1. Soul Kitchen Halle Marathon HH-Wilhelmsburg
27.08.2017
Vorher
Ein paar Wochen vor diesem besonderen Lauf in Wilhelmsburg im Süden Hamburgs begab ich mich auf die Suche nach einem günstigen Event mit besonderem Charakter. Fast schon aus Gewohnheit landete
ich bald im Laufkalender von Christian Hottas, dessen Marathon-Angebote ich in diesem Jahr schon häufiger in Anspruch genommen hatte. So lief ich nicht nur einen kurzen Ultra an den Teichwiesen in Volksdorf und über den Horizontweg in
Georgswerder, sondern auch an Vatertag durch einen kleinen Wald in Wohldorf-Ohlstedt und im Juli um die Billerhuder Insel herum.
Doch was war nun das Besondere an dem bevorstehenden Ort, den ich unter die Füße nehmen wollte? Meine Erwartungen an diese industriell geprägte Region Hamburgs waren eher bescheiden, sodass ich
in dieser Hinsicht nicht enttäuscht werden dürfte. Auch die Runden-Dreherei war ich bereits gewohnt und hatte mit den 30 zu laufenden Runden à 1,409 km kein Problem. Und was durfte ich mir unter
der Soul Kitchen Halle vorstellen? Dazu lohnte ein Blick in die Ausschreibung.
Diese verriet nämlich unter anderem, dass die alte Halle im Jahr 2009 für den vielfach ausgezeichneten Film „Soul Kitchen“ von Fatih Akin als Drehort diente. Ein Film, von dem ich noch nie zuvor gehört hatte. Jedoch sind meine mangelhaften Film-Kenntnisse auch kein Maßstab, sodass es sich sehr wohl um einen sehr guten Film handeln könnte. Somit nahm ich mir fest vor, den Film bis zum Tag des Marathons geguckt zu haben. Die besagte Halle wurde im Übrigen am 31.08.2012 von den Behörden geschlossen und steht seither fast fünf Jahre leer. Christian Hottas hat diesen Lauf aus genau diesem Grund mitunter als Lost Places Marathon ausgeschrieben.
Da an diesem späten August-Wochenende auch meine Freundin Sophie wieder in Hamburg sein würde, planten wir im Vorfeld, was wir an diesen drei Tagen unternehmen könnten. Dabei stellte sich heraus, dass Sophies Vater in Hamburg eine Fortbildung haben sollte, was uns die Entscheidung ein wenig abnahm. Für Freitag und Samstag standen somit interessante Sightseeing-Orte auf dem Plan. Unter anderem verbrachten wir den Freitagabend in der Sternschanze und besuchten am Samstag die Landungsbrücken und die Hafencity. Als uns plötzlich auffiel, dass die Warteschlange vor der Elbphilharmonie-Plaza verhältnismäßig kurz war, ergriffen wir die Gunst der Stunde und besorgten uns kostenlose Tickets für die nächst beste Uhrzeit. Auch für mich sollte es das erste Mal werden, dass ich die Plaza betreten sollte, und wir freuten uns trotz bewölktem Wetter auf schöne Ausblicke.
Am Samstagabend, als wir Sophies Vater wieder zu seinem Auto begleitet haben und er Hamburg Richtung Heimat verlassen hat, fuhren wir leicht erschöpft vom vielen Spazieren weiter nach Hause. Dort erwartet uns an diesem Tag nur noch die Pasta Party mit entspanntem Filmgucken. Und welcher Film hätte besser gepasst, als „Soul Kitchen“? Keiner!
Am nächsten Morgen fuhren wir nach einem kurzen Frühstück gegen 08:45 Uhr los. Unterwegs hielten wir noch kurz an, um für Sophie einen Coffee-to-Go an einer Tankstelle zu holen.
Der Start und das Ziel befanden sich direkt an der alten Soul Kitchen Halle in der Industriestraße 101 – und hier war der Straßenname Programm. Denn als wir um 09:15 Uhr ankamen, war es beinahe
gruselig, wie leer die Straßen waren. Eine alte Industriehalle reihte sich an die nächste an, parkende LKWs säumten die Straßen und es war kaum eine Menschenseele zu sehen. Erst unmittelbar an
der Halle konnten wir ein paar „übliche Verdächtige“ identifizieren. Damit sind die Personen gemeint, die man bei den kleinen Marathons in und um Hamburg häufiger antrifft – gern auch als
„Wiederholungstäter“ bezeichnet.
Der Kofferraum von Christians kleinem rotem Auto diente als Anmeldebüro, wo wir uns unsere Startnummern abholen konnten. Die Startgebühr in Höhe von 10 Euro hatte ich schon eine Woche im Voraus
überwiesen. Anschließend holte ich meine Trinkflasche mit Wasser aus meinem Auto und platzierte sie auf dem unbemannten Verpflegungstisch. Das machte ich, weil es neben Cola und Zitronentee
leider kein Wasser im Angebot gab. Außerdem müsste ich so beim Vorbeilaufen nicht nach meinem Plastikbecher suchen, sondern könnte bequem direkt zur Flasche greifen.
Während ich meine Wettkampfklamotten anzog, die Schnürsenkel meiner Hoka Laufschuhe fest verschnürte und mich ein paar hundert Meter warmlief, blieb Sophie solange im Auto. Da es noch früh am
Morgen war und das Wetter ein paar dicke Wolken parat hatte, war es dort noch etwas wärmer, als draußen.
Pünktlich um 10 Uhr, als der Start-Ruf hätte ertönen müssen, trommelte der Veranstalter nochmal alle 13 Teilnehmer zusammen und erzählte ein paar interessante Fakten zu der heutigen Laufstätte.
An vielen Ecken der Halle konnten wir uns die gestern gesehenen Filmszenen nochmal bildlich vorstellen. Ein sehr guter und humorvoller Film übrigens, den ich wärmstens empfehlen kann.
Nachdem das Gruppenfoto im Kasten war, begaben wir uns zur imaginären Startlinie neben dem Verpflegungsstand und erhielten ein paar letzte Einweisungen zur bevorstehenden Strecke. Dabei wurde
mehr oder weniger demokratisch entschieden, dass wir sogenannte „Waschmaschinen-Runden“ laufen sollten. Mir war der Begriff zunächst unbekannt und natürlich bin ich jederzeit offen für Neues. Als
es bei mir dann aber Klick gemacht hat, hätte ich mich doch lieber dagegen entschieden. Nach jeder Runde musste demnach ein Richtungswechsel erfolgen, sodass wir bei 30 Runden genau 29
Richtungswechsel vor der Brust hatten: 180°-Wenden natürlich.
Da für alle die gleichen Bedingungen herrschten, sprach ich mich nicht mehr dagegen aus. Und auch meinem persönlichen Ziel, hier eine Zeit von unter 3 Stunden zu laufen, dürfte dieser Rennverlauf
nicht allzu sehr im Wege stehen. Eine kleine Herausforderung mehr eben.
Etwa fünf Minuten nach 10 Uhr wurden nochmal alle nach ihrer Bereitschaft gefragt. Alles klar, ich war bereit! Ich fühlte mich gut, die Laufuhr hat ihre GPS-Verbindung gefunden und auch Sophie
war bereit, ein paar Startfotos von uns zu knipsen. Meine Vorfreude war groß, zumal nun auch zunehmend die Sonne rauskam und es wunderschön sommerlich wurde.
Mit einem durch Christian Hottas ausgesprochenen „Los geht’s!“ wurden wir entgegen des Uhrzeigersinns auf die gut 1,4 km lange, fast rechteckige Laufrunde geschickt.
Der Lauf
Schon nach nur 100 Metern hatte ich scheinbar einen Vorsprung von 50 Metern erlangt. Ein so ambitioniertes Ziel, wie ich es hatte, schien niemand anderes zu haben. Aber da ich unter den Teilnehmern bereits für schnelle Rennen bekannt war, sah man meinen flotten Antritt – hoffentlich – nicht als überheblich oder arrogant an.
Nach knapp 150 Metern war der südlichste Punkt des Kurses erreicht und wir bogen an der Straßenkreuzung links ab, um die Brücke über den Veringkanal zu überqueren. Direkt dahinter ging es
abermals scharf nach links und wir gelangten auf einen schönen, schmalen Weg direkt am Kanal entlang. Dieser Abschnitt war der einzige hügelige bzw. wellige, an dem wir heute ein paar Höhenmeter
sammeln konnten. Darüber hinaus war das Streckenprofil aber sehr flach.
Nun ging es über den leicht kurvigen Spazierweg gen Norden, vorbei an einer kleinen, verkommenen Halle, in der sich ein Tattoo-Studio einquartiert hat. Kurze Zeit später gelangte man zu einem
Restaurant oder Café namens Tur Tur, das eine sehr ökologische, nachhaltige Erscheinung hatte. Ich entschied mich früh dazu, Sophie hier nachher hinzuschicken, denn diese Seite des Kanals wirkte
sehr viel einladender für Spaziergänger und Zuschauer, als die lange Start-Ziel-Gerade.
Mit Erreichen der Hälfte des Kurses sollten wir nach links auf einen hölzernen Steg ausweichen, der uns über die Länge von knapp 100 Metern über das stehende Gewässer führte. Am Ende des Stegs
lag ein kleiner Park mit einem Spielplatz, der sicher im Verlauf des Tages etwas mehr Besucher erfahren würde, als jetzt.
Am nördlichsten Punkt der Route angekommen, bog ich erneut links ab und passierte ein paar kleine, neue Wohnblöcke. Der schmale Weg führte geradewegs wieder auf die Industriestraße zu, die die
besagte Start-Ziel-Gerade war. Hier lag auch die sogenannte Honigfabrik, ein Kulturzentrum mit Ateliers und Werkstätten für Menschen jeden Alters.
Fotos zu all den beschriebenen Highlights, die diese Strecke bot, folgen im späteren Verlauf des Berichts. Dank Sophie, die sich nachher tatsächlich einen großen Spaziergang gönnte, habe ich
viele schöne Streckenfotos auf meinem Handy wiedergefunden.
Erneut auf der breiten Industriestraße angelangt, lief ich diese gen Süden und hatte hier mit leichtem Gegenwind zu kämpfen. Dieser hielt sich aber in Grenzen und sollte meinen Rhythmus nicht
weiter beeinflussen. Erst jetzt war KM 1 erreicht (in 04:09 min) und mit diesem Tempo konnte ich mehr als zufrieden sein. Endlich habe ich mal nicht zu schnell begonnen.
Kurz vor dem Verpflegungstisch angekommen, sah ich Sophie am linken Streckenrand. Sie hatte wieder das Handy im Anschlag und fotografierte meinen ersten 180°C-Richtungswechsel. Man sieht meiner
Körperhaltung an, wie schnell ich diese Wende hinter mir haben wollte.
Auf meiner nun zweiten Runde lief ich erstmals im Uhrzeigersinn und ahnte schon, dass dieses „Waschmaschinen-Prinzip“ auch seine Vorteile hat. So konnte man auf einer schönen Strecke die schönen
Dinge von unterschiedlichen Perspektiven angucken. Und auch den 13 Laufkollegen kann man so von vorne zulächeln und schnell einen kurzen Satz loswerden – viel kommunikativer also.
Etwa bei KM 1,6 versuchte ein rot-gelber Doppeldecker umständlich und langsam aus einem Hof heraus zu fahren. Dadurch ergab sich die Situation, dass ich rechts und links davon keinen Spalt mehr
zum Hindurchlaufen hatte. Leichtes Abbremsen war nötig. Aber dann hatte der Busfahrer es endlich geschafft und ich konnte weiterflitzen.
Im Norden des Kurses umrundete ich wieder das Ende des Veringkanals und steuerte dann wieder geradewegs auf den Holzsteg zu. Unterdessen kamen mir die ersten Verfolger entgegen und ich sah, dass
der Rückstand schon jetzt sehr groß war.
KM 2 erreichte ich nach erneuten 04:09 Minuten. Und es ging wieder Richtung Süden auf den schönen parkähnlichen Abschnitt zu, an dessen Ende es zur Brücke leicht hinaufging. Dahinter bog ich
rechts ab und befand mich 150 Meter vor der Verpflegungsstelle und dem Beenden der 2. von 30 Runden.
Sophie knipste abermals schöne Wendepunkt-Fotos von mir und ich freute mich darüber, sie heute so viele Male sehen zu können. Außerdem war ich sehr glücklich mit der Wahl dieser Marathonstätte,
die so unglaublich viele klitzekleine Sehenswürdigkeiten zu bieten hat. Es bestätigt mich in meiner Meinung, dass sich viele kleine, schöne Runden mehr lohnen, als ein riesengroßer, langweiliger
Marathonkurs.
Die folgenden zwei Kilometer absolvierte ich jeweils in 04:13 min, was auch noch völlig im Rahmen meines Wunschtempos lag. So fing meine Runden-Sammelei in einer sehr gleichmäßigen
Geschwindigkeit an und ich war zuversichtlich, dass ich das noch einige Zeit durchhalten könnte.
Während ich so meine Runden drehte, die Sonne trotz einiger Wolken weiter vom Himmel lachte und die Temperatur von 16 auf 24°C anstieg, hielt Sophie weitere Laufimpressionen fest. Alle Fotos in
diesen Bericht zu stecken, würde übrigens den Rahmen sprengen.
Bis KM 14, also bis zum Erreichen des ersten Drittels, war kein Kilometer langsamer, als 04:13 Minuten. Insgesamt hat das Drittel 58:22 min gedauert, was im Schnitt 04:10 min/km ausmacht. Damit
lag ich auf einem guten Weg Richtung der anvisierten Zielzeit von unter 3 Stunden. Auch das „Waschmaschinen-Prinzip“ hat bisher keine negativen Auswirkungen gezeigt, doch gerade bei den scharfen
Wendepunkten war nach wie vor Vorsicht geboten, sodass die Knie auch beim 29. Richtungswechsel noch hielten.
Nach einer knappen Stunde wollte ich endlich, dass auch Sophie etwas von der Strecke mitbekommt, und so bat ich sie das eine Mal am Verpflegungstisch eindringlich, zu dem Café auf die andere
Seite rüber zu gehen. Ich rief ihr zu, dass eine Tasse Kaffee auf meine Kappe ginge. Und am besten sollte sie auf ihrem Rückweg auf der zweiten Hälfte der Runde zurückgehen.
Da Sophie anschließend den Weg im Uhrzeigersinn um den Veringkanal angetreten ist, hatte sie zunächst die lange Gerade der Industriestraße vor sich. Auf dieser baulich eher unattraktiven Straße
fiel zum Beispiel auf, dass sich zwischen den Baracken eine Kita befand. Diese sah zwar nicht sehr einladend ein, versuchte jedoch mit freien Kita-Plätzen zu überzeugen. Warum nicht? Wenige Meter
weiter passierte man einen großen Hof mit einigen wilden Gärten, Blumenkübeln und Kunstgegenständen. Diese Ecke sprach schon eher den naturliebenden Städter an, den wir zwei unter Umständen
verkörpern.
Dass Sophie dieses Fleckchen entdeckte, sah ich erst beim Durchforsten der Fotos. Während des Laufs hatte ich keinen so großen Weitblick für alle einzelnen Details der Innenhöfe.
Am nordwestlichen Punkt des Kurses angelangt, stand man vor der bereits erwähnten Honigfabrik, die ebenfalls ein Café beherbergte. Hier begegnete ich Sophie und hoffte, dass sie mich vorhin nicht
missverstanden hat: denn nicht dieses Café ist das, das ich gemeint hatte.
Auf dem Foto, das sie an dieser Stelle von mir geschossen hat, sieht man im Übrigen den Zweitplatzierten Rico Bogacz, der mich auf diesem Abschnitt ein paar hundert Meter begleitet hat, indem er
sein Tempo etwas angezogen hat. Anschließend musste er wieder abreißen lassen und ließ mich alleine rechts um die Ecke biegen.
Hier erreichten wir das Ende des Veringkanals und damit auch stehendes Gewässer. Das führte zu großem Algenwachstum, was der Szenerie aber noch mehr Charme verlieh. Über einen gepflasterten Weg
ging es an den neuen Wohnblöcken vorbei und auf den kleinen Park mit kleinem Spielplatz zu.
Da meine persönliche Fotografin die Landschaft scheinbar genauso sehr genoss, hatte sie ein sehr gemächliches Spaziertempo eingelegt. Aus diesem Grund verwirren die kommenden Fotos ein wenig, da
ich das eine Mal gegen und ein anderes Mal im Uhrzeigersinn auf sie zugelaufen kam. So sammelte ich Runde um Runde, während Sophie noch ein paar hundert Meter vor sich hatte.
Nach dem kleinen Spielplatz folgte wieder der hölzerne Steg: mein persönliches Highlight der Strecke, da dieser übers Wasser führte. Einziges Manko war nur, dass man in einer engen
Rechts-Links-Kombi rauf- und wieder runterlaufen musste. Bei ein-zwei Passanten oder entgegenkommenden Läufern entstand so schnell mal ein Nadelöhr und die Ideallinie musste unterbrochen werden.
Aber hier ging es nicht um Rekorde, sondern viel mehr um den Spaß. Und dieser kam trotz solcher Mini-Umstände nicht zu kurz.
Am Ende des Holzstegs kam man an dem besagten Café und Restaurant an, wo ich Sophie ab meiner kommenden Runde sitzen sehen wollte. Immerhin befand ich mich mittlerweile in meiner 15. Runde und
hatte somit gleich die Hälfte hinter mir. Und sie sollte ihren Kaffee oder Tee nicht zu schnell genießen müssen, um dann wieder zu meinem Zieleinlauf zurück zu hetzen.
Wie ich im Nachhinein erfuhr, gönnte sich Sophie dort einen extravaganten Tee und nahm dabei draußen in unmittelbarer Nähe zum Steg Platz, von wo aus sie einen schönen Blick auf die Laufstrecke
hatte. Während der folgenden guten Stunde ließ sie das Handy weg, las ein Buch und genoss die Ruhe und das schöne Wetter – richtig so!
Was ich ebenfalls erfuhr, ist, dass sich im selben Gebäude des Cafés unter anderem eine Kunstaustellung sehr bunter und zum Teil kurioser Tierbilder befand. Diese wurden für Preise von bis zu
1000 Euro angeboten.
Bis zu meiner Halbzeit mischten sich nur zwei minimal langsamere Kilometerzeiten unter (KM 15 in 04:14 min und KM 21 in 04:17 min). Der Rest bewegte sich nach wie vor im idealen Bereich von 04:11
min/km. Damit beendete ich den ersten von zwei Halbmarathons nach 01:27:46 Stunden. Hochgerechnet würde das eine Zielzeit von 02:55:32 Stunden bedeuten, was absolut super wäre!
Da es aber nicht nur spürbar wärmer wurde, sondern mir auch die 180°-Wenden und paar Höhenmeter zusetzten, blieb ich mit meiner Prognose vorsichtig. Zumindest funktionierte das Trinken nach wie
vor problemlos. Bei Richtungswechseln mit Einsatz der Wasserflasche benötigte ich meist drei-vier Sekunden mehr. Das war völlig im Rahmen und durfte auch nicht weniger werden, denn regelmäßiges
Trinken war wichtig.
Alle folgenden Kilometer-Abschnitte bis einschließlich KM 30 bewegten sich zwischen 04:10 min und 04:15 min. Eine solche Gleichmäßigkeit habe ich äußerst selten. Erst in der kritischen Phase
eines Marathons wurde es auch heute etwas unrhythmischer für mich (KM 31 in 04:18 min, KM 32 in 04:11 min, KM 33 in 04:17 min). Für die folgenden fünf Kilometer bis einschließlich KM 38 hatte ich
21:20 min gebraucht und das mit etwas größeren Schwankungen (zwischen 04:09 min und 04:21 min).
Als ich mich zu Beginn meiner vorletzten Runde befand und damit ein letztes Mal gegen den Uhrzeigersinn lief, kam mir Sophie nach ihrer Tee-Auszeit langsam entgegen. Ich rief ihr zu, sie könne sich schon mal zum Start-Ziel-Bereich begeben, da ich nur noch knapp drei Kilometer vor mir hätte. Sie gab mir ein Zeichen, dass sie sich beeilen würde, und spazierte diesmal über den Abschnitt, den sie noch nicht kannte. So konnte ich nachher noch ein paar Streckenfotos mehr auf meinem Handy wiederfinden.
Da die letzten paar Runden echt hart waren und ich ganz leicht Federn lassen musste, wollte ich eine umso schnellere Schlussphase einlegen. Meine letzten Reserven konnten mobilisiert werden und
so legte ich auf KM 39 bis 41 einen super Steigerungslauf hin (04:09 min, 04:07 min und 03:58 min). Damit war mein vorletzter Kilometer der schnellste des Tages.
Für den Rest bis ins Ziel hat meine GPS-Uhr lediglich 850 Meter gemessen. Scheinbar wurde so manche enge Kurve in der GPS-Aufzeichnung abgekürzt, sodass nur 41,85 km zusammen gekommen sind. Dass
es sich hier dennoch um mindestens 42,195 km handelte, konnte uns garantiert werden, zumal der Veranstalter die Strecke mit einem geeichten Messrad vermessen hat.
Laut meiner Berechnung konnte ich die zweite Streckenhälfte dank meines Endspurts in 01:27:28 Stunden absolvieren, was einem negativen Split entspricht (d.h. dass die 2. Hälfte um 18 Sekunden
schneller war, als die erste).
Mit einem riesigen Grinsen und ausgebreiteten Armen lief ich der imaginären Ziellinie entgegen und sah von weitem, dass Sophie ein wenig überrascht wirkte. Sie schien noch nicht mit mir gerechnet
zu haben, sprintete vor mir Richtung Ziellinie während sie das Handy entsperrte, drehte sich geschwind um und knipste drauf los. Es ging alles so rasend schnell!
Und dann war es soweit, Marathon Nr. 12 für dieses Jahr war eingetütet und das in insgesamt 02:55:14 Stunden, sauber! Das Schönste daran ist, dass es wieder einer dieser besonderen Läufe war, bei
denen man nichts erwartet hat und in vielerlei Hinsicht positiv überrascht wurde.
Nachher
Natürlich fiel ich in erster Linie meiner Freundin in die Arme, die den Morgen und Vormittag hoffentlich ebenfalls genossen hat. Sie ließ mich zuerst ein paar Worte erzählen, bevor auch sie von
ihren Impressionen berichtete. All das direkt am Verpflegungstisch, wo wir uns zur Belohnung an Cola und Kuchen bedienten.
Wenig später stießen nacheinander Christian Hottas und ein paar weitere Läufer zu uns und gratulierten mir. Von Christine Schröder, einer Läuferin mit deutlich über 750 Ultras und Marathons auf
dem Konto, erhielt ich feierlich meine Medaille überreicht. Erst anschließend, als sich der Trubel wieder gelegt hatte und die Teilnehmer wieder auf der Strecke waren, ging ich zu Christians
Auto, an dessen Seite eine große Plastikbox stand. Aus vergangenen Läufen weiß ich, dass sich darin das Klemmbrett mit vorgedruckter Teilnehmerliste befand. In dieser Liste galt es, seine selbst
gestoppte Zielzeit und Platzierung einzutragen.
Da ich keine weitere Erholungspause brauchte, waren wir um 13:15 Uhr bereits wieder im Auto und auf dem knapp halbstündigen Weg zurück nach Hause. Dort gab es zunächst mal eine wohl verdiente
Dusche und eine Kleinigkeit zu Trinken und zu Essen. Beinahe zeitgleich machten wir uns wieder ausgeh-fertig, denn das Wochenende war noch lange nicht zu Ende. Für 15:00 Uhr hatten wir das
Beachvolleyball World Tour Finale der Männer eingeplant, das im Open Air Stadion in Hamburg-Rotherbaum stattfinden sollte. Der Eintritt war frei und es handelte sich um ein Event, wie ich es noch
nie gesehen hatte. Lediglich der zeitliche Schuh drückte ein wenig, aber das waren wir nicht anders gewohnt.
Mit etwas Glück kamen wir pünktlich fünf Minuten vor Spielbeginn an und fanden auf Anhieb einen Platz auf der Tribüne. Unsere selbst mitgebrachten Chips waren schnell aufgefuttert, aber für den
ersten Hunger reichte es.
Nach einem stimmungsvollen Spiel bei bestem Sommerwetter und einem schnellen Sieg der US-Amerikaner gegen die Brasilianer, entschieden wir uns noch dafür, zur Sternschanze zu fahren und dort
Kumpir zu essen. Für mich war es eine Art der Erlösung, denn mein Marathon-bedingter Hunger war zwischenzeitig wieder größer geworden.
Und da Sophie und ich nach all den Erlebnissen vom Freitag, Samstag und dem heutigen Sonntag immer noch nicht genug hatten, sind wir am späten Abend um 22 Uhr noch im Park „Planten und Blomen“ gewesen, um uns die Wasserspiele anzusehen. Nach einem anschließenden Spaziergang fuhren wir gegen 23 Uhr mit der U-Bahn zurück und ließen das Wochenende zu Hause noch entspannt ausklingen.
Ein volles und sehr aufregendes Wochenende ging damit zu Ende. Und obwohl wir uns häufiger mal vornehmen, ein Wochenende nicht so voll zu stopfen, genießen wir es total, dass diese schöne Hansestadt gerade im Sommer so viel zu bieten hat.
Hamburg, uns’re Perle!
Zahlen & Fakten
Distanz
Gelaufene Zeit (Netto)
Gelaufene Zeit (Brutto)
Altersklasse
AK-Platzierung
Platzierung (Männer)
Gesamtplatzierung
42,27 km
02:55:14 Std.
02:55:14 Std.
Männl. Hauptklasse (88-97)
1. von 1
1. von 9 (11,1 %)
1. von 13 (7,7 %)