5. Bestzeitmarathon München
29.10.2016
Vorher
Was habe ich mir dabei wieder gedacht? Langweilige Läufe kommen scheinbar nicht mehr infrage, sodass ich mir hiermit einen weiteren, kuriosen Marathon rauspicken musste. Zudem sollten wieder zwei
Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden, aber alles der Reihe nach …
Schon im Sommer bin ich erstmals auf den Bestzeitmarathon in München gestoßen, bei dem sich der Effekt der Zeitumstellung zu Nutzen gemacht werden kann. Die Veranstalter umschreiben die
Besonderheit auf ihrer Homepage mit folgenden Worten:
„Ein physikalisches Phänomen am letzten Oktoberwochenende eröffnet listigen Marathonläufern die einmalige Chance, ihre Marathonbestzeit aufzustellen. Da gibt es nur eine kleine
Herausforderung. Das Ganze kann nicht bei Tageslicht stattfinden. Denn der sagenhafte Zeittunnel öffnet sich um 03:00 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit. Und das ist bei weitem nicht die einzige
Herausforderung: im Zeittunnel können wir keine exakte Zeitnahme durchführen. Das wäre viel zu gefährlich. Deshalb schauen wir erst nach Zieleinlauf auf die Uhr und bilden aus Zielzeit und
Startzeit die Differenz. Viele Läufer des Bestzeitmarathons haben so dem Namen der Veranstaltung alle Ehre gemacht und ihre Marathonbestzeit pulverisiert.“
In eigenen Worten heißt das, dass alle Läuferinnen und Läufer, die den um Mitternacht startenden Marathon in mehr als 3 Stunden absolvieren, eine ganze Stunde „geschenkt“ bekommen. Derjenige, der
beispielsweise zwischen 03:00:00 und 03:02:56 Stunden brauchen sollte, könnte somit nach Abzug von einer Stunde sogar Weltrekord laufen (derzeit 02:02:57 h). Wie ich mein Rennen angehen wollte,
entschied ich erst kurz vor dem Start, denn ich sammele nach wie vor „echte“ Marathons von unter 3 Stunden. Schade, dass der Start nicht 10 Minuten später starten kann, wie es wohl letztes Jahr
praktiziert worden ist, um den „Weltrekordläufern“ auch eine Zielzeit von unter 2 Stunden zu ermöglichen.
So viel zur Theorie des Laufes. Aber warum zieht es mich nun bis nach München? Kann ich nicht auch einfach näher an der Heimat einen weiteren Marathon abhaken? Nein! Denn der zweite Grund, warum
es meine Freundin Sophie und mich in die schöne bayrische Stadt zog, waren gute Freunde von uns, die dort ihren derzeitigen Lebensmittelpunkt haben. So verknüpften wir den Lauf mit einem
ausgedehnten Besuch von Freitagabend bis Montagmittag und einigen Shoppingstunden und Sehenswürdigkeiten.
Am Freitag ging es für uns mittags los, sodass wir nach mehreren kleinen Staus um 19:45 Uhr in der Innenstadt Münchens am Sendlinger Tor ankamen. Die Fahrt war dennoch schön kurzweilig, da wir
einige Mitfahrer von Kassel nach Würzburg und von Würzburg nach München mitgenommen hatten. Knapp 10 Minuten vor Ladenschluss des Laufshops 21Run Store in der Sendlinger Str. 26, wo es die
Startnummern abzuholen galt, fanden wir eine Parklücke, zogen ein 20-minütiges Parkticket für 50 Cent und stapften in die große Einkaufsstraße.
Nachdem die Startnummer inklusiv Goodie-Bag abgeholt und einige Details für den morgigen Lauf geklärt worden sind (ein Spätstart für schnelle Läufer war leider nicht geplant), gingen wir zurück zum Auto und fuhren zu unseren Freunden im Süden der Stadt. Dort wurden wir schon erwartet und so freuten wir uns, endlich angekommen zu sein. Einem entspannten Abend stand nichts mehr entgegen und so entschieden wir uns spontan, Essen zu bestellen, statt selbst zu kochen. Nach telefonischer Bestellung holten wir um kurz nach 21 Uhr unser Essen beim nahegelegenen Italiener ab. Statt Pizza gab es für mich leckere Cannelloni mit Bolognese-Soße – eine gute Alternative. Den zwei bayrischen Bierchen und einem rumänischen Schnaps als Absacker nach dem Essen konnte ich dann aber nicht widerstehen. Zum Glück konnten wir am Marathontag ja ausschlafen.
Das hat dann auch wunderbar funktioniert, denn ohne nervigem Wecker ging es am Samstag erst um 12:30 Uhr aus den Federn. Nach einem kleinen Frühstück mit Kaffee machten wir uns auf den Weg zum Marienplatz, von wo aus ein entspannter Shoppingtag folgen sollte. Neben ein paar traditionellen Münchner Geschäften wie dem Steindl Trachtenladen in der Kaufingerstraße zog es uns auch in Klassiker wie TK Maxx. Mit vollen Einkaufstüten in den Händen, heißen Esskastanien im Bauch und einem kurzen Zwischenstopp im Woerner’s Café hieß es gegen 19 Uhr, sich langsam aber sicher auf den Heimweg zu machen.
Auf dem Weg zwischen U-Bahn-Station und der Wohnung machten wir noch Halt im nahe gelegenen Edeka Markt, wo wir für heute Abend und die nächsten Tage Lebensmittel einkauften. Zu Hause angekommen packten bei der Vorbereitung des Abendessens alle mit an, sodass wir gegen 20:30 Uhr fertig waren. Statt der gewohnten Pasta-Party gab es heute eine traditionell Chinesische Reis-Party mit Bohnen, Tofu und Speck. Dazu aber diesmal kein Bier, sondern ganz vorbildlich viel Wasser.
Nach dem Essen konnten wir uns noch bis 22 Uhr ausruhen und die Beine ein wenig hochlegen. Während Sophie zusammen mit mir in die Nacht der Nächte starten und mich vom Streckenrand unterstützen
wollte, blieben unsere Freunde über Nacht zu Hause. Bei der bevorstehenden Kälte sicher die richtige Entscheidung. Umso mehr schätzte ich Sophies Entscheidung wert und freute mich auf die mentale
Motivation.
Eine halbe Stunde vor Abfahrt erledigten wir die letzten notwendigen Ding für die lange Nacht: Tee kochen und Thermoskanne nicht vergessen, Brötchen und Süßes einpacken, ausreichend warme
Klamotten mit ins Auto nehmen, mein lädiertes rechtes Knie mit Kinesiotape verarzten, die Startnummer am Laufshirt befestigen, ein letztes Mal auf Toilette gehen und dann nichts wie ab zum
Auto.
Nach einer etwa halbstündigen Fahrt kamen wir um 23:15 Uhr am Riemer Park im Südosten der Stadt unweit des Messegeländes an. Diese Region kannte ich noch sehr gut aus der Zeit, als ich im zweiten
Halbjahr 2012 mein Praktikum bei Bosch absolviert und währenddessen im Örtchen Haar nur 3 km vom Riemer Park entfernt gelebt habe. Ein Lauf auf alten Trainingsstrecken also. Es kribbelte so
langsam und die Vorfreude wurde wieder spürbar. Uhrzeit hin oder her.
Sehr gefreut hat mich auch, als meine Schwester Nicole uns kurz nach 23 Uhr noch kurz anrief, um mir persönlich viel Spaß und Erfolg zu wünschen. Dankeschön!
Nachdem wir das warme Auto verlassen mussten, um zum knapp 300 Meter entfernten Startgelände am Westufer des Riemer Sees zu kommen, wurde die nächtliche Stimmung noch emotionaler. Es lag ein
geheimnisvoller Nebel in der Luft, kaum Wind, Stille und in einiger Entfernung waren die Lichter des Start-/Zielgeländes zu sehen. Zudem haben sich die ersten Läufer mit ihren hellen Stirnlampen
warm gemacht, die heute im Übrigen verpflichtend für alle Teilnehmer sind.
Am heutigen Ort des Geschehens machten wir uns erst mal einen Überblick über den Verpflegungsstand und die Zeitmesstechnik. Um für die Zeitmessung aktiviert zu werden, musste ich mit meinen beiden Chips einmal über die Startlinie laufen. Erst dann erschien meine Startnummer 152 auf dem Bildschirm grün hinterlegt.
Nachdem ich mich wenige hundert Meter warm gelaufen und anschließend gedehnt habe, wurden die letzten Fotos geknipst. Unter anderem veröffentlichte ich auf meinem Facebook-Profil ein Foto aus der
hell beleuchteten Bestzeitmarathon-Foto-Box mit den Worten: „Ich bin so verrückt! Marathon-Start #26 in 5 min ...“. Aber dass ich schon in der Vergangenheit solch kuriose Ideen hatte,
beweist mein ebenfalls um Mitternacht gestarteter Moonlight Marathon in Bünde Ende Juni 2013. Auch dort habe ich nur positive
Erfahrungen mit dem nächtlichen Laufen gesammelt.
Entsprechend vorfreudig und nervös tänzelte ich in der Nähe des Startbanners von einem Fuß auf den anderen. Nur noch 2 Minuten bis zum Startsignal. Eine Verzögerung des Starts stand diesmal außer
Frage, denn um die Differenz zwischen Start- und Ziel-Uhrzeit nehmen zu können, musste exakt um 24 Uhr gestartet werden. Und so verabschiedete ich mich rechtzeitig von Sophie, die mir noch
motivierende Worte und ein paar Küsse mit auf den Weg gab. Sie wirkte sehr wach und aufmunternd. Das tat mir gut, wenngleich ich wusste, dass es für uns beide im Verlauf der Nacht immer
anstrengender werden würde.
Ich reihte mich bei dem gemischten Starterfeld aus Marathonis, Halbmarathonis und Staffelläufern selbstverständlich ganz vorne ein. Knapp 20 Sekunden vor dem Start ging ich nochmal alle
Eventualitäten im Kopf durch: die Klamottenwahl war die richtige (obenrum langes Unterhemd und langes Laufshirt, untenrum Kompressionssocken und ¾-Lauftight), das Kinesiotape am rechten Knie
klebte, auf Toilette musste ich nicht mehr, mein Energie-Gel für alle Fälle steckte in der linken Hosentasche, die Schuhe waren gut verschnürt. Was soll schon passieren? Alles bestens.
Um meine Konkurrenz wissen zu lassen, dass ich optimistisch und bereit für ein schnelles Rennen war, schlug ich mir mit den flachen Händen auf die Oberschenkel. Es brannte kurz, hatte aber keinen
weiteren Effekt. Auf geht’s zu meinem nunmehr dritten (Ultra-)Marathon in München! Eine solch schöne Stadt verdient diese läuferische Art der Wertschätzung.
Nachdem von 10 runtergezählt worden war, ertönte das Startsignal in Form eines lauten Klatschens. Ein Schuss war aufgrund der späten Uhrzeit nicht mehr erlaubt. Und schon zischten wir los. Ein
letztes Lächeln in Richtung meiner Freundin entwich mir noch und dann war ich auf dem Weg ins tiefe Schwarz der Nacht …
Der Lauf
Schnell bildete sich eine kleine Gruppe aus vier schnellen Läufern, unter denen ich mich etwa an dritter Position einfand. Als es nach 200 Metern scharf rechts ab ging, war es bei dem recht hohen
Tempo etwas gefährlich. Besonders riskant war ein massiver, 30 cm hoher Pfosten, der diesen Eckpunkt der Strecke markierte. Hier werde ich insgesamt 20 Mal aufpassen müssen, um mir mein
Schienbein nicht zu verletzen.
Daraufhin ging es 300 Meter Richtung Süden durch eine Wand aus Nebel hindurch. Zum Teil war der Nebel so dicht, dass ich die Grenze zwischen Schotterweg und Rasenfläche nicht erkennen konnte.
Dies sollte aber kein Problem darstellen, da es ohnehin nur geradeaus ging und ich noch zwei Läufer vor mir hatte.
Den nächsten Eckpunkt markierte eine blinkende Baustellenlampe, woraufhin es nach einer 90°-Rechtskurve auf die lange Uferseite des Sees zuging. Bei KM 1 (in 03:44 min) gab es noch einen ganz
leichten Rechtsknick auf der ansonsten sehr geraden und vor allem flachen Strecke. Die Positionen von uns Vieren wechselten zu Beginn sehr häufig und ich überlegte, wer von ihnen Marathoni war
und wer nicht. Es durfte mich ehrlicherweise nicht zu sehr beschäftigen, denn in erster Linie wollte ich meine Kilometer um den Riemer See genießen.
Bei KM 1,4 folgte die dritte Rechtskurve und vier große Schritte später befanden wir uns auf einer etwa 100 Meter langen Holzbrücke, die bis auf das letzte Viertel minimal abschüssig war. Zum Ende war die leichte Steigung als solche nicht spürbar, jedoch rutschten mir die Füße unangenehm nach hinten weg. Die Feuchtigkeit des Nebels hat sich auf den Holzbalken niedergelassen, sodass es sich hier sehr schwer laufen ließ. Leichtes Abbremsen war hier also die richtige Devise.
Als ich dann am Ende wieder Asphalt unter den Füßen hatte, ging es wieder einfacher und die dortige Mini-Steigung von wenigen Metern Länge war schnell überwunden. Es folgte die vierte und letzte
Rechtskurve, woraufhin man von weitem schon wieder das Start-/Zielgelände sehen konnte. Diese Passage war als einzige durch Laternen mit warmem Licht ausgeleuchtet – eine schöne Atmosphäre.
KM 2 (in 03:54 min) war somit schnell erledigt und das Ende der ersten von 20 Runden war bald erreicht. Die Zeitmessmatten piepten beim Übertreten leise und dann schaute ich nach rechts auf den
kleinen Bildschirm in der Hoffnung, etwas über meine Kontrahenten zu erfahren. Leider war die Darstellung in dieser einen Sekunde nicht auf Anhieb zu verstehen, sodass ich mir ein paar Runden
Zeit lassen musste.
Gleichzeitig blickte ich auch nach links, um Sophie am Streckenrand zu entdecken, die bereits fleißig am Fotos schießen war.
Auf den folgenden Runden wollte ich mich an die gesamte Situation gewöhnen: Nacht und Nebel, Runden drehen, stetig Rechtskurven, ein-zwei ernsthafte Konkurrenten und so weiter. Mir macht diese
Art des Laufens enorm Spaß, denn dann ist es am einfachsten, seine Seele baumeln zu lassen. Kein unnötiger Stress von links oder rechts, keine Ablenkung, nur der Rhythmus meines Atems und die
regelmäßigen Schritte auf Schotter, Holz und Asphalt.
Bis einschließlich KM 10 pendelten sich meine Kilometerzeiten bei 03:48 min bis 04:01 min ein, was etwas zu schnell für diese Bedingungen war. Außerdem konnte ich durch das Übertreten der Matten
unter dem Start-/Ziel-Banner und die darauf folgende Auswertung herausfinden, dass ich mich im Marathonfeld an zweiter Position befand. Der erste war im Durchschnitt 15 Sekunden vor mir
unterwegs, also in Reichweite.
Sophie blieb währenddessen tapfer am Streckenrand stehen und jubelte mir zu. Ich teilte ihr nach fast jeder Runde kurz mit, wie es mir ging. So hatte ich beispielsweise nach 3 Runden leichte
Bauchkrämpfe und Seitenstiche, die jedoch nach der 4. Runde schon wieder weg waren. „Alles in Ordnung“ rief ich ihr dann zu.
Eine erste ernsthafte Beeinträchtigung folgte dann nach rund 10 Kilometern (in 39:03 min), als sich mein Kinesiotape ganz unerwartet löste. Ich wusste zwar, dass es nicht mehr das neueste war,
aber dennoch hätte es zumindest eine Nacht halten müssen. Zumal ich extra dafür mein rechtes Knie rasiert habe. Blöd gelaufen. Und nur wenige Sekunden nachdem es sich gelöst hat, kamen die
Knieschmerzen links von der Kniescheibe wieder zum Vorschein. Mist.
Sophie teilte ich erst nach 6 Runden davon mit und sie fragte direkt im Anschluss, ob ich weiterlaufen könne. „Alles gut“ antwortete ich ihr. Es entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber in
der Tat hatte ich in der Vergangenheit schon mit Schlimmerem zu kämpfen. Dieses Wehwehchen hielt sich im Rahmen und sollte nach einiger Zeit auch wieder vergessen sein.
Nach einem schnellen KM 11 (in 03:52 min) folgten drei Kilometer mit jeweils knapp über 4 Minuten. Als nach 58:52 Minuten die ersten 15 km absolviert waren und ich mich wieder an den Führenden
heranpirschen konnte, gönnte ich mir das erste Mal einen Becher mit kaltem Wasser. Zwei-drei Schlucke landeten im Mund und mindestens einer in den Handschuhen, was bei diesen Temperaturen etwas
unangenehm war.
Zwischen KM 16 und 23 wechselten sich merkwürdigerweise „langsame“ und schnelle Kilometerabschnitte ab, was womöglich auf den Streckenkurs zurückzuführen ist. Es fühlte sich häufig so an, als
könne ich auf dem Abschnitt mit der Holzbrücke einen Zahn zulegen und aufs Gaspedal drücken. Dadurch pendelten sich die langsameren, geraden Kilometer bei 04:00 min bis 04:03 min ein, während die
schnellen, ungeraden bei 03:47 min bis 03:54 min lagen.
Die Hälfte erreichte ich nach 10 von 20 Runden und hatte beim Übertreten der Zeitmessmatten eine Durchgangszeit von 01:24:30 Stunden. Allerdings betrug die Distanz auf meiner Uhr bereits 21,4 km,
also 300 Meter mehr als die geplanten 21,1 km. Naja, egal … laut Prognose sollte es somit auf eine Zeit von etwa 02:49:00 Stunden hinauslaufen, womit ich aber nicht zu rechnen wagte. Viel eher
plante ich mit einer Zeit um 02:52:00, was mir noch machbar erschien.
Für zusätzliche Motivation sorgte die Tatsache, dass ich meinen direkten Kontrahenten exakt nach der Hälfte erstmals wieder überholen konnte. Von nun an war ich also Gesamtführender, was sich
bekanntlich sehr gut anfühlt.
Während ich die ersten Runden problemlos nacheinander abspulen konnte, musste ich auf der zweiten Hälfte von Runde zu Runde planen: wann trinke ich nochmal, wann nehme ich mein Energie-Gel, wann
drücke ich auf die Tube oder wann werde ich wieder eingeholt?
Als kleine Zwischenbelohnung wollte ich aber zunächst mal durch das kleine Spalier aus Zuschauern laufen, die am Ende einer jeden Runde mit bunten Puscheln unermüdlich den Läufern zujubelten.
Eine Wahnsinns-Kondition, die diese vier-fünf Leutchen bei diesen Temperaturen hatten. Respekt & Dankeschön!
Am Ende dieser 11. Runde gab es dann auch den nächsten Becher Wasser und wie ich nachträglich auf den Fotos des offiziellen Fotografen sehen konnte, war mir der Zweitplatzierte zu diesem
Zeitpunkt nach wie vor dicht auf den Fersen.
Das führte sicher dazu, dass ich bei KM 24 bis 26 (in 03:56, 03:57 und 03:55 min) weiter aufs Gaspedal getreten bin, um den Abstand zu vergrößern. Das Tempo blieb unerwartet hoch, aber die Kräfte
ließen nach. Um den Kontakt mit dem Mann mit dem Hammer zu vermeiden, musste ich bald auf die Bremse treten und eventuell den 1. Platz aufgeben. Bloß nicht gehen müssen und gar stehen bleiben –
das ist schon lange her und soll sich so schnell nicht wiederholen.
Nach der 12. Runde gönnte ich mir dann ein weiteres Mal einen Lauf durch den Tunnel aus Puscheln. Später würde ich links daran vorbeilaufen wollen, um nicht aus dem gleichmäßigen Rhythmus
rauszukommen, aber ein zweites und letztes Mal musste einfach sein. Um mich so theatralisch wie möglich für diese einmalige Unterstützung um 02:00 Uhr nachts zu bedanken, schloss ich meine Augen
und verteilte Handküsse nach links und rechts. Einfach spitze!
Als es dann nicht nur körperlich, sondern auch auf der Laufuhr sichtbar immer schwerer wurde (KM 27 in 04:04 min, KM 28 in 03:57 min und KM 29 in 04:10 min), entschied ich mich, mein Energie-Gel
zu nehmen. Etwa 200 Meter vor der Verpflegungsstelle im Start-/Ziel-Bereich holte ich den kleinen Beutel aus der Hosentasche, riss die obere Lasche ab und drückte mir den Inhalt mit
Apfel-Geschmack in den Mund. Lecker ist was anderes, aber es war auszuhalten. Mit dem Becher Wasser, den ich im letzten Moment erwischte, spülte ich die letzten Reste hinunter und begab mich auf
meine letzten 6 Runden.
Zu diesem Zeitpunkt war Sophie für eine kurze Pause ins Auto verschwunden, um sich hoffentlich ein wenig aufzuwärmen. Gut so, denn das bloße Rumstehen bei fast 0°C musste für sie unerträglich
sein.
Nachdem ich die ersten 30 Kilometer nach 01:58:03 Stunden in der Tasche hatte, ging es stramm auf das Ende der 15. Runde zu. Drei-Viertel sind gleich geschafft! Und pünktlich zum anstrengendsten
Teil des Rennens war Sophie wieder da. Bei KM 31 (in 04:14 min), als es über die Zeitmessmatten ging, teilte ich ihr mit, es werde nun immer härter. Beinahe zeitgleich überholte mich mein
Konkurrent mit einem sehr konstanten Tempo, dem ich nicht folgen konnte. Das war’s! Der erste Platz war futsch! Egal, Hauptsache Treppchen und ohne Gehpausen ins Ziel, so lautete mein Ziel.
Nach meinem letzten schnellen Kilometer-Abschnitt (KM 32 in 04:07 min), mit dem ich doch noch versuchte, am Ersten dranzubleiben, folgten die letzten 10 Kilometer in recht langsamem Tempo. Das
Knie schmerzte nicht mehr, aber beide Beine waren schlapp. Das Gel schien noch nicht zu wirken … oder es wirkte doch und verhinderte Schlimmeres. Wer weiß?
Die letzten 5 Runden spulte ich in meinem Trainingslauftempo ab und hoffte nur, dass ich vom derzeit Dritten nicht noch eingeholt werde. Die Kilometerzeiten pendelten sich zwischen 04:18 min und
04:37 min ein, sodass ich auf dem letzten Viertel auf eine Zeit von 44:57 Minuten kam (ca. 04:30 min/km).
Zu Beginn meiner letzten Runde geschah dann plötzlich etwas Unerwartetes. Einer der Organisatoren, die man an ihren gelben Warnwesten erkannte, rannte ein paar Meter neben mir her. Er war schnell außer Atem, probierte mir aber dennoch zu erklären, dass ich mit einer Laufzeit von unter 3 Stunden nicht an zweiter Position in der Ergebnisliste landen werde, da diese den Zeitsprung mit einberechnet. Ich fragte ihn, ob ich trotzdem als Zweitplatzierter geehrt werde, sofern es Preise gab. Dies bejahte er und fragte mich dennoch, ob ich nicht doch bis 3 Uhr warten wolle. Daraufhin erklärte ich ihm kurz, ich sammele nur "echte" Marathons unter 3 Stunden und nicht solche, die sich der Zeitumstellung bedienen. All das quittierte er mit einem "Okay, alles klar!", ließ sich nach etwa 200 Metern zurückfallen und wünschte mir noch viel Spaß.
Ansonsten änderte sich nichts: die Brück blieb bis zum Ende hin ein wenig rutschig, die Puschel-Zuschauer wirkten immer noch frischer als ich, der Nebel hing über dem See und Sophie stand tapfer am linken Streckenrand. Aber eine Sache war am Ende doch noch anders, als auf den 19 Runden zuvor. Am Ende meiner letzten Runde sah ich von weitem, dass der Zielbereich im Dunkeln lag und das große Zielbanner in sich zusammengesunken war. Na toll, kurz vor meinem Zieleinlaufs ist also der Strom ausgefallen. Somit konnte ich auch nicht sehen, welche Zeit die große Digitaluhr rechts vom Banner anzeigte. Meine eigene Uhr deutete darauf hin, dass ich mit einer Zeit um 02:55 Std. rechnen konnte. Damit durfte und musste ich zufrieden sein. Die Bedingungen haben keine bessere Zeit zugelassen und ich wollte in erster Linie gesund aus dieser Sache herauskommen. Vielleicht wären auf dem letzten Viertel noch 2-3 Minuten mehr drin gewesen, aber das war okay.
Erschöpft, aber glücklich überquerte ich ein letztes Mal die Zeitmessmatte und hoffte, dass meine Zeit trotz Stromausfall registriert worden war. Meine Laufuhr stoppte ich natürlich ebenfalls.
Nach einem emotionslosen Zieleinlauf freute ich mich über 02:55:24 Stunden und einen erneuten Zähler in meiner Marathon-Liste. Check! Und jetzt nichts wie auf in die Arme meiner Freundin, die
sich in dieser Nacht der Nächte nicht weniger wacker geschlagen hat!
Nachher
Danach ging alles recht schnell. Von einem der Organisatoren bekam ich eine kleine durchsichtige Medaille aus Plastik überreicht, auf der eine 2 eingraviert war. Zudem durchforstete er einige Schuhkartons der Marke Hoka und überreichte mir den entsprechenden Karton für den Zweitplatzierten. Schuhe waren nicht drin, so viel verriet mir das Gewicht, aber allzu neugierig war ich zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht. Ich ließ mich nachher im Auto oder zu Hause überraschen.
Bevor es für uns wieder zurück zum Parkplatz ging, teilte mir der Organisator noch mit, ich solle gleich für ein offizielles Foto der drei Erstplatzierten zur Verfügung stehen. Es fehlte
lediglich der Dritte, der schließlich in einer Zeit von 03:16:17 Stunden ins Ziel kam. Nach Abzug der einen Stunde Zeitersparnis, galt er sogar als Sieger, wie uns die Organisatoren
mitteilten.
Sophie und ich machten uns dennoch schnell auf den Rückweg zum Auto, wo ich mir ein paar trockene Klamotten überwerfen wollte. Außerdem sollte Sophie schon da bleiben und die Heizung aufdrehen,
während ich noch flott zum Pressefoto zurücklief.
Um etwa 02:30 Uhr - gefühlt 03:30 Uhr - befanden wir uns dann endlich auf dem Rückweg zur Wohnung unserer Freunde, wo wir gegen 03:00 Uhr ankamen. Unterwegs telefonierten wir kurz mit meiner
Schwester Nicole, die sich auf einer Party in unserer Heimat tummelte. Sie freute sich über die zeitnahe Berichterstattung und gratulierte mir.
Zu Hause hüpften Sophie und ich noch kurz unter die heiße Dusche, aßen noch eine Kleinigkeit und waren dann letztlich erst nach 04:00 Uhr im Bett.
Übrigens bestand der Inhalt des Schuhkartons aus einem grauen Hoka T-Shirt, einer blau-gelben Hoka-Kappe und einem 50% Rabatt-Code auf Hoka-Laufschuhe, den ich sehr wahrscheinlich einlösen werde.
Am nächsten Tag gab es dann um 14 Uhr das lang ersehnte Belohnungs-Weißwurst-Weißbier-Frühstück. Lecker! Danach machten wir uns zu viert auf den Weg in die Innenstadt, wo wir auf dem Dach der Technischen Universität München meinem Lieblings-Café Vorhoelzer Forum einen Besuch abstatteten. Hier genossen wir nicht nur unsere Kaffees, sondern vielmehr den unbeschreiblichen Ausblick über die ganze Stadt, auf die Umrisse der Alpen und den zauberhaften Sonnenuntergang. Auf unserem anschließenden Weg zurück zur U-Bahn-Station fotografierten wir noch die schönen Gebäude des Königsplatzes und ließen damit den kurzen Tag in München ausklingen.
Zu Hause kochten uns unsere Gastgeber wieder ein köstliches, Chinesisches Essen bestehend aus Reis, einer Hackfleisch-Tofu-Soße, einer pikanten Rindfleisch-Soße und einem Chinesischen Salat mit
Champignons. Dazu durfte natürlich das kleine, 1 Liter Paulaner Oktoberfest Bier nicht fehlen. Der Abend war somit eingeläutet, den wir nach dem Abendessen in der City verbringen wollten.
Anfangs zog es uns ins Hofbräuhaus, wo wir uns bereits das dritte
Bierchen des Tages gönnten. Um 23:30 Uhr hieß es für alle Gäste, das Lokal zu verlassen, woraufhin es für uns ins Irish Pub Kilian’s neben der Frauenkirche ging. Kurz vor 1 Uhr statteten wir Sausalitos noch einen letzten Besuch ab, bevor dann um 2 Uhr endgültig alle Bars geschlossen hatten. Immerhin war
es bereits Montagmorgen, wenn man es ganz genau nimmt.
Nach Hause ging es für uns aufgrund einer Verzögerung der U-Bahn mit dem Taxi, wo wir müde in unsere Betten fielen und nur noch wenige Stunden bis zur Abfahrt Richtung Norden hatten.
Doch wir müssen sagen: München ist und bleibt einen Besuch wert – egal wie viel man zu sehen bekommt und egal ob nachts oder tagsüber. München hat was! Und unsere Freunde haben uns den Aufenthalt
zusätzlich versüßt. Auch dafür nochmals einen riesen DANK!
Zahlen & Fakten
Distanz
Gelaufene Zeit (Netto)
Gelaufene Zeit (Brutto)
Altersklasse
AK-Platzierung
Platzierung (Männer)
Gesamtplatzierung
42,195 km
02:55:24 Std.
02:55:24 Std.
Männl. Hauptklasse (87-96)
1. von 2 (50,0 %)
2. von 52 (3,8 %)
2. von 65 (3,1 %)