinie standen und scheinbar keine Anstalten machten, sich dahinter zu stellen. Selbst nach ein paar Begrüßungsworten der Organisatoren blieb diese Formation erhalten und der Countdown wurde
dennoch runtergezählt.
Dass hier nicht alle konsequent hinter der Startlinie stehen mussten, hat sicher seine Gründe oder ist gar Tradition, irritierte mich aber nicht weiter. Ich hielt mich irgendwo in der Mitte des
Läuferpulks auf und hatte trotzdem vor, direkt zu Beginn nach vorne zu sprinten. Ich brauchte meinen Freiraum und war schon ganz vorfreudig auf das Laufen-Dürfen. Die trainingsfreien Tage mussten
gleich kompensiert werden. Ich hatte richtig Bock!
Der Lauf
Irgendwann erklang ein „Los!“ und die kleine Läuferschar setzte sich in Bewegung. Nachdem es knapp 50 Meter geradeaus ging, durften die anderen bereits links auf die See-Runde abbiegen, während
wir Marathonis einige Meter weiter nach rechts auf das Wendepunkt-Stück abbogen.
Der Untergrund sollte den gesamten Lauf über ein Schotterweg bzw. fester Waldboden sein, was durchweg gut zu belaufen war. Und das Wetter? Nunja, noch war es trocken, doch die dicken Wolken
kündigten Böses an. Wir durften gespannt sein.
Als der Wendepunkt erreicht war, ging es auf demselben Weg zurück und ich konnte all meinen Verfolgern einmal in die Augen schauen. Da es hier nicht um einen verbissenen Konkurrenzkampf ging,
lächelte ich freundlich und erhielt eine ebenso positive Reaktion zurück. Der erste Kilometer ging somit erstaunlich schnell rum (in 03:58 min) und lag damit leicht unter dem anvisierten Tempo
von 04:02 min/km, was auf eine Zeit von 02:50:00 Stunden hinauslaufen sollte.
Nun befand ich mich auf dem eigentlichen Rundkurs um den Öjendorfer See, der uns mal näher am Ufer und mal weiter entfernt gegen der Uhrzeigersinn herumführte. Auf insgesamt 3,75 km je Runde
erwarteten uns leichte Hügel, viele Pfützen und manches Mal Fußgänger mit frei herumlaufenden Hunden. Und all das insgesamt elf Mal.
Auf dem nördlichen Bogen durchkreuzten wir eine Wiese, von der es einen schönen Ausblick über den See gab. Hier saßen viele Feldhasen in mehreren Grüppchen, die es nicht zu wundern schien, dass
wir nur weniger Meter neben ihnen herliefen (KM 2 in 04:04 min). Am nördlichsten Punkt angekommen wechselte der Schotterweg in eine Art Waldweg durch eine Allee, die nun schnurgerade am
westlichen Ufer entlang führte. Am südlichsten Punkt musste ein kurzer gepflasterter Weg bergauf bezwungen werden, bevor es auf den welligen Teil des Kurses zuging (KM 3 und 4 in je 04:00
min).
Auch von hier wäre der Blick auf den See atemberaubend – wenn denn das Wetter schöner wäre. Vorbei an einem Toilettenhäuschen, einem Kinderspielplatz und einem Picknick-Bereich mit Tischen und
Bänken verlief der Weg zunächst leicht bergab und anschließend in einem langgezogenen, leichten Anstieg zurück Richtung Start-Ziel-Bereich. Dabei wurden zwei-drei kleine Waldstücke durchquert,
die diesen Lauf zu einem echten Natur-Marathon machen (KM 5 in 04:05 min).
Hochmotiviert und lächelnd überquerte ich die blaue Zeitmessmatte, warf einen Blick auf die Verpflegung rechts von mir und begab mich dann auf meine zweite Runde. Diese und alle restlichen Runden
würden etwas kürzer ausfallen, als die erste, da das kurze Wendepunktstück vom Anfang wegfiel. Also bog ich direkt links ab und lief weiter auf menschenleeren Wegen.
Es war aber nur eine Frage der Zeit, wann ich die ersten Läufer überrunden würde und wann sich zunehmend mehr Spaziergänger mit ihren Hunden dazugesellten. So genoss ich noch die Ruhe und
Lockerheit, die trotz kurzer Nacht wieder in meine Beine gekehrt ist. Flotten Schrittes absolvierte ich die nächsten 6 km in durchschnittlich 04:00 min/km (KM 6 bis 11 in 03:57-04:03
min/km).
Erst bei KM 12 gab es an einem leichten Anstieg einen kleinen Dämpfer (in 04:17 min). Dadurch war ich auf den folgenden zwei Runden wieder top motiviert und wollte die paar Sekunden wieder
rauszuholen (KM 13 bis 19 in 04:01-04:07 min/km). Ich lag gut im Plan und freute mich sogar über das trübe Wetter, denn an einem spätsommerlichen Tag Anfang September hätte es uns Sportler auch
wesentlich schlechter treffen können.
So waren nun 5 von 11 Runden abgehakt und die Halbmarathonmarke näherte sich. Ich durfte gespannt sein, wie groß mein Puffer trotz langsamem Kilometer 20 (in 04:18 min) auf mein
Streckenrekord-Vorhaben schon war. Nach KM 21 in 04:01 min folgte der Halbmarathon, den ich in 01:25:09 Stunden absolviert hatte. Perfekt auf Kurs also!
Im weiteren Verlauf wurde es wettertechnisch aber leider etwas ungemütlicher. Es kam der erste Nieselregen und allzu warm war es auch nicht. So fürchtete ich, dass es mir in meinem kurzen
Lauf-Outfit etwas kühl werden könnte.
Aber es nützte nichts, darüber ärgern konnte ich mich wann anders. Die Bedingungen waren ohnehin für alle gleich und so konzentrierte ich mich lieber auf die grüne Natur, die vielen Hasen auf den
Feldern und den Flugdrachen, den ein Mann auf der großen Wiese nordöstlich des Sees steigen ließ.
Kilometer um Kilometer, Runde um Runde sammelte ich weitere schnelle Abschnitte. Nur den leichten Anstieg am Ende einer jeden Runde merkte ich jedes Mal deutlich. Zwischen KM 22 und 33 lagen die
meisten Kilometer im Bereich von 04:00-04:09 min/km. Die Ausnahme bildeten 3 km (KM 23 in 04:15 min, KM 27 in 04:19 min und KM 31 in 04:21 min).
Da es auf der Strecke keine Einzelkilometer-Markierungen gab, ahnte ich erst spät, dass meine GPS-Laufuhr den Rundkurs etwas kürzer gemessen hat, als sie sollte. Dadurch würde ich laut meiner Uhr
den Lauf irgendwo zwischen KM 41 und 42 beendet haben, nicht aber nach 42,195 km. Das ist für diese Uhren nicht ungewöhnlich und für mein persönliches Ziel sogar ein guter Umstand, da ich früher
als gedacht im Ziel sein dürfte.
So machten mir auch die folgenden 5 km keine Sorgen mehr, die ich in etwas langsameren 20:53 min hinter mich brachte (KM 34 bis 38 in 04:09-04:12 min/km). Das Ende der 10. Runde stand mir kurz
bevor und ich war bereits seit einiger Zeit gespannt, wann Sophie zum Öjendorfer See dazustoßen würde. Vielleicht war es ja jetzt soweit?!
Und tatsächlich erkannte ich sie, sobald ich rechts abbog und auf der Zielgeraden war. „Eine noch“ rief ich ihr nur zu und fokussierte mich weiter auf die letzte Runde. Nun hieß es: Alles oder
nichts!
Mit jedem schnellen Schritt mehr ahnte ich, dass heute nicht nur eine Zeit von knapp unter Streckenrekord möglich war, sondern sogar eine Zeit von unter 02:50 Stunden. Na wenn das mal kein
Ansporn ist, …
Ein letztes Mal ballerte ich über die große Drachen- und Hasenwiese (KM 39 in 03:54 min), ein letztes Mal ballerte ich über die lange Allee entlang des Westufers (KM 40 in 03:58 min), ein letztes
Mal ballerte ich am Spielplatz und Toilettenhäuschen vorbei Richtung Hügel (KM 41 in 03:56 min) und ein letztes Mal musste ich den mittlerweile ganz schön großen Pfützen ausweichen und durch die
kleinen Wäldchen laufen.
Laut meiner Uhr waren es schließlich nur noch 460 Meter bis ins Ziel, die ich in 01:50 min abgespult hatte (03:59 min/km). Und da war dann auch erst die Gewissheit, dass es mit der überraschenden
Zeit von 02:49:16 Stunden geklappt hat. Streckenrekord, juhuuu!
Nachher
Plitschnass und überglücklich lief ich rechts an Sophie vorbei und hielt es einige Meter weiter an. Die Beine waren schon ganz schön müde, aber das Adrenalin ließ mich das in diesem Moment nicht spüren. Es war einfach ein mega geiles Gefühl!
Mit Sophie entschieden wir uns, so kurz wie möglich draußen zu bleiben. So gönnte ich mir nur eine Kleinigkeit vom Verpflegungstisch und ein-zwei Becher Cola, bevor ich den kleinen Rucksack aus
dem Zelt holte und wir ins Auto verschwanden. Dieses hat Sophie nur wenige Meter entfernt parken können und so hatten wir unweit der Siegerehrung, die nach Einlauf des Drittplatzierten
stattfinden sollte, erst mal ein Dach über den Köpfen.
Nachdem ich in trockene Klamotten geschlüpft war und vom Beifahrersitz mit ein paar Leckereien versorgt wurde, warteten wir noch weitere 30 Minuten bis jemand aus dem Organisationsteam zu uns
kam, um uns Bescheid zu geben. Die Siegerehrung stand bevor und ich erhielt tatsächlich eine sehr schöne, goldene Urkunde und dazu einen Baumkuchen.
Beides war mir nicht so wichtig, wie die gelaufene Zeit, denn nur durch diese wurde auch ich in die lange Öjendorfer Marathon-Statistik aufgenommen. Mein Grinsen wollte nicht weichen.
Mit mittlerweile schweren Beinen und in Vorfreude auf eine warme Dusche fuhren wir zurück in meine Wohnung. Dort stand uns noch mehr als das halbe Wochenende bevor und ich freute mich riesig darauf.
Nachtrag vom 28.12.2017: Nur 3,5 Monate später wurde mein Streckenrekord doch tatsächlich erneut geknackt. Fast 9 Minuten schneller war Timo Schaffeld bei der 88. Austragung (02:40:18 Std.) und könnte mit dieser Zeit womöglich auf ewig an der Spitze bleiben. Chapeau!
Zahlen & Fakten
Distanz
Gelaufene Zeit (Netto)
Gelaufene Zeit (Brutto)
Altersklasse
AK-Platzierung
Platzierung (Männer)
Gesamtplatzierung
42,195 km
02:49:16 Std.
02:49:16 Std.
Männl. Hauptklasse (88-97)
1. von 2
1. von 30 (3,3 %)
1. von 38 (2,6 %)