13. Kleinbahn Wohldorf-Ohlstedt Marathon HH
25.05.2017
Vorher
Wann kann man(n) schon mal einen Marathon unter der Woche laufen, ohne dafür Urlaub nehmen zu müssen? Richtig, an einem gesetzlichen Feiertag. Und das dritte Wort dieses Berichts deutet bereits
an, welchen Tag ich mir in diesem Jahr für ein solches Event ausgepickt hatte: Christi Himmelfahrt – oder im Volksmund besser bekannt als Vatertag – am Donnerstag, den 25. Mai.
Über vier Wochen nach dem Frühlings-Highlight in Warschau sollte nun wieder ein kleinerer, weniger spektakulärer Marathon folgen.
Hierfür hatte ich mich wieder mal im Laufkalender von Christian Hottas, dem Weltrekordler im Marathon-Sammeln, umgesehen. Bei zwei seiner Veranstaltungen nahm ich in diesem Jahr bereits teil und
so war ich mir sicher, für Ende Mai etwas Besonderes finden zu können.
Die Wahl fiel auf den Kleinbahn Wohldorf-Ohlstedt Marathon, der bereits zum 13. Mal im Norden von Hamburg stattfinden sollte. Christian Hottas hat dieses Event als Lost Places Marathon deklariert
und macht damit deutlich, dass es sich hier um eine Laufstätte auf historischem Grund handelt. In diesem Zusammenhang möchte ich sehr gern einen Teil der ausführlichen Beschreibung aus der
Ausschreibung zitieren:
„Seit dem 29.09.1904 verkehrte die „Elektrische Kleinbahn Alt-Rahlstedt – Volksdorf AG“ (EKV) zwischen dem Bahnhof Rahlstedt […] und Volksdorf. Anfangs fanden 13 Fahrten täglich statt, die
Fahrtdauer auf der sechs Kilometer langen Teilstrecke betrug 18 Minuten. Am Himmelfahrtstag, dem 09.05.1907, wurde die Verlängerung bis Wohldorf eröffnet. Die Streckenlänge betrug jetzt 12,9 km.
Eine einfache Fahrt kostete damals 20 Pfennig.
[…] Am 01.07.1924 übernahm die HHA die Betriebsführung auf der Kleinbahnstrecke zwischen Volksdorf und Wohldorf. Mit Eröffnung des östlichen Zweiges der Walddörferbahn Volksdorf-Ohlstedt am
01.02.1925 wurde der Betrieb der Kleinbahn im Wesentlichen auf die Reststrecke Ohlstedt-Wohldorf beschränkt. Nach 1934 wurden alle Strecken der Kleinbahn südlich von Ohlstedt
abgebrochen.
Bis 29.01.1961 fuhr die Kleinbahn nur noch auf der knapp zwei Kilometer langen Reststrecke von Ohlstedt durch den Wohldorfer Wald nach Wohldorf. […] in der Streckenmitte lag der Bahnhof
Tannenallee.“
Und genau an dieser besagten Reststrecke wird nun der Marathon entlangführen. Da ich aber keine große Begeisterung für historische Züge und Schienennetze aufbringen kann, interessierte mich
vielmehr das Waldstück, durch das wir hindurchlaufen würden. Ansprechende Streckenfotos mit detaillierter Beschreibung der insgesamt 2,64 km langen Runde konnte ich auf Christians Facebook-Seite ausfindig machen. Auf diese im Herbst geschossenen
Fotos möchte ich übrigens in diesem Bericht – mit Christians Einverständnis – zurückgreifen.
Doch was ist in Zusammenhang mit dem Wettkampftag noch wichtig zu wissen? – Dieses Mal würde ich alleine zu dem Lauf anreisen, d.h. ohne meine Freundin Sophie, denn es war geplant, dass mich noch
am selben Tag ein sehr guter Freund aus München besuchen kommt und hier in Hamburg ein verlängertes Männer-Wochenende mit mir verbringen möchte. Trotz des einen Arbeitstages am Freitag, den ich
nicht frei nehmen konnte, freute ich mich sehr auf den Marathon und das Wochenende bei hoffentlich bestem Mai-Wetter.
Am Tag des Laufs brach ich gegen 08:45 Uhr mit dem Auto von zu Hause auf, nachdem ich eine Kleinigkeit gefrühstückt hatte. Den Veranstaltungsparkplatz neben dem Nahverkehrsmuseum Kleinbahnhof Wohldorf erreichte ich somit gut 30 Minuten vor dem geplanten Start um 10:00 Uhr. Die erste Läuferin war bereits erschienen. Der Rest der überschaubaren Gemeinschaft von nur zehn Läufern, inklusive des Organisators, würde sicher noch kurzfristiger eintrudeln.
Somit entschied ich mich dafür, die Strecke einmal anzutesten, indem ich einen Kilometer hoch- und wieder runterlief. Dabei wollte ich mindestens bis zu dem Punkt kommen, an dem die Strecke eine
schmale Abzweigung nach rechts erfährt. Die Streckenfotos aus dem Internet hatte ich dabei vor dem geistigen Auge. Außerdem nahm ich mir mit meinem kurzen Warmlaufen die Angst davor, mich zu
verlaufen.
Etwa zehn Minuten vor dem Start befand ich mich wieder auf dem Parkplatz und begegnete dabei ein paar weiteren Teilnehmern. Uns fiel auf, dass wir es in diesem Waldstück mit einer großen Zahl an
Stechmücken zu tun hatten. Einzelne Wassertümpel, in deren Nähe sie sich scheinbar wohl fühlten, mussten in meinen Augen die Schuld dafür tragen. Nunja, dann war eben schnelles Laufen
angesagt.
Als der Veranstalter mit seinem roten Toyota Aygo erschienen war und den Verpflegungstisch aufgestellt hatte, wurden noch die Anwesenheit aller Voranmelder kontrolliert und die bunten Becher im
Setzkasten den Person zugeordnet. Ich füllte mir meinen Becher schon mal mit meinem mitgebrachten Wasser auf und plante darüber hinaus, höchstens einmal zum Kofferraum meines Autos zu laufen, um
dort noch etwas zu trinken. Dafür stellte ich die Wasserflasche bereits geöffnet in den ansonsten leeren Kofferraum.
Welches Zeitziel ich mir für den heutigen Tag vorgenommen hatte, verkündete Christian Hottas anschließend selbst, indem er wenige Augenblicke vor dem Start preisgab, dass der Streckenrekord bei
einer Zeit von 02:59 Stunden liegt. Na das ist doch mal ein Wort, dachte ich mir.
Und nach ein paar informativen Worten zu der Laufstätte wurden sechs Marathonis und vier Halbmarathonis mit leichter Verspätung auf die Strecke geschickt.
Der Lauf
Beginnend am Kleinbahnhof in Wohldorf liefen wir zunächst durch den Wald Richtung Süden. Der Streckenbelag war zum größten Teil festgetretener Wald- und Kiesboden und somit sehr gut zu belaufen.
Da heute schönstes Mai-Wetter herrschte, war ich gespannt, wie viel zufälliges Publikum in Form von Spaziergängern und Radfahrern sich im Laufe des Tages noch hinzugesellen würde.
Nach gut 600 Metern wurde eine etwas breitere Waldstraße überquert. Hier befand sich die ehemalige Haltestelle Tannenallee. Anschließend ging es weiter bis zur ersten Rechtsabbiegung nach 1080
Metern (ab Start). Hier befand sich auf der linken Seite ein großer Stein, in den ein dünner Wegpfeil nach rechts eingemeißelt war. Er zeigte nicht nur die Richtung des Kleinbahn-Wanderweges an,
sondern auch unsere heutige Laufrichtung. Die Besonderheit war, dass der Pfad sehr viel schmaler war, als der vorherige Hauptweg, sodass man besonders am Anfang darauf achten musste, die
Abbiegung nicht zu verpassen.
Der Pfad wies unter anderem eine kleine Pfütze auf, die man aber gut überspringen oder umlaufen konnte. Ansonsten lief man über einen flachen Singletrail-Weg aus festgetretener Erde und Laub.
Nach nur 140 Metern war eine asphaltierte Straße erreicht, an der wir links abbiegen und entlanglaufen mussten. Knapp 160 Meter später – auf der Höhe eines Kindergartens – folgte dann wieder ein
Linksknick, bevor man sich wieder auf dem Hauptweg befand.
Diesem folgend erreichte man nach einer gesamten Laufdistanz von 1554 Metern wieder die vorherige Abzweigung in den schmalen Pfad. Diese ignorierte ich an dieser Stelle und lief weiter dem
Start-Ziel-Bereich entgegen. Auf diesem Abschnitt von 1080 Metern Länge würde ich heute des häufigeren meinen Mitstreitern begegnen, da dieser in Form einer Wendepunkt-Strecke gelaufen
wird.
Wieder vorbei an der ehemaligen Haltestelle Tannenallee ging es auf die letzten gut 600 Meter des Kurses. Bereits von weitem sah man das rote Veranstaltungsauto und wenig später auch den bunten
Verpflegungstisch.
Vor dem Tisch wurde am heutigen Morgen ein orangener Punkt auf den Boden gesprüht, der den Wendepunkt symbolisierte. Um diesen galt es einmal herum zu laufen und sich dann wieder dem dichten Wald zuzuwenden.
Von diesen 2,6388 km langen Runden sollten heute 16 Stück absolviert werden, um auf genau 42,22 km zu kommen, was ziemlich genau einem Marathon entspricht. Ich hatte im Vorfeld ausgerechnet, dass
ich mir 11:11 Minuten pro Runde Zeit lassen kann, um mit einer Zeit von 02:59 Stunden ins Ziel kommen zu können. Natürlich war die erste Runde wieder etwas zu flott und lag letztlich bei
schnellen 10:30 Minuten.
Zur noch besseren Geschwindigkeitskontrolle dienen die Kilometerzeiten, jedoch hatte ich erneut Probleme mit dem GPS-Empfang meiner Garmin Laufuhr. Diese hat nicht jeden gelaufenen Abschnitt
aufgezeichnet, während die Zeit natürlich weiterlief. Somit hatte ich schon früh extrem verzerrte Kilometerzeiten und konnte das Kontrollieren beinahe ganz sein lassen. Na toll. Und die
Schuldigen waren auch schnell gefunden: die dichten Baumkronen.
Letztendlich gab ich mich mit meinem Schicksal zufrieden. Hätte ich nämlich die Wahl gehabt zwischen der heutigen, sehr idyllischen Laufstätte mit schlechtem GPS-Signal oder aber einer vor Sonne
und Wind ungeschützten Laufroute mit gutem Signal, dann hätte ich lieber das Erste gewählt. Also akzeptieren und einfach weiterlaufen.
Mit dem Sammeln der Runden überholte und begegnete ich stets den anderen Teilnehmern, sodass hier und da kurze Gespräche entstanden sind. Unter anderem sprach ich dem Organisator ein Lob für die
Wahl der schönen Laufstrecke aus. Bei Begegnungen mit dem ebenfalls schnellen Zweitplatzierten Erik Spatz gab es das eine oder andere Mal ein Abklatschen mit der flachen Hand, was so viel hieß
wie: „Super, weiter so!“.
Runde um Runde näherte ich mich auch meinen kurzen Trinkpausen, von denen ich mir wie geplant nur zwei gönnen wollte. Sie kosteten nur wenige Sekunden Zeit und brachten mich nicht nennenswert aus
dem Rhythmus.
Als ich nach 8 von 16 Runden eine Zeit von etwa 01:26 Stunden auf der Uhr stehen hatte, ahnte ich, dass der Streckenrekord zu knacken sein kann. Bloß kein Zusammentreffen mit dem Mann mit dem
Hammer, dachte ich mir. Geschlafen hatte ich gut, gegessen ebenfalls, also derzeit kein erhöhtes Risiko.
Nachdem ich Erik ein zweites Mal überrundet und somit etwa 22 Minuten Vorsprung hatte, befand ich mich in meiner elften Runde, die eine weitere Besonderheit für mich bereithielt. Das erste Mal in
meinem Leben begegnete ich beim Laufen einer Ringelnatter. Mega cool! Und es passte natürlich zur Kulisse, zumal die Ringelnatter den schmalen Singletrail-Pfad, und damit den am meisten
bewachsenen Abschnitt des Kurses, kreuzte. Um ein Haar wäre ich auf sie draufgetreten, aber ihre schnellen Bewegungen hatten mich zum Glück rechtzeitig gewarnt.
Mit welchen Besonderheiten konnte der Marathon noch aufwarten? Das einzige Nennenswerte, das bis zu meinem Zieleinlauf noch geschah, war eine extrem große Ansammlung älterer Männer auf der
Kreuzung an der alten Haltestation Tannenallee. Die meisten Herren hatten ihre Drahtesel dabei und verhinderten damit beinahe ein Hindurchkommen für uns Läufer. Aber was soll’s, es war ja nun mal
Vatertag.
Als bis zu meinem Zieleinlauf noch etwa anderthalb Runden fehlten, machte ich mir Gedanken, welche schnellere Zielzeit ich ins Auge fassen könnte. Realistisch war eine Zeit von unter 02:55
Stunden, wenn ich meinen derzeitigen Schnitt von maximal elf Minuten pro Runde hätte halten können. Gedacht, getan, und so biss ich nochmal die Zähne zusammen und forderte mich selbst heraus.
Eine Runde vor dem Ende meines Rennens sah es nach wie vor gut aus, wenngleich die Beine nach fast 40 km schon ordentlich am Meckern waren.
Das durften sie auch, aber ich wollte meinen Kopf dennoch gewinnen lassen. Augen zu und durch. Ich genoss ein letztes Mal den schönen Kurs durch das Waldstück und freute mich darüber, nun auch
diese Ecke Hamburgs entdeckt zu haben. Auf Wiedersehen Ohlstedt, auf Wiedersehen Wohldorf, auf Wiedersehen ehemalige Kleinbahn-Trasse.
Ab der Kreuzung an der Tannenallee lag noch die letzte lange Gerade vor mir, die ich nun zum 32. und letzten Mal absolvierte. Und dann passierte ich den Verpflegungsstand und drückte auf den
Stopp-Knopf meiner Uhr … 02:54:30 Stunden … Hammer!
Nachher
Unmittelbar nach dem ersten Durchatmen erhielt ich Gratulationen der Halbmarathon-Finisher, die zugegebenermaßen nur unweigerlich früher ins Ziel gekommen sind. Wir unterhielten uns kurz über den
heutigen Lauf und ähnlich schöne Laufstrecken in und um Hamburg, bevor dann auch Christian Hottas eine seiner Runden beendete und mir ebenfalls gratulierte.
Anschließend ging ich zum Verpflegungsstand, hob den Deckel der großen Plastikbox an und nahm das Klemmbrett mit vorgedruckter Teilnehmerliste raus. Wie es bei Christians Läufen üblich ist, trug
ich persönlich meine gelaufene Zeit und Platzierung ein und legte das Klemmbrett wieder zurück an seinen Platz. In diesem Zuge nahm ich mir eine Finisher-Medaille aus einem Plastikbeutel und hing
sie mir selbst um den Hals. Was für manch einen seltsam vorkommen mag, ist für mich bereits völlig normal. Wo bekommt man schon einen so schönen Marathon mit Vollverpflegung und Medaille für nur
10 € geboten. An irgendeiner Stelle muss dann mal gespart werden.
Als weitere Belohnung gönnte ich mir dann noch drei Becher Spezi und ein paar Süßigkeiten. Erst eine halbe Stunde nach meinem Zieleinlauf zog es mich wieder zurück zum Auto, wo ich mein Handy aus
dem Handschuhfach zückte und ein Selfie schoss. Dieses schickte ich anschließend an meine Familie und Freundin, die sich bereits etwas Sorgen gemacht hatten.
Eine weitere halbe Stunde später kam ich zu Hause an, hüpfte schnell unter die Dusche und machte mir etwas zu essen. Bevor mein Kumpel am frühen Abend in Hamburg eintreffen sollte, hatte ich zum
Glück noch etwas Zeit zum Entspannen. Denn obwohl es konditionell einer der besseren Läufe gewesen ist, ist ein Marathon kein Zuckerschlecken. Die damit verbundenen Wehwehchen kommen meist
ein-zwei Tage später zum Vorschein. Und die ein-zwei Bierchen am Abend würden diese sicher nicht abwenden.
Aber Vatertag ist nun mal nur einmal im Jahr.
Zahlen & Fakten
Distanz
Gelaufene Zeit (Netto)
Gelaufene Zeit (Brutto)
Altersklasse
AK-Platzierung
Platzierung (Männer)
Gesamtplatzierung
42,22 km
02:54:30 Std.
02:54:30 Std.
Männl. Hauptklasse (88-97)
1. von 1
1. von 5 (20 %)
1. von 6 (16,7 %)