7. BMW Freese Oldenburg Marathon
18.10.2015
Vorher
Nachdem ich bei meinen letzten 4 Marathons von Mal zu Mal ein paar Minütchen langsamer geworden bin, liebäugelte ich mal wieder mit einem schnellen und vermessenen Marathon. Ziel sollte die
Verbesserung meiner bisherigen Bestzeit sein. Außerdem sollte dieser natürlich nicht zu teuer sein und nicht zu weit entfernt von
meiner Heimat stattfinden, sodass ich mit entsprechender Unterstützung vom Streckenrand rechnen konnte. Und so fiel meine Entscheidung 9 Tage vor dem eigentlichen Lauf auf dem Marathon in
Oldenburg, wo ich für eine Startgebühr von 40 € nicht nur die Rundum-Verpflegung und entsprechenden Streckenservice, aber auch eine Finisher-Medaille und ein Funktionslaufshirt erwarten durfte.
Zudem liegt die niedersächsische Stadt etwa 120 km von meinem Elternhaus entfernt, sodass meine Eltern und meine Freundin mir zusagten, mich zu begleiten. Leider konnte meine Schwester nicht
mitfahren, da sie Besuch aus weiter Ferne erwartete und in Münster blieb.
Nach starken Trainingswochen im Spätsommer und Herbst mit zum Teil 100 km wöchentlich und einer ordentlich Portion Pasta am Abend vor dem Lauf machten wir uns am Rennsonntag um kurz nach 7 Uhr zu
viert auf den Weg Richtung Norden. Der Nieselregen bereitete mir leichte Sorgen, da ich mit nassen Socken in den Laufschuhen und rutschigen Straßen rechnen musste. Dennoch waren die Bedingungen
mit Windstille und ca. 10°C nahezu perfekt für uns Langstreckenläufer.
Um kurz vor 9 Uhr erreichten wir das Randgebiet der Oldenburger Altstadt und fanden nach kurzer Suche einen kostenlosen Parkplatz in einer Seitenstraße. Nachdem ich mich noch ein wenig umgezogen
habe und sich meine Liebsten ein paar wärmende Klamotten und Jacken übergezogen haben, wollten wir zum Startgelände aufbrechen. Genau in diesem Moment drehte ich mich nochmal um, um zu prüfen, ob
das Auto tatsächlich verschlossen war. Durch die Drehung verlor ich den Halt auf dem rutschigen Asphalt und flog mit der linken Hüfte zu Boden … SCHEI***. Lautes Fluchen! Mist, verdammt! Im
Bruchteil einer Sekunde kam es mir vor, als könnte ich heute nicht mehr an den Start gehen - so ein Mist! Wütend über den Leichtsinn und den Stress, den ich mir vor so wichtigen Läufen des
häufigeren mache, stapfte ich zusammen mit meiner Begleitung weiter zum Start. Meine Laune sank …
Als wir den Schlossplatz erreichten und im angrenzenden Einkaufscenter zur Startnummernausgabe gingen, wurde meine Stimmung aber langsam wieder besser. Obwohl es sehr voll und laut war, waren die
Nummer und das hellgrüne Laufshirt schnell abgeholt und ich bereitete mich auf das bevorstehende Aufwärmen vor. Unterdessen entdeckte ich Markus Steffen, der hier heute gemeinsam mit mir die
Königsdistanz in Angriff nehmen wollte. Er war es unter anderem, der mich im letzten Jahr in Münster zu einer solch guten Zeit
getrieben hat.
Neben den ganzen Kleinigkeiten wie z.B. Banane essen, Schuhe schnüren, Treffpunkte vereinbaren, Toiletten-Gang, Startlinie finden, und und und, blieben mir nur noch 15-20 Minuten zum Aufwärmen. Ich joggte über den gesamten Schlossplatz und die Streckenabschnitte rund um das Zielgelände, sodass ich meiner Family und meiner Freundin kurz vor dem Start nochmal alle wichtigen Treffpunkte nennen konnte. Außerdem durfte ich mir wieder die Laufuhr meiner Mutter ausleihen, da meine Garmin FR 305 immer noch verrücktspielte - Dankeschön!
Um 09:48 Uhr knipste mein Vater die letzten Fotos vor dem Start und die Drei verabschiedeten sich von mir. Etwa bei KM 1 sollte ich ihnen dann erstmals wieder begegnen. Ich freute mich schon drauf!
Da unser Start gemeinsam mit den Halbmarathonis und 10-km-Läufern erfolgen sollte, wurden wir gebeten, uns auf der rechten Seite des Starterfeldes aufzuhalten. Die Zehner mussten hingegen links laufen, da sie eine verkürzte Strecke zu absolvieren hatten und früher abbiegen mussten. Markus und ich witzelten noch ein wenig rum, bevor es dann wenige Sekunden vor 10 Uhr ernst wurde. Von Football-Spielern mit Flaggen wurden wir zur eigentlichen Startlinie geleitetet und nach ein paar offiziellen Worten irgendeiner wichtigen Person aus Oldenburg kam endlich der Countdown … alle Wehwechen waren vergessen … alle wichtigen To-Do’s erledigt … alles war perfekt … LOS!
Der Lauf
Auf nasser Straße ging’s los und knapp 20 Läufer ließen mich direkt hinter sich, obwohl ich aus erster Linie gestartet bin. Pfff, typische Anfängerfehler, dachte ich mir. Auch ich bin schon
häufig zu schnell gestartet und dann kam der Mann mit dem Hammer gnadenlos und wie immer zu früh. Unbeirrt bog ich somit auf die Huntestraße rechts vom Stadtgraben ein, die dann einer
langgezogenen Linkskurve folgte. Früh merkte ich, dass auch ich sehr schnell gestartet bin. Normalerweise erwartete ich Markus links oder rechts von mir, aber er schien noch ruhiger starten zu
wollen. Egal, weiter so und nicht zu viel nachdenken, Patrick!
Etwa bei KM 1 (in 03:57 min) entdeckte ich dann erstmals meine „Fans“ am rechten Streckenrand und winkte in die Kamera meines Vaters. Alle jubelten mir zu und ich freute mich über die super
Stimmung - immerhin hatten es die Zuschauer heute besonders schwer, denn durch den Nieselregen und die recht kühlen Temperaturen herrschten sehr ungemütliche Zuschauer-Bedingungen.
Auf Höhe des Pferdemarktes, was heute der Dreh- und Angelpunkt meiner persönlichen Zuschauer werden sollte, bogen wir nach rechts Richtung Westen auf die lange Donnerschweer Straße ab. Noch immer
überholten mich vereinzelt ein paar Läufer, doch konnten es von nun an höchstens die ambitionierten Halbmarathonis sein. Ob es sich um Halbmarathon- oder Marathonläufer handelte, konnte ich nur
erahnen, denn nicht immer erkannte ich aus dem Blickwinkel die Farbe der Startnummern. Während ich eine dunkelblau hinterlegte Nummer hatte, waren die Läufer über die halbe Distanz mit einer
komplett weißen Nummer dekoriert. Zudem kamen noch Staffelläufer, die rechts neben ihrer blauen Nummer einen schwarzen Buchstaben (A - D) auf gelbem Grund hatten. Alles etwas verwirrend, aber
spätestens auf meiner zweiten 21,1-km-Runde würde ich wissen, woran ich bin.
Durch die insgesamt positive Stimmung und das anfangs ambitionierte Überspringen von Pfützen kam ich bei KM 2 auf viel zu schnelle 03:48 Minuten. Als es am nordwestlichsten Punkt der Route durch
eine Siedlung ging, konnte ich das Tempo zum Glück ein wenig verringern (KM 3 in 04:03 min), ein gleichmäßiger roter Faden war aber noch nicht gefunden.
Auf dem Weg zurück zum Pferdemarkt hielt ich Ausschau nach meinen Eltern und meiner Freundin, die ich etwa bei KM 4 (in 03:53 min) in der rechten Innenkurve entdeckte. Die Stimmung war nach wie
vor super und ich war mir sicher, man sah mir an, dass der Lauf Spaß machte.
Nun folgte eine weitere Schleife durch eine Siedlung im Norden und wir passierten die Nadorster Straße, die Lambertistraße und die Alexanderstraße. KM 5 und 6 absolvierte ich währenddessen beide
in 03:56 min und befand mich damit in meinem Wunschtempo. Insgesamt wurde es ruhiger, denn die Läufer aller Disziplinen verteilten sich zunehmend und liefen jeweils ihr eigenes Rennen. Dadurch
fehlte mir gleichzeitig eine kleine, starke Gruppe, an der ich mich nicht nur hätte orientieren können, sondern die mir eventuell auch etwas Windschatten gespendet hätte. Zum Glück war Letzteres
kein Problem, denn der Wind blieb aus und den Nieselregen hielt meine Kappe fern.
Eine knappe halbe Stunde nach dem Start sah ich meine drei Motivatoren bereits zum dritten Mal, denn der Pferdemarkt wurde ein drittes Mal erreicht, bevor es Richtung Osten raus aus der Stadt
gehen sollte. Hier gönnte ich mir erstmals einen kleinen Schluck Wasser und spulte KM 7 wieder etwas schneller ab (03:50 min).
Über breite Hauptstraßen, auf denen ich mich fast ein wenig verloren fühlte, ging es nun in die Randbezirke der Stadt. Kurz hinter KM 8 (in 03:52 min) ging es durch eine kurze Unterführung unter
einer Eisenbahntrasse hindurch, bevor es bei KM 9 (in 03:54 min) unter der Autobahn A28 hindurch ging. Beides sorgte für Abwechslung und war zum Glück nicht allzu anspruchsvoll.
Nach etwa 1,5 km entlang der Autobahn erreichte ich einen Kreisverkehr, den ich an der ersten „Ausfahrt“ verließ und ein weiteres Mal die A28 unterquerte. Nördlich von dieser galt es nun, den
großen Famila-Markt gegen den Uhrzeigersinn zum umrunden, um dann nach gut 1 km wieder auf denselben Kreisverkehr zurück zu steuern und dem gewohnten Streckenverlauf zu folgen. Diese interessante
Zusatzschleife ist normalerweise nicht Teil des Oldenburg Marathons, musste aber dieses Jahr aufgrund einer Baustelle auf der üblichen Strecke hinzugenommen werden.
Ab KM 12 (in 03:53 min) ging’s somit entlang von einzelnen Häusern und vielen Bäumen weiter Richtung Westen. Bis KM 16 - dem westlichsten Punkt der Route - konnte ich ein entspanntes Tempo von
03:55 - 04:00 min/km halten und genoss die Gleichmäßigkeit meiner Schritte.
Nachdem es bei KM 16 und 17 jeweils einmal linksrum und bei KM 17,5 einmal rechtsrum ging, erreichte ich den langen Quellenweg, der mich geradewegs zurück ins Zentrum führen sollte. Die nunmehr
vierte Unterführung der Autobahn war an dieser Stelle aber kräftezehrender, da die Straße spürbarer abfiel und dann wieder anstieg. Noch steckte ich dies gut weg (KM 19 in 03:58 min), aber auf
der zweiten Runde würde ich hier deutlich mehr zu kämpfen haben.
Bei KM 20 (in 04:00 min) kam zur schönen Szenerie des Theodor-Tantzen-Platzes am linken Streckenrand leider eine anstrengende Kopfsteinpassage hinzu, die zusätzlich ein paar Körner kostete. Mich
motivierte allerdings ein Halbmarathoni, der zuvor vor mir her gelaufen ist und nun ebenfalls federn lassen musste. Ich überholte ihn wenige Minuten vor seinem Zieleinlauf und versuchte ihn mit
Handbewegungen und kurzen Sprüchen zu einem flotten Schlussspurt zu motivieren. Leider haben ihn schon alle Kräfte verlassen, sodass er abreißen und mich ziehen lassen musste. Der Arme …
zumindest hatte er es fast hinter sich, während ich nach einer Rechtskurve nicht sofort wieder links auf die letzten 300 Meter zum Ziel abbiegen, sondern geradeaus weiterlaufen musste … und
natürlich wollte.
Die Halbmarathonmarke erreichte ich kurz nach Überlaufen der Startlinie und war über meine Durchgangszeit von 01:23:06 Std. natürlich mehr als überrascht. Wenn die Rechnung aufgeht, werde ich die
Durchschnittsgeschwindigkeit von minimum 04:00 min/km halten können, was mein großes Tagesziel war! Und die Gesamtplatzierung müsste auch keine allzu schlecht sein …
Als es wieder mehr Zuschauer rechts und links der breiten Straße wurden, stieg auch mein Adrenalin ein wenig. Dieses wurde nochmals verstärkt, als ich bei KM 22 (in 03:49 min) das weiße
Führungsfahrzeug mit großer Digitaluhr auf dem Dach am rechten Streckenrand erblickte. Es stand mit der Motorhaube mir zugewandt und so rechnete ich nicht damit, dass der Führende des Marathons
in den Genuss eines persönlichen Führungsautos gekommen ist. Schade eigentlich …
Als es wieder auf den Stadtgraben zuging, blieb ich diesmal links davon, da es keine sichtbaren Wegweiser nach rechts gegeben hat. Ein wenig verloren fühlte ich mich schon, denn vor und hinter
mir war keine Menschenseele. Plötzlich wurde es ruhig, kaum Passanten am Wegesrand, ein-zwei Radfahrer in der Ferne, bin ich falsch abgebogen? Bin ich überhaupt abgebogen? War’s das jetzt?
Abermals geisterte das böse Wort mit SCH*** in meinem Kopf … blöde Organisation, dachte ich mir.
Doch dann entdeckte ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder Streckenposten an der nächsten Kreuzung und war zuversichtlich, dass ich richtig war. Der flotte Kilometerabschnitt KM 23 in
03:49 min war Resultat meiner Nervosität. Zudem sah ich endlich wieder meine Family und Freundin am rechten Streckenrand unter einer Brücke stehen. Sie jubelten noch deutlich lauter und
euphorischer, als auf meiner ersten Runde. Was war in der Zwischenzeit passiert? Dass ich schnell unterwegs war, wusste ich, aber in meinen Augen ist das noch (!) kein Grund zum Jubeln. Die
Erklärung kam prompt: „PATRICK, du bist ERSTER!“ rief mir meine Mutter zu und wiederholte es noch ein paar Mal, während ich mit einem breiten Grinsen an den Dreien vorbeilief. Ernsthaft?!? War
sonst niemand vor mir? Unmöglich!
KM 24 mit seinem ganz sanften Anstieg Richtung Osten absolvierte ich in 03:57 min, was für meinen jetzigen Geschmack deutlich zu langsam war. Noch war ich mir unsicher darüber, wie weit entfernt
meine Verfolger waren, und Umdrehen war für mich keine Option. Somit musste ich den Druck hochhalten und rannte KM 25 abermals in 03:49 min. So ist’s recht. Jetzt bloß nicht langsamer werden,
aber auch nicht übertreiben. Die Euphorie kann hier zum größten Feind werden und der Mann mit dem Hammer lauerte ganz sicher schon.
Kurz hinter KM 25, als ich wieder auf die Donnerschweer Straße zurück Richtung Pferdemarkt einbog, traute ich meinen Augen nicht! Das weiße Führungsfahrzeug - ein BMW - wartete auf mich … ich war
sprachlos und mir stockte der Atem. Sowas kannte ich bisher nur aus dem Fernsehen und jetzt war ich mittendrin, statt nur dabei. Die Streckenposten riefen mir zu: „Na endlich, da hast du nun dein
Führungsfahrzeug!“ … MEIN Führungsfahrzeug! Das wollte ich ganz bestimmt nicht wieder hergeben ...
Bei KM 25,5 waren meine persönlichen „Fans“ ebenfalls ganz erstaunt. Während mein Vater Fotos knipste, rief mir meine Mutter den aktuellen Stand zu. So wie ich sie verstanden habe, folgten mir zwei Läufer gemeinsam mit einem Rückstand von 45 Sekunden. Das war nicht viel, zumal sich zwei Läufer leichter gegenseitig motivieren konnten, als ich allein. Aber der Vorteil lag dennoch bei mir, denn dieser BMW war wie Doping für mich!
KM 26 in 03:48 min und KM 27 in 03:49 min sprachen für sich. Ich war heiß auf den Sieg. Heißer denn je! Doch der Weg war noch lang und das letzte Drittel über recht zähe Streckenabschnitte stand mir noch bevor. Ein weiteres Quäntchen Motivation schöpfte ich aus dem vorerst letzten Treffen mit meinen Liebsten kurz hinter KM 28 (in 03:51 min). Deren Applaus vom rechten Straßenrand war aber längst nicht mehr der einzige, denn auch seitens anderer Passanten und vor allem der vielen Streckenposten gab es laute Jubelrufe. Wahnsinn!
Die Kilometerabschnitte 29 bis 32 spulte ich noch einsam in durchschnittlich 03:52 min/km ab, doch mit Erreichen des Kreisverkehrs und der bevorstehenden Umrundung des Famila Marktes hörte ich
plötzlich energische Schritte auf mich zukommen. War es der Zweitplatzierte oder ein Staffelläufer? - war die erste Frage, die mir in den Kopf schoss. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass es ein
Staffelläufer sein musste und ich behielt recht. Es handelte sich um einen höchstens 20-jährigen Jüngling, den ich wohl an mir vorbeiziehen lassen musste.
Auch der Fahrer des Führungsfahrzeugs war sich hin und wieder nicht sicher, wen er begleiten wollte oder musste. Als eine kleine Lücke zwischen uns beiden entstand, bremste dieser ab und setzte
sich zwischen uns beide … okay, alles auf Anfang, dachte ich mir. Bloß nicht aus dem Rhythmus kommen.
Doch nach und nach merkte ich, dass auch der junge Staffelläufer nicht mehr ganz fit zu sein schien. Die Lücke wurde auf den kommenden Kilometern wieder kleiner und so kam es sogar dazu, dass ich
mich zumindest für kurze Zeit in seinen Windschatten begeben konnte. Die 5 km zwischen KM 33 und 37 rannte ich schön gleichmäßig in 19:04 min. Wir profitierten also beide vom gegenseitigen
Ansporn.
Vorbei an teils großen Anwesen und durch schöne Alleen hindurch konnte ich mich sogar ein wenig von ihm absetzen (KM 38 in 03:43 min und KM 39 in 03:45 min), doch war dieser Adrenalinschub nicht
von langer Dauer. Hinter der unangenehmen Autobahnunterführung bei KM 40 (in 03:48 min) zog der Junge wieder an und ließ mich auf der letzten langen Geraden zurück. Er hat es sich verdient und
durfte die Lorbeeren für sein Team gern deutlich vor mir ernten. Ich wünschte mir ohnehin eine entsprechend große Lücke vor und hinter mir, sodass ich den Zieleinlauf ganz für mich allein haben
konnte. Klingt egoistisch und ist es vielleicht auch, aber das ist für den bisher waghalsigsten und erfolgreichsten Marathon in meiner noch jungen Karriere nur Lohn genug, wie ich finde.
Schon vor den letzten beiden Kilometern ahnte ich, dass mir keiner mehr von hinten auf die Pelle rücken würde. Ich genoss die Sicherheit und trat dennoch nicht auf die Bremse. Ganz im Gegenteil:
nach einem etwas langsameren KM 41 (in 03:51 min) folgte mein schnellster Abschnitt des ganzen Rennens (KM 42 in 03:42 min).
So gleichmäßig schnell bin ich wohl noch keinen Wettkampf gelaufen und freute mich entsprechend auf die letzten 195 Meter. Der BMW ist bereits abgebogen und überließ mir die Bühne in Form einer
langen Geraden Richtung Schlossplatz.
Die Zuschauermenge nahm zu, der Lautstärkepegel nahm zu, das Adrenalin im Blut nahm zu. Die Straße war breit, richtig breit, wie eine Bühne, und darauf ich ganz allein. Der Moderator kündigte
mich laut und deutlich an und sprach zudem meinen Namen richtig aus (so viel konnte ich noch verstehen). Welche Pose machst du jetzt, Patrick? - stellte ich mir die Frage. Keine Ahnung!
Vielleicht ausnahmsweise mal nichts …
Vielleicht erst mal einen Blick auf die Uhr riskieren: kurz vor 02:44 Std. lautete der Stand, also nicht lang Überlegen, Kopf in den Nacken, Schlusssprint und bloß unter der Minuten-Barriere
bleibe. Meine Family und Freundin am Streckenrand nahm ich leider nicht mehr wahr, aber wusste gleichzeitig, dass sie da waren. Das tat gut! Unendliche Freude kam auf. So emotional war kaum ein
Lauf zuvor … ist das das Runner’s High?!?
Gesamtsieg in 02:43:50 Stunden … was will ich mehr?
Nachher
Im Zielbereich angekommen, wollte mich zunächst ein Internet-Reporter interviewen, was ich dankenswerterweise aber auf später verschoben habe. Erst mal runterkommen, Luft schnappen und Bericht
erstatten. Meine Begleiter waren alle ganz sprachlos und keiner konnte glauben, was das soeben passiert ist. Alle haben mit einer völlig anderen Zeit und Platzierung gerechnet - ich auch!
Noch am Gitterzaun, der die Zuschauer von den Läufern trennte, übergab mir meine Mutter meinen langen Trainingsanzug, damit ich mich vorm Abkühlen schützen konnte. Daraufhin gab ich das
versprochene Interview, das es dann schon bald im Internet zu sehen geben soll. Außerdem wartete ich, bis die Platzierten ins Ziel kamen, um auch ihnen für ihre Leistung zu gratulieren. Als der
Zweitplatzierte von meiner Endzeit erfuhr, verbeugte er sich sogar, was eine völlig ungewohnte Geste für mich war. Ich zitterte. Und das nicht nur vor der eintretenden Kälte.
Noch bevor Markus enttäuscht in 03:08:54 als 13. ins Ziel eintrudelte, holte ich mir die schöne Finisher-Medaille ab. Zu zweit ließen wir uns noch schnell abfotografieren und verzogen uns Richtung Läuferverpflegung, wo es neben Erdinger Alkoholfrei und warmen Tee auch Kuchen und Berliner gab. Mnjam - mnjam - mnjam. Natürlich deckte ich auch meine tapferen „Fans“ mit Tee ein und reichte ihnen jeweils einen Becher durch den Gitterzaun.
Bis zur geplanten Siegerehrung verging noch viel Zeit, sodass ich mich dazu entschied, mit meiner Freundin zum Auto zu gehen und mir dort trockene Sachen überzuziehen. Auf dem Rückweg nahmen wir
unsere eigene Verpflegung in Form von einer Thermokanne mit Tee, Obst und Süßigkeiten mit, um uns im großen Pavillon weiter warm halten zu können.
Bis ich dann endlich zur Ehrung aufgerufen wurde, vergingen 1 Stunde und 20 Minuten. Bei den äußeren Bedingungen etwas zu lang für den Geschmack vieler Zuschauer.
Nunja, aber jetzt ging es zunächst mal um das Dekorieren der Sieger. Als erstes bekam ich einen großen Pokal und eine Urkunde überreicht, gefolgt von einem großen Erdinger-Handtuch und meinem
persönlichen Highlight des Tages: einem riesengroßen gefülltes (!) 3-Liter-Erdinger-Glas!!!
Ein solches Glas habe ich mir schon seit vielen Jahren gewünscht und es fehlte in meiner Trophäen-Sammlung. Nun kam der Wunsch bei meinem 170. Wettkampf und meinem 17. (Ultra-)Marathon in
Erfüllung. Was gibt es Besseres? … noch besser war höchstens der Inhalt des Briefumschlags, den ich zudem überreicht bekommen habe. Geöffnet werden sollte dieser aber erst im Auto, also
verschwand er schnell in meiner Jackentasche.
Nachdem ich auch meine Mitbewerber von dem alkoholfreien Weizen kosten lassen hab, ging ich rüber zu meiner Family und entdeckte abermals sprachlose Gesichter. Was ein Geschenke-Segen, dachten
sich alle. Wow! Und natürlich ließen es sich mein Vater und meine Freundin nicht nehmen, auch am Bier zu nippen. Lediglich meine Mutter lehnte dankend ab, da sie ohnehin kein Bier mag.
Nach einer zweiten kurzen Altersklassen-Siegerehrung, bei der ich wieder eine Urkunde und ein kleines grünes Handtuch bekommen habe, gingen wir zurück zum Auto, wo die restlichen 2,5 Liter
Erdinger leider in den Gully ausgeschüttet werden mussten.
Als wir endlich im Auto saßen, zückte ich noch vor Abfahrt den Briefumschlag aus der Tasche, öffnete diesen und war völlig baff! 200 Tacken! Bar auf die Hand! KRASS!
Einen so großen Batzen Geld habe ich noch nie gewonnen und einen 200-Euro-Schein hält man auch äußerst selten in der Hand.
Breit grinsend ging’s zurück nach Hopsten, wo ich den Abend mit einem Haufen positiver Emotionen im Kopf genießen durfte.
DANKE an alle Unterstützer, die heute mit verantwortlich dafür waren! Ihr wart spitze!
Zahlen & Fakten
Distanz
Gelaufene Zeit (Netto)
Gelaufene Zeit (Brutto)
Altersklasse
AK-Platzierung
Platzierung (Männer)
Gesamtplatzierung
42,195 km
02:43:50 Std.
02:43:53 Std.
Männl. Hauptklasse (86-95)
1. von 31 (3,2 %)
1. von 202 (0,5 %)
1. von 233 (0,4 %)