35. GiG Malta Marathon

01.03.2020

Vorher

Im August 2016 waren meine Freundin und ich für zwei Wochen auf Malta und verbrachten dort unseren ersten gemeinsamen Sommerurlaub. Wir verliebten uns auf Anhieb in die kleine Insel und waren uns sicher, hier nochmal herzukommen. Seit vier Jahren existierte bei mir somit auch der Wunsch, den beliebten Malta Marathon unter die Füße zu nehmen. Mitte November 2019 machte ich endlich Nägel mit Köpfen und plante unseren Malta Marathon Kurzurlaub.
Mit „uns“ sind diesmal aber nicht Sophie und ich gemeint, sondern meine Schwester Nicole und ich. Bei meiner Recherche nach geeigneten Flügen rund um den Marathontermin Anfang März entdeckte ich günstige Verbindungen am frühen Samstagmorgen und späten Sonntagnachmittag. Dazwischen soll gelaufen werden. Gemeinsam mit Sophie haben wir vereinbart, dass ihr diese Hauruck-Aktion zu stressig wäre, zumal sie auf ein wichtiges Fußballspiel am Sonntag verzichten müsste. Von einem echten Kurzurlaub konnte bei 30 Stunden Aufenthalt auf der Insel ohnehin nicht die Rede sein.
Anschließend fragte ich Nicole, ob sie mich begleiten möchte, und da sie beruflich nur ganz schwer Urlaub nehmen kann und in ihrer Freizeit an Wochenenden gebunden ist, kam ihr mein Vorschlag sehr gelegen. Nach kurzer Überlegung entschieden wir uns für ein sportliches Geschwistererlebnis und buchten die Flüge. Für 24,30 € p.P. wird es mit Ryanair von Köln aus losgehen, bevor der Rückflug für 54,53 € p.P. mit Air Malta nach Düsseldorf erfolgen soll. Natürlich reicht uns für die kurze Dauer ein kleiner Rucksack, sodass wir kein weiteres Handgepäck hinzubuchten.
Am selben Tag der Flugbuchung reservierte ich uns ein Hotelzimmer im beliebten Stadtteil Sliema unweit des Marathonzielgeländes. Dank der frühen Buchung kostete uns die Übernachtung inklusiv Frühstück insgesamt nur 22,75 €. Auch hier verzichteten wir auf jeglichen Luxus und freuten uns über die perfekte Lage: 1,7 km zur Startnummernausgabe, 400 m bis zum morgendlichen Shuttlebus bzw. zur Ziellinie und nur 30 m bis zum Meer.

 

Anschließend fehlte noch unsere Anmeldung für den Lauf. Während ich mein 14. Marathon-Land eintüten will, möchte Nicole den Halbmarathon in Angriff nehmen. Für sie soll es ein ganz besonderer Testwettkampf fünf Wochen vor dem Rotterdam Marathon werden.
Beide Startplätze kosteten jeweils 35 € plus 5 € für den Bustransfer zum Startgelände im historischen Mdina. Die Shuttlebusse würden in Sliema um 6:00 Uhr (Marathon um 7:30 Uhr) und um 7:45 Uhr (Halbmarathon um 9:15 Uhr) abfahren. Zwar ist der Startpunkt für uns beide derselbe, doch würde ich weitaus mehr Schleifen durchs Inland laufen müssen, um auf die volle Distanz zu kommen. Zudem haben alle Läufer einen Abstieg von insgesamt 225 Höhenmetern vor sich, weshalb Rekorde auf dieser Strecke nicht anerkannt werden dürfen.

In den folgenden 3,5 Monaten wurde die Vorfreude größer und größer. Bei jeder Gelegenheit erinnerten wir uns gegenseitig an das bevorstehende Abenteuer bis es plötzlich Ende Februar war.
Nachdem ich Sonntagabend (23.02.) von meinem vorherigen Marathon in Aalter zurückgekehrt war, hatte ich den Rucksack für Malta bereits am Dienstag wieder gepackt. So konnte ich in der zweiten Wochenhälfte gedanklich etwas abschalten.
Am Freitagabend fuhr ich um 18:00 Uhr von Melle nach Münster, wo Nicole ihre Klamotten ebenfalls schon vorbereitet hatte und mit dem Kochen eines leckeren Pasta-Gerichts anfing. Wir fachsimpelten noch einige Zeit herum und waren ganz aufgeregt vor der besonderen Reise.

Bereits um 21 Uhr ging es für uns ins Bett, denn die Nacht würde ohnehin sehr kurz werden. Der Wecker klingelte erbarmungslos um 02:15 Uhr und die Schlummertaste durfte diesmal nicht betätigt werden. Nicole und ich zogen uns schnell an, schnappten die gepackten Rucksäcke und geschmierten Brötchen und gingen um 02:30 Uhr zum Auto. Auf geht’s!
In gut vier Stunden sollte unser Flieger vom Flughafen Köln/Bonn aus starten. Diese Zeit müsste für eine stressfreie Autofahrt und Parkplatzsuche ausreichen. Zudem planten wir, das Auto an einer nahegelegenen S-Bahn-Station abzustellen, um somit die teuren Parkgebühren am Airport zu sparen.
Um 04:30 Uhr kamen wir an der Station „Frankfurter Str.“ an, wo wir zum Glück kostenfrei stehen und uns bei McDonald’s noch mit einem Kaffee und zwei Apfeltaschen eindecken konnten. Die S-Bahn fuhr uns in nur fünf Minuten zum Flughafen, wo wir um 05:00 Uhr endlich ankamen. Nun war es geschafft und wir konnten durchatmen.

Nach einigem Suchen fanden wir das richtige Terminal und gelangten problemlos durch die Sicherheitskontrolle. Auf dem gesamten Weg bis zu unserem Gate waren die Folgen des Coronavirus, das sich aktuell auch in NRW stark ausbreitet, kaum sichtbar. Es wurde weder unsere Körpertemperatur gemessen, noch sah man viele Menschen mit Mundschutz. Lediglich die Spender zum Desinfizieren der Hände waren präsenter und wurden vermehrt genutzt.
Das weitere Warten verkürzten wir uns mit netten Gesprächen und einem letzten Gang zu den Toiletten. Erst im Flugzeug wollten wir versuchen, den fehlenden Schlaf nachzuholen. Pünktlich um 06:15 Uhr wurden wir hineingelassen und um 06:45 Uhr startete der gut 2,5-stündige Flug nach Malta.

Während des Fluges konnte ich eine gute Stunde schlafen und fühlte mich anschließend wieder sehr viel besser. Vor der Landung auf der schönen Sonneninsel zückte ich noch meinen Laptop und tippte ein paar Sätze in diesen Laufbericht.
Um 09:30 Uhr waren wir angekommen und gingen zunächst Richtung Sicherheitskontrolle, bei der doch tatsächlich unsere Körpertemperatur gemessen wurde. Nachdem wir das Flughafengebäude verlassen hatten, spazierten wir zu einer nahegelegenen Bushaltestelle, von der aus wir um 09:52 Uhr einen Bus nach Valletta, der Hauptstadt Maltas, nahmen.

Für die Besichtigung der historischen Altstadt standen uns nun drei Stunden zu Verfügung, ehe wir einen Stadtteil weiter – in Sliema – in unser Hotelzimmer einchecken durften. Also spazierten wir mit unseren Rucksäcken beladen drauf los und fotografierten einige schöne Punkte ab. Das erste, was uns auffiel, waren der tiefe Graben und die monumentalen Stadtmauern, die die Halbinsel vom Rest des Festlandes abgrenzen. Da ich mich nicht mehr so recht daran erinnern konnte, war auch ich erneut sehr fasziniert.
Wir umrundeten und durchquerten die hügelige Halbinsel, machten Panoramafotos und Selfies, genossen die warme Sonne bei einem Eis und meldeten uns hin und wieder bei unseren Liebsten daheim.
Besonders schön fand ich, dass wir völlig ungezwungen herumliefen und uns über allesmögliche unterhalten haben. Es ist lange her, dass ich mit meiner Schwester so viel Zeit zu zweit hatte.

Als wir Valletta nach knapp zwei Stunden abgelaufen hatten, entschieden wir uns für eine kurze Fährfahrt nach Sliema (1,50 € p.P.), wo es weniger historisch und deutlich moderner zuging. Auch jetzt war es noch zu früh zum Einchecken, sodass wir beschlossen, ein paar Souvenirgeschäfte und ein Einkaufszentrum abzuklappern.
Da es auf Malta für warme Winter- und Frühlingsmode bereits zu warm war, ergatterte ich ein tolles Schnäppchen und kaufte mir eine braune Kunstlederjacke, wie ich sie schon seit längerer Zeit gesucht hatte. Auch Nicole wurde fündig und kaufte ein paar Kleinigkeiten als Mitbringsel für ihren Freund.
Eine weitere Besonderheit, die wir entdeckten, war das erste Zielbanner für den morgigen Wettbewerb. Noch herrschten auf der Zielgeraden viel Verkehr und Chaos, aber man konnte sich sicher sein, dass hier morgen der offizielle Marathon stattfinden wird. Ganz aufgeregt machten wir auch hier ein paar Fotos.

Gegen 13:30 Uhr wurden wir langsam aber sicher müde und so gingen wir mit kurzem Zwischenstopp in einem kleinen Supermarkt weiter zu unserem strandnahen Hotel. Mit unserem spartanischen Doppelzimmer samt Bad und Klimaanlage waren wir zufrieden. Das Frühstück, das ebenfalls inklusive war, konnten wir aufgrund unserer frühen Läufe leider nicht in Anspruch nehmen.
Im Zimmer angekommen gönnten wir uns erst mal eine entspannte Mittagspause und einen kleinen Zwischensnack. Während Nicole einige Zeit schlief, räumte ich mein Zeug zurecht und schaute etwas YouTube.

Ausgeruht machten wir uns gegen 16 Uhr auf den 1,7 km langen Fußweg zum Marriott Hotel, wo die Startnummernausgabe erfolgen sollte. Hin wählten wir den etwas längeren Weg auf der gut ausgebauten Promenade, zurück war uns die kürzere Variante durchs Inland lieber.
Vor Ort wunderten wir uns, dass es keine - zumindest kleine - Marathonmesse gab, auf der man nach ein paar Schnäppchen hätte gucken können. Vielmehr gab es zwei-drei nüchterne Hinweise und Richtungspfeile zu einem großen Vorraum auf der ersten Etage des Hotels, wo uns bereits eine hundert Personen lange Warteschlange empfing. Na toll …
Die meisten Gesichter, in die wir schauten, wirkten müde und gelangweilt. Wer weiß, wie lange sie hier schon warteten. Auch unsere Füße und Beine würden es uns danken, wenn wir schnell wieder im Hotel und im Bett wären.

Nach einer guten halben Stunde war es soweit und wir wurden in einen kleineren Raum gebeten, wo uns rasch die Nummern und Shuttlebus-Tickets ausgehändigt wurden. Anstelle des erhofften Veranstaltungs-Shirts erhielten wir zudem jeweils einen 5-€-Schein überreicht. Diese Entschädigung gab es für alle internationalen Teilnehmer, da sich die T-Shirt-Produktion in China und der Versand per Containerschiff aufgrund der Coronavirus-Thematik um eine Woche verzögerten.
Es war zwar schade, aber nicht zu ändern, und so freuten wir uns jetzt erst mal nur über unsere Startnummern.

Mit der Nummer 33, die mir hier per Zufall zugesprochen wurde, verbinde ich bereits sehr gute Erinnerungen. Die gleiche Zahl trug ich bei meinen Marathonsiegen in Osnabrück (2. RuM 2015) und Bremerhaven (2016), sowie bei meinem zweiten Platz in Cuxhaven (2017).
Ich würde mich über eine erneute Treppchen-Platzierung nicht beschweren, zumal ein dritter Platz mit der 33 in meiner Sammlung noch fehlt. Aber so utopisch sollte ich nicht sein. Im Ziel unter den ersten 33 Läufern zu sein, ist da weitaus wahrscheinlicher.
Nachdem wir fast wieder am Hotel waren, bogen wir in ein kleines Einkaufszentrum ab, in dem sich mehrere Imbissbuden befanden. Klassischerweise peilten wir den Italiener an, bei dem wir zwei Portionen vorgefertigte Lasagne-Bolognese bestellten. Diese kosteten jeweils 10 € und wurden lediglich wieder warmgemacht. So wie es klingt und aussah, so schmeckte es dann auch: mittelgut. Hauptsache, wir waren satt und bekamen keine Bauchschmerzen davon.

Nicole plagten leider ein paar komische Wehwehchen, die sie aber nicht auf das Abendessen zurückführte. Wir mutmaßten also, dass es mit der Aufregung und Nervosität vor dem morgigen Lauf zusammenhing.
Um am Sonntagmorgen ein paar Minuten länger schlafen zu können, bereiteten wir schon am Vorabend unsere Lauf-Outfits vor. Ich plante zudem, den offiziellen Kleiderbeutel mitzunehmen und diesen mit meinen wärmenden Sachen im Startbereich für den Rücktransport zum Ziel abzugeben.
Als alles Organisatorische erledigt war und wir uns bettfertig gemacht hatten, fielen uns extrem schnell die Augen zu. Dass die Betten etwas unbequem waren, merkten wir gar nicht mehr, und spätestens um 21:30 Uhr waren wir im Land der Träume.

Pünktlich um 05:00 Uhr klingelte mein Wecker und ich stand problemlos und ausgeschlafen auf. So lange und gut hatte ich selten vor einem Marathon geschlafen.
Zum Frühstück gab es ein kleines Baguette mit Schmelzkäse und dazu eine Banane, die ich mir für den Weg zum Shuttlebus mitnehmen wollte. Um 05:30 Uhr steckte ich in meinen Klamotten, fuhr mit dem kleinen Fahrstuhl runter und war schließlich auf dem 400 m langen Weg zum Zielgelände, wo uns Marathonis gleich mehrere Busse abholen würden.
Mit angenehmen 12°C und wenig Wind herrschten so früh morgens noch gute Bedingungen.

Als immer mehr Läufer in ihren Jacken und Alufolien zusammenkamen, fühlte ich mich an den Morgen des Big Sur Marathons 2015 erinnert. Damals war es mein erster Marathon, bei dem die Teilnehmer lange Zeit vor dem Startschuss in Bussen zum Startpunkt gefahren wurden. Die Szenerie hatte etwas von einer Klassenfahrt, bei der die meisten Leute noch ganz aufgeregt waren.
Da ich den ersten von mehreren großen Reisebussen erwischte, fuhren wir bereits 10 min vor der geplanten Zeit los und erreichten die alte Stadt Mdina am höchsten Punkt der Insel schon um 06:15 Uhr. Bis zum Startschuss verblieben noch 1 Stunde und 15 Minuten.

An Sophies und meinen Tagesausflug in diese magische Stadt, deren Anfänge auf 1.000 v.Chr. zurückzuführen sind, kann ich mich noch sehr gut erinnern. Es waren die massiven Stadtmauern, tiefen Gräben, schmalen Gassen und schönen Ausblicke, die uns damals fasziniert hatten. Und so wollte ich heute die Wartezeit bis zum Start damit verkürzen, mir Mdina nochmals im Morgengrauen anzuschauen. Die Straßen waren noch menschenleer und ich nutzte die Gelegenheit, ein paar Fotos zu schießen. Genau aus diesem Grund entschied ich mich, heute mit meinem Handy zu laufen. Diese Bilder mochte ich mir nicht entgehen lassen.

Nach einer knappen halben Stunde wurde es Zeit, dass ich mich aufwärmte, einen letzten Toilettengang absolvierte und mir Arme und Gesicht mit Sonnencreme eincremte. Außerdem versuchte ich ständig, mich vor dem nun sehr starken Wind zu schützen.
Den Kleiderbeutel warf ich zehn Minuten vor dem Start in ein geöffnetes DHL-Postauto und hoffte, mein schönes Laufshirt aus Porto im Ziel wiederzubekommen. 

Wenige Augenblicke, bevor es ernst wurde, stieg die wärmende Sonne empor und rückte den Marathon gewissermaßen ins Scheinwerferlicht. Auch ich setzte mich noch einmal in Szene und posierte neben dem Führungsfahrzeug. Dabei erfuhr ich durch den Moderator, dass die Startnummern 1 bis 100 privilegiert sind und im vorderen Bereich starten durften. Achso, ich gehörte also offiziell zu den „Schnellen“. Natürlich machte mich das ein wenig stolz.

Der Lauf

Der erste Kilometer (in 03:57 min) diente dazu, sich im Teilnehmerfeld ein wenig zurechtzufinden. Er führte nur sehr leicht bergab in Richtung der kleinen Ortschaft Ir-Rabat, die wir schließlich im Uhrzeigersinn umrundeten.

Die Läufer um mich herum waren recht besonders, denn während der vordere Teil schon jetzt nicht mehr zu sehen war, suchte der andere Teil nach Windschatten. Doch als es plötzlich immer schneller wurde, formierte sich endlich eine angenehme 5er-Gruppe um mich herum. KM 2 und 3 spulten wir in flotten 03:45 min und 03:41 min ab. Ein strammer Rückenwind und ordentliche Bergab-Passagen halfen uns natürlich dabei.
Wir erreichten nun eine breite, gut asphaltierte Straße, die uns zwischen den Orten Mdina und Mtarfa hindurchführte. Mit idealem Wind im Rücken und frischen Beinen wurde es immer noch nicht langsamer (KM 4 in 03:48 min und KM 5 in 03:38 min), sodass wir die ersten 5 km nach nur 18:49 min hinter uns hatten.

Da mir das Höllentempo etwas unheimlich wurde, bremste ich ein wenig und schaute mich stattdessen lieber etwas um. Die Kulisse um uns herum war einfach ein Traum und ich war in erster Linie deswegen hier. Sobald man sich über die rechte Schulter drehte, war die alte Stadt Mdina zum Greifen nah – und das obwohl wir schon einige Distanz gelaufen waren.
Und der nächste Höhepunkt nahte bereits, denn die folgenden 20 km verliefen stets in der Nähe des Ta Qali National Stadions. Das bedeutete auch, dass wir häufiger die Richtung wechseln und somit auch mal gegen den Wind laufen mussten. Doch zunächst waren es noch recht kurze Abschnitte und das Stadion, das wir zur Hälfte gegen den Uhrzeigersinn umrundeten, schirmte den Wind ein wenig ab (KM 6 in 03:49 und KM 7 in 03:53 min).

Ab dieser Stelle wurden auch die Straßenverhältnisse kurzzeitig schlechter, was aber keinen Einfluss auf das Tempo nahm. Über löchrige und staubige Asphaltpisten ging es an einer Parkanlage und großen Parkplätzen vorbei (KM 8 in 03:54 min), bevor es anschließend nicht nur gegen den starken Südwestwind, sondern auch ganz leicht bergauf ging (KM 9 in 04:00 min und KM 10 in 04:09 min).
Es war sehr hilfreich, dass zu diesem Zeitpunkt ein langhaariger Läufer mit grauem Top von hinten angerauscht kam und mir vorübergehend Windschatten bot. Da er aber eine Liga über mir war, ließ ich recht bald abreißen und hoffte, dass meine anderen Konkurrenten zu mir aufschlossen.

Nachdem der zweite 5-km-Abschnitt in 19:45 min geschafft war, erreichten wir die bereits zweite Getränkestation, an der ich ebenfalls zugriff. Als ich wieder sah, dass jedem Läufer jeweils eine Plastikflasche gereicht wurde, blutete mir das Herz. Diese Massen an Plastikmüll sind bei südlichen Läufen leider immer noch Standard (so auch in Marrakesch).
Aber auf das Wasser konnte ich hier nicht verzichten, denn es waren bereits sonnige 20°C und der Wind trocknete mir den Mund aus. Nachdem ich ein-zwei Schlucke getrunken hatte, kippte ich mir den Rest des kühlen Wassers über Arme, Beine und den Kopf. So nutzte ich den gesamten Inhalt der Flasche und warf diese dann in einen der Müllbeutel, die uns ein paar Jungs aufhielten.
Erfrischt ging es auf die nächste Etappe, die uns in die nördlich gelegene Siedlung Tad-Daqqaq führte. Diese typisch maltesische Wohngegend war gespickt von Auf- und Abstiegen und somit nicht so leicht zu laufen. Außerdem änderte sich ständig die Laufrichtung, weshalb auch der Wind unberechenbar war. Doch auch hier war noch genügend Energie im Körper und die Gruppe um mich herum noch groß genug, sodass wir uns zu einem dritten 5-km-Abschnitt in starken 19:31 min motivierten (zwischen 03:45 min/km und 04:04 min/km).
Nach einer dritten Erfrischung bei KM 15 folgte der bisher schwierigste Teil, in dem sich unter anderem auch unsere Gruppe verkleinerte und in die Länge zog. Die meiste Zeit ging es im Gegenwind Richtung Südwesten und stets spürbar bergauf (KM 16 bis 18 in 04:08 min, 04:11 min und 04:24 min). Erst nach diesen 3 km durften wir spitz links abbiegen und wieder deutlich flotter Richtung Nordosten laufen (KM 19 in 03:50 min und KM 20 in 03:53 min).
Dass das Tempo so stark variieren würde, hätte ich zuvor nicht für möglich gehalten. Ich war eher von einem stetig abfallenden Streckenkurs ausgegangen. Tja …

Nach einem vierten 5-km-Abschnitt in 20:26 min folgte schon bald die Halbmarathonmarke, die ich nach 01:23:15 Std. erreichte. Nun stand uns wieder eine Etappe in der Nähe des Ta Qali National Stadions bevor, die nicht nur an der Parkanlage und den großen Parkplätzen vorbeiführte, sondern auch durch diese hindurch. Besonders der kurze Abschnitt durch den sehr schön gepflegten Park bleibt mir sicher als positive Abwechslung zum Rest der Strecke lange in Erinnerung.
Da Wind und Steigungen erneut ein Wörtchen mitredeten, spulten wir KM 21 bis 25 in „nur“ 21:29 min ab (zwischen 04:09 min/km und 04:32 min/km).
Zum Glück war damit die gröbste Arbeit getan, denn nun wurde es flacher und der Wind blies meist nur noch von hinten. Vorbei an der fünften Getränkestation, die auch schon unsere zweite gewesen war, griff ich diesmal nicht nur zu Wasser, sondern auch nach einem kleinen Fläschchen mit einem orangenen Iso-Getränk. In der Hoffnung, keine Seitenstiche zu bekommen, kippte ich den süßen Drink in mich hinein und warf auch diese Flasche in einen der Müllbeutel.
Es folgten 5 km geradeaus, die nur durch eine kleine Rechts-Links-Kombination in dem Örtchen Balzan unterbrochen wurden. Diese liefen wir in einer kooperativen 3er-Gruppe in guten 20:28 min. Die Besonderheit auf dieser Passage erwartete uns bei KM 30 in Form eines gut erhaltenen Aquädukts, an dem wir entlangliefen.

Am Ende dieser Straße - kurz vor einem großen Kreisverkehr - stand eine 180 Grad Rechtskurve bevor, sodass wir auf der gegenüberliegenden Straßenseite gut 2 km zurücklaufen durften. Wendepunkte sind selten attraktiv, doch diesmal gesellten sich zum Gegenwind nicht nur ein paar Hügel, sondern auch ein ganz schöner Abstand zu meinen beiden Konkurrenten hinzu. Ich war fortan auf mich allein gestellt.

Somit entschied ich mich dazu, mein Energiegel aus der Hosentasche zu kramen und dieses kurz vor der nächsten Getränkestation bei KM 31 zu mir zu nehmen. Auch hier hoffte ich auf ein paar Extra-Kohlenhydrate, die mich über das Zwischentief hinwegbringen könnten.

Am Ende des Wendepunktes ging es wieder nach links und praktisch schnurstracks Richtung Valletta. Dieser Abschnitt zog sich zwar wie Kaugummi, motivierte mich jedoch gleichermaßen, da ich zwei oder drei neue Konkurrenten einholen und sogar überholen konnte. Sie hatten sich anfangs etwas mehr überschätzt und sorgten bei mir nun für einen zusätzlichen Antrieb. 

Mit den 21:14 min auf den anstrengenden, letzten 5 km bis einschließlich KM 35 war ich durchaus zufrieden. Selbst die zwei langgezogenen Brücken, die wir zusätzlich zu bewältigen hatten, machten mir nichts aus.

Nachdem mit einer knackigen Unterführung der langsamste Kilometer des Tages abgehakt war (KM 37 in 04:32 min), näherte man sich endlich den Toren Vallettas. „Hier waren wir gestern auch schon“, dachte ich mir in diesem Moment und freute mich über diesen Gedanken, da er mir ein Gefühl von Urlaub gab.

Bevor die Hauptstadt tatsächlich erreicht war, leiteten uns die Pfeile nach links eine kurze, steile Straße zum Fuße der massiven Stadtmauer hinab. Am Ende dieser kurvigen Straße war bereits die erste, kleine Meeresbucht und erste Boot zu sehen (KM 38 in 04:11 min). Es war vielleicht der emotionalste Streckenabschnitt bisher, denn der Wechsel von Inland zu Küstenregion war vollzogen. Meine gut 4 km lange Zielgerade immer entlang des Wassers, immer entlang mehrerer kleiner Buchten war damit begonnen!

Zwar wurde ich nochmals von einem überaus schnellen Läufer überholt, aber das machte mir nichts mehr aus. Meine volle Konzentration galt meinem ganz persönlichen Zieleinlauf und ich wusste, dass  dieser noch sehr lang werden konnte. Auch aus einigen Laufberichten anderer Marathonis wusste ich, dass es in Malta noch überaus anstrengende 4 km werden konnten. Hinter jeder absolvierten Bucht dachte man, es sei die letzte vor der Ziellinie, und in Wirklichkeit war es nur eine von insgesamt vier Buchten.

Ich lenkte mich daher mit ein wenig Kopfrechnen ab: Wie schnell musste ich pro Kilometer sein, um noch unter einer bestimmten Zeit ins Ziel zu kommen? Welche war diese bestimmte Zeit? Ich schätzte, noch knapp unter 02:53 Std. ins Ziel kommen zu können, wenn ich von nun an unter 04:20 min/km bliebe. Klang machbar!

Nach KM 39 in 04:18 min ließ ich KM 40 in 04:07 min folgen. So durfte es gern weitergehen und so ging es auch weiter! Mit zunehmendem Applaus vom Streckenrand merkte ich, wie meine Beine wieder locker wurden und ich eine Art zweite Luft bekam. Warum nur knapp unter 02:53 Std., wenn ich auch deutlich unter 02:53 Std. finishen kann?

KM 41 spulte ich in 04:03 min ab und befand mich nun kurz vor der letzten Bucht, die in einem langgezogenen Rechtsbogen umlaufen werden musste. Alle paar Sekunden blickte ich auf meine Laufuhr und bemerkte, wie ich einen lupenreinen Steigerungslauf hinlegte. Für KM 42 brauchte ich nur 03:51 min und befand mich endlich auf den letzten 195 Metern.

Mein Kopf wanderte mehr und mehr in den Nacken, die Atemzüge wurden schneller, die Augen größer. Erst 50 Meter vor der Ziellinie bemerkte ich, dass ich es sogar in unter 02:52 Std. ins Ziel schaffen könnte. Zwar verdammt knapp, aber einen Versuch war es wert. Die Schritte wurden länger und ich forderte das Publikum rings um mich zu noch mehr Applaus auf. Ich wedelte mit den Armen und hielt mir die Handflächen hinter die Ohren. „Warum seid ihr so leise?“

Und dann war ich mir plötzlich doch nicht mehr so sicher mit meiner Zielzeit. Mist! Ach, egal, Hauptsache Feierabend! Tatsächlich überquerte ich die Ziellinie in einer Bruttozeit von exakt 02:52:00 Stunden.

Doch da ich an der Startlinie eine Sekunde brauchte, um eben diese zu überqueren, steht in der Ergebnisliste final eine Nettozeit von 02:51:59 Std. hinter meinem Namen! Megastark! Ich war echt glücklich darüber, obwohl es sich nur um eine mickrige Sekunde handelte.

 

Nachher

Nach kurzer Verschnaufpause wurde mir eine sehr schöne, große goldene Medaille um den Hals gehängt. Sie war sogar so schwer, dass ich leicht nach vorne nickte. So war es zumindest in meiner Erinnerung.

Im Verpflegungsbereich trank ich zunächst eine Flasche Wasser und nahm mir neben zwei Iso-Getränken auch direkt zwei Bananen mit. Nun startete ein weiterer Marathon, denn bis wir Läufer zu unseren Kleiderbeuteln gefunden hatten, verging eine halbe Ewigkeit. Keiner der Organisatoren schien wirklich Ahnung zu haben schickte uns die belebte Straße rauf und runter. Es war traurig anzusehen, wie Marathonis mit schweren Beinen hin und her stapften – mich miteingeschlossen.

Erst 20 min später schien das Ziel gefunden zu sein, denn aus der Richtung eines 1 km entfernten Parkhauses kamen uns die Ersten mit Beutel entgegen. Schließlich hatte auch ich meine Sachen wieder und konnte mir endlich ein paar trockene Sachen überziehen.

Dann machte ich mich schnell auf den Rückweg zum Zielkanal, wo ich in einigen Minuten Nicole erwartete. Sie plante, den Halbmarathon zwischen 01:50 und 02:00 Stunden zu beenden, doch nachdem ich nun wusste, mit welchen Hügeln auch sie zu kämpfen hatte, rechnete ich eher mit der 02:00-Stunden-Marke.

Als die Tempomacher für eine Zielzeit von unter 2 Stunden mit ihren pinken Ballons an mir vorbeigelaufen waren, wurde ich besonders aufmerksam. Und da war sie, nur eine Minute dahinter! Ich merkte Nicole ihre schweren Beine an und litt natürlich mit ihr. Andererseits wird dies wohl ihr bester Vorbereitungswettkampf für den Rotterdam Marathon gewesen sein.

Ich jubelte ihr nochmal zu, knipste eine Reihe an Serienfotos und verließ die Zuschauermenge wieder. Hinter dem Zielbereich entdeckte ich sie ein paar Minuten später mit hochrotem Kopf und einer ebenfalls großen Medaille um den Hals. Eine feste Umarmung war für sie noch nicht möglich, also klopfte ich ihr erst mal ganz stolz auf die Schulter.

Als wir aus dem Gedränge raus waren und ein schattiges, ruhiges Plätzchen gefunden hatten, meldeten wir uns mit einem ersten Selfie und einer kurzen Sprachnachricht bei unseren Liebsten daheim.

Sobald Nicole getrunken und gegessen hatte und wieder zu Kräften gekommen war, wollten wir die Sonne und die schöne Kulisse für ein paar weitere Fotos nutzen. Um viele bunte Läufer im Hintergrund der Fotos zu vermeiden, stolperten wir an der Promenade ein paar Treppenstufen hinab. Mit solch schweren Beinen war das kein leichtes Unterfangen.

Mit mehreren Fotos aus unterschiedlichen Perspektiven ausgestattet ging es für uns schließlich zurück zu unserem Hotel, wo die Rucksäcke fertig gepackt in der Rezeption auf uns warteten.

Da es in unserem Hotel leider keine Gemeinschaftsbadezimmer gab und wir dort somit nicht duschen konnten, mussten wir erfinderisch und kreativ werden. Ganze drei Stunden blieben uns noch bis zum Rückflug nach Deutschland.

Da es am Strand ebenfalls keine öffentlichen Duschen zu finden gab, dachte ich an ein fremdes Hostel, in dem wir fragen könnten. Bei Google entdeckte ich ein nahegelegenes, perfekt bewertetes Luxus-Hostel, in dem wir unser Glück versuchen konnten. Zehn Minuten später waren wir angekommen und trafen auf eine junge Rezeptionistin, die erfreulicherweise Mitleid mit uns hatte.

Wir wurden in die unterirdischen Katakomben des Gebäudes begleitet, wo wir neben einem großen Aufenthaltsraum mit vier großen Sofas auch eine sehr gute und heiße Dusche nutzen durften. Das war der Oberhammer! Ich kann mich an keinen Marathon erinnern, nach dem ich so unverhofft luxuriös duschen konnte.

Mit 2,5 Stunden Puffer bis zum Abflug machten wir uns auf einen 3 km langen Fußweg nach Msida, wo wir einen Bus zum Flughafen erwarteten. Unterwegs wurden selbstverständlich weitere kurze Pausen eingelegt und Urlaubsbilder gemacht. Und wir mussten zugeben, dass sich der Aufenthalt auf der Insel nicht wie anderthalb Tage, sondern eher wie ein verlängertes Wochenende oder gar länger angefühlt hat.

Wir waren einfach nur glücklich, diese Reise gemeinsam unternommen zu haben!

Nachdem wir den ersten Bus Richtung Valletta erwischt hatten, musste dort in einen zweiten Bus zum Flughafen umgestiegen werden (also 2 x 1,50 € p.P.). Diesen erreichten wir schließlich gut anderthalb Stunden vor Abflug, sodass noch etwas Zeit für einen weiteren McDonald’s Besuch war.

Mit einem Cheeseburger gestärkt ging es zu Fuß weiter ins Flughafengebäude, wo wir nach den üblichen Kontrollen und Sicherheitsschleusen im Duty-Free-Bereich landeten. Hier deckte ich mich mit 12 Dosen Kinnie ein – einer meiner Lieblingslimonaden, die ich bisher nur auf Malta entdeckt habe.

Die letzten paar Minuten vor dem Boarding nutzten wir für unsere sozialen Kontakte im Internet, die wir mit Fotos und kurzen Berichten über unser Abenteuer informierten.

Erschöpft und müde betraten wir kurz vor unserem Abflug (um 15:50 Uhr) ein Flugzeug der Gesellschaft Air Malta, bei der man noch ohne Aufpreis zwei Plätze nebeneinander bekommt.

Die Hälfte des Fluges über schliefen wir, wenn auch nicht sehr bequem. So freuten wir uns schon jetzt auf unsere Betten daheim, die allerdings noch ein paar Stunden entfernt waren.

Nach der Landung in Düsseldorf machten wir uns auf die Suche nach dem sogenannten SkyTrain, der uns zum nahegelegenen Fernbahnhof brachte. Dort stiegen wir wenige Minuten später in eine zuvor verspätete Regionalbahn nach Köln-Mühlheim ein, sodass wir hofften, sogar noch etwas früher am Ziel anzukommen. Doch aufgrund eines technischen Defekts standen wir über 20 min irgendwo auf halber Strecke rum und erwischten somit erst um 20:14 Uhr den Bus nach Köln-Gremberghoven.

Im Nieselregen stapften wir zurück zum gestern früh geparkten Auto. Dabei wurde uns nochmal bewusst, wie verrückt unsere Geschichte doch ist: Gestern erst nach Köln gefahren, dann nach Malta geflogen, den Halb-/Marathon gerockt und jetzt standen wir wieder hier, wo alles begonnen hat.

Einfach nur verrückt!

Mit erneutem Zwischenstopp bei McDonald’s hatten wir dann auch unser Abendessen zusammen: Zwei Burger, Pommes und 20 McNuggets sollten wohl reichen.

Nachdem ich Nicole in Münster abgesetzt und schnell weitergefahren war, kam ich wie geplant um 23:30 Uhr zu Hause in Melle an.

Fix und fertig fiel ich ins Bett und erzählte meiner Freundin noch ein wenig von unserem aufregenden Trip, bevor ich dann endlich tief und fest einschlief.

 

Zahlen & Fakten

Distanz

 

Gelaufene Zeit (Netto)

 

Gelaufene Zeit (Brutto)

 

Altersklasse

 

AK-Platzierung

 

Platzierung (Männer)

 

Gesamtplatzierung

42,195 km

 

02:51:59 Std.

 

02:52:00 Std.

 

M 23-34

 

4. von 102 (3,9 %)

 

15. von 664 (2,3 %)

 

15. von 854 (1,8 %)